Promise. Sarah L. R. Schneiter

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Название Promise
Автор произведения Sarah L. R. Schneiter
Жанр Языкознание
Серия Promise
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748564638



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ein, nahm all ihren Mut zusammen und trat mitten auf die Laderampe hinaus.

      Dank ihrer Antigravitation konnte Anaata den Weg zu der etwa zwanzig Meter entfernten Kiste sehr schnell zurücklegen, ohne dabei den Boden zu berühren. Sie konzentrierte sich, spannte ihre Muskeln an, dann konnte sie wie in Zeitlupe fühlen, wie sich die Welt um sie herum drehte und vorne plötzlich zu unten wurde. Dank langer Gewöhnung reagierte sie routiniert darauf, mit hoher Geschwindigkeit auf die geöffnete Kiste zuzustürzen. Einzig der Aufprall bereitete ihr Sorgen, da sie ihn dank ihrer Verletzung schlechter abfedern konnte. Sie konnte das Zischen und Blitzen von Lichtprojektilen um sich herum wahrnehmen und musste sich beherrschen, sich einzig auf ihren Fall zu konzentrieren und den Kampf auszublenden. Kurz vor dem Aufprall ließ die Diebin die Antigravitation erneut wechseln, um ihren Fall abzubremsen, wobei sie jedoch die Schneedecke berührte und die Kontrolle über ihren horizontalen Sturz verlor. Der Boden wurde wieder zu unten und mit einem unflätigen Fluch auf den Lippen schlidderte sie auf ihrem Hintern unkoordiniert auf die Kiste zu, bis sie mit einem dumpfen Knall dagegen prallte. Sie konnte die Schmerzen in ihrem verwundeten Bein spüren und versuchte, sie so gut es ging zu ignorieren, stieß jedoch einen zischenden Laut aus.

      Anaata schüttelte ihre nunmehr verfilzte Mähne aus ihrem Sichtfeld und befahl sich: „Jetzt nicht jammern, sterben kann ich auch später noch.“ Offenbar hatten einige von Lynns Leuten sie erkannt, denn sie hörte nun Blasterschüsse neben sich einschlagen, vorerst war sie aber in Deckung. Mit klammen Fingern kramte sie den Zündwürfel aus ihrer Tasche, aktivierte ihn und warf ihn so hoch, dass er in die geöffnete Kiste fiel. Nun fehlte ihr bloß eine Rückzugsmöglichkeit. Eilig sondierte sie das Terrain, bis sie einen Weg fand, mehrheitlich in Deckung zwischen der Fracht hin- und herspringen zu können.

      Eben als Anaata sich bereit machte, sich zurückzuziehen, kam der Hüne, der zuvor den Wodka degoutiert hatte, mit einem Blasterkarabiner im Anschlag um die Ecke und richtete seine Waffe auf sie. Für einen Sekundenbruchteil war sich Anaata sicher, dies sei das Ende, doch noch ehe sie handeln konnte, blendete sie ein heller Blitz und der Gangster stürzte mit einem klaffenden Loch im Kopf neben ihr zu Boden, wobei Blutstropfen auf ihr Gesicht spritzten. Erschrocken starrte sie zu Nani hinüber, die hinter ihrer Deckung hervorlugte und offenbar eben den Gegner erschossen hatte. Ungläubig sah Anaata wieder auf den Toten, der keine zwanzig Zentimeter vor ihr im rot verfärbten Schnee lag und entdeckte den Beutel mit dem Geld, denn er fallengelassen hatte. Mehr instinktiv denn überlegt griff sie sich den Beutel und stopfte ihn in ihre Manteltasche, bevor sie tief durchatmete und sich bereitmachte, zu ihren Kameraden zu gelangen. Ihr erster Sprung brachte sie neben Nani, wo sie wegen dem schmerzenden Bein ihren Fall nicht abfedern konnte und ziemlich plump auf ihrem Hintern landete. Keuchend kroch sie den halben Meter zur Kameradin in die Sicherheit der Deckung und fragte: „Kannst du Natala ein Zeichen geben? Wenn sie kommt, könnt ihr Stanley zurück zum Schiff tragen.“

      „Klar, nur ist das eine Selbstmordmission, so wie uns diese Typen mit Feuer überzeihen“, gab Nani verbissen zurück, wobei sie hinter der Kiste hervorzielte und abdrückte. „Wir brauchen ein Zeitfenster.“

      „Ich habe eine Ablenkung gebastelt, die in etwa zehn Sekunden hochgeht.“

      Ohne weiter nachzufragen bedeutete Nani dem Captain, zu ihnen zu kommen und signalisierte ihr, noch zu warten. „Was wird passieren?“, erkundigte sie sich schließlich.

      Anaatas Antwort vorwegnehmend, explodierte der Zündwürfel in der Kiste mit dem Wodka und eine Stichflamme von verbrennendem Alkohol schoss gegen den schwarzen Himmel. Das ganze Spektakel wurde durch das Knallen zerbrechender Flaschen begleitet, die der Hitze des Feuers nicht standhielten und ihm so mehr Nahrung lieferten. Anaata linste um die Ecke und erkannte, dass die meisten Gangster sich auf Boden geworfen hatten. Dieses Chaos nutzte Natala aus, um über das freie Feld zu ihren Kameraden zu huschen. Außer Atem langte sie bei den Dreien an, gerade ehe ihre Gegner wieder zu schießen begannen.

      „Und was machen wir jetzt?“, wollte Anaata wissen.

      Anaata sah sich in der weiterhin von der großen Wodkaflamme gruselig erhellten Szenerie um. Sie waren gezwungen, mindestens zwanzig Meter ohne jede Deckung zur Laderampe der Promise zurückzulegen, was in der momentanen Situation quasi unmöglich war. Vor allem, weil sie noch Stanley tragen mussten, der bewusstlos und möglicherweise schwer verletzt war.

      „Anaata, du gibst uns Deckung, weil du springen kannst, wir nehmen Stanley. Nur, ohne einen zweiten großen Knall schaffen wir das niemals“, stellte Natala fest. „Wir wären bereits nach der halben Strecke Löchersiebe.“

      „Wir brauchen nochmals eine Ablenkung“, konstatierte Nani, während sie mit ihrem Blaster verbissen weiter aus der Deckung heraus feuerte.

      Ehe Anaata etwas sagen konnte, piepste ihr implantiertes Com. Sie nahm den Anruf entgegen und vernahm Svens Stimme in ihrem Kopf: „Ich kann euch Feuerschutz geben, wenn ihr bereit seid, euch zurückzuziehen. Dan sitzt schon auf der Brücke und fährt eben die Systeme hoch.“

      „Mit was willst du denn schießen?“, fragte Anaata, wobei Natala sich nach ihr umwandte.

      „Mit der Promise, ich sitze im unteren Geschützturm“, entgegnete er. „Das könnte ungemütlich werden.“ Eigentlich waren die Geschütze von Sternenschiffen dazu ausgelegt, im Flug abgefeuert zu werden, doch verzweifelte Situationen erforderten verzweifelte Maßnahmen. „Gut … wenn du meinst“, gab Anaata leicht zögernd zurück und wandte sich an ihre beiden Kameradinnen. „Okay, wir kriegen Deckung, aber das könnte eine ziemlich heiße Sache werden, Sven wird mit dem Geschütz auf die Gegner feuern.“

      Natala zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Okay, ich sehe keine bessere Option. Das wird mehr als ein großer Knall, ich hoffe nur, er trifft nicht aus Versehen uns, derart nahe könnte das leicht passieren.“ Natala überlegte kurz. „Anaata, du nimmst die Waffen und gibst uns Deckung, wir tragen Stanley. Sobald wir beim Schiff sind, springst du.“

      Die Diebin nickte und nahm Natalas Blaster entgegen. „Alles klar, auf drei.“

      „Eins“ – immer mehr Projektile schlugen in die Frachtkiste ein, gegen die sie lehnten, die Gegner kamen näher. Der Geruch von angesengtem Metall und ausgelaufenem Alkohol lag in der Luft. „Zwei“ – Nani warf ihr den zweiten Blaster zu und sie fing ihn auf, ehe sie ohne hinzusehen mit der Waffe in ihrer anderen Hand hinter der Kiste hervor eine Salve auf die Gegner abfeuerte. „Drei“ – Nani und Natala beugten sich zu Stan hinunter, packten ihn an Schultern und Fußgelenken. Anaata hatte das Gefühl, als stünde die Welt für einen Wimpernschlag still, ehe die Hölle losbrach.

      Erst war für einige Hundertstelsekunden ein unangenehmes elektrisches Knistern in der Luft zu vernehmen, das Anaata das Gefühl verlieh, alle Härchen auf ihrem Körper stellten sich auf. Dann feuerte das große Lasergeschütz der Promise mit einem schmerzhaft lauten zischenden Knall einen hellgelben Lichtblitz ab, der das Hovercraft der Gegner traf. Sie hörte das Kreischen von zerfetztem Metall, gefolgt von einigen Explosionen, als sich die Entladung in die Außenhülle des Luftschiffs bohrte und ein klaffendes Loch hinterließ. Alle Gegner hatten sich zu Boden geworfen, um dem Schuss zu entgehen, wurde man von einer solchen Kanone erwischt, blieb höchstens ein Häufchen Asche von einem übrig.

      Die beiden Schmugglerinnen nutzten die Verwirrung und hasteten mit ihrem bewusstlosen Freund so rasch los, wie sie konnten. Anaata hatte rasch begriffen, dass sie hinter der Kiste schlecht zielen konnte und sprang nun einige Meter senkrecht in die Höhe, wobei sie weiter auf die geblendeten Gegner schoss, bevor sie in der Hocke auf der Kiste landete. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihr Bein, sie schrie gepeinigt auf und sie musste sich beherrschen, bei Bewusstsein zu bleiben, wahrscheinlich wurde sie bloß nicht ohnmächtig, weil die Angst einen Adrenalinschub durch ihren Körper jagte. Irgendwie gelang es ihr, weiterhin ohne richtig zielen zu können auf der Box liegend auf ihre Gegner zu schießen. „Sven, wenn du das hören kannst, ich brauche hier draußen dringend Hilfe“, dachte Anaata so stark sie konnte und hoffte, das Com-Implantat konnte ihre Gedanken trotz der starken Schmerzen noch filtern und senden. Eben als sich die Gangster wieder erhoben und neu zu organisieren begannen, fauchte ein weiterer Laserstrahl von der Promise in das Chaos, diesmal traf Sven eine Kiste mit Alkohol, hinter der sich einige