Название | Trink aus! Den bitteren Kelch |
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Автор произведения | Michel Tapión |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750214378 |
Barkarole
„Erzähl aus deinem Leben“: sagt sie mit sanfter Stimme. „Ich habe auch alle Lust dazu und beginne mit der Ursache meiner Herzprobleme und den drei schicksalsbestimmenden Frauen dazu.“ Ich schleppte mich noch abends mühsam in den dritten Stock eines Altbauhauses, die Füße steif und wie bleiummantelt zwangen mich bereits im ersten Stock zur Rast, der Puls pochte laut in meinen Ohren, der Entschluss den zweiten Stock zu erklimmen kostete Überwindung, der dritte Stock war für mich wie eine Besteigung des Nanga Parbat. Dabei spürte ich das Erklimmen jeder Stufe als kleines Zucken in meiner Brust, das nachließ, wenn ich rastete. Ich war mir meiner Herzschwäche bewusst, doch der behandelnde Arzt hatte seine Ordination da oben und ich habe keinen anderen gefunden, der bereit gewesen wäre, mich noch, um diese Zeit zu behandeln. Endlich stand ich vor einer blendendweiß lackierten Türe, die sich mir wie ein Tor zu einer uneinnehmbaren Festung entgegenstellte. Statt der Pechnase sehe ich einen Namen auf poliertem Messing in schwarzer Schrift und überlege, ob ich mich schon bemerkbar machen solle. Ich hatte noch einige Minuten bis zum vereinbarten Termin, die wollte ich noch abwarten, ehe ich mich entschließen konnte, Einlass zu begehren. Ich könnte ja auch aufgerufen werden, sagte ich mir. Daher ist Warten ratsamer, um nicht nach Luft ringend keinen ganzen Satz herausbringen zu können. Die paar Minuten bis zum vereinbarten Termin waren vergangen, ich zauderte noch, denn ich wollte ja nicht überkorrekt erscheinen. Fünf Minuten möchte ich noch zuwarten. Doch der Zeiger, auf den ich starrte, zeigte keine Veränderung. So entschloss ich mich, klopfte einmal etwas zaghaft und dann zwei, drei Mal kräftig. Eine Stimme drang durch die Tür und gab die Erlaubnis einzutreten. Ein mittelgroßer Mann im weißen Mantel saß am Ende des Raumes vor mir. Ich nannte meinen Namen, bedankte mich noch einen Ordinationstermin zu so fortgeschrittener Stunde erhalten zu haben und machte einen Schritt in den Raum. Ich hatte die Adresse von einer Bekannten erhalten und kam aus dem Staunen nicht heraus. „Nehmen Sie dort drüben Platz!“ Die Stimme, die mir entgegenschallte, war energisch und befehlend. „Haben Sie Ihre Geschichte dabei?“ wurde ich gefragt. „Ja, ich kann sie erzählen.“ Ich war erstaunt über die mir zugewiesene Sitzgelegenheit. Der Raum hatte etwas Unheimliches, Beklemmendes an sich. Seitlich, rechts der Eingangstür, befand sich eine große Tafel, ihr gegenüber waren erhöhte Sitzreihen angebracht. Vom Hörensagen vermutete ich, dass dies ein Hörsaal sein musste, in dem ich jetzt meine Geschichte erzählen sollte. Ich hatte davor noch nie einen Hörsaal gesehen. In der Folge arbeitete mein Hirn auf Hochtouren und die Gedanken überschlugen sich beinahe. Welchen Titel hatte dieser Arzt? Wie sollte ich ihn nun anreden? Wieso fand die Ordination in einem Hörsaal statt? Diese Fragen hätte ein aufmerksamerer Blick auf die Messingtafel geklärt, doch ich war zu sehr mit mir beschäftigt. Etwas seltsam schien dieser Ort dennoch. Warum musste ich acht Meter entfernt platznehmen, wenn ich mich doch bequem gegenübersetzen hätte können. Da sich mein Gegenüber in Schweigen hüllte, begann ich meine Geschichte zu erzählen, die sich aus der Liebe zu drei Frauen, entwickelte. Als ich noch ein Jüngling war verließ meine Mutter meinen Vater, denn sie lebten in Scheidung. Sie zog mit mir aufs Land. Dort hatte ich jede erdenkliche Freiheit und Spielräume ungeahnten Ausmaßes. Soweit mich meine Füße trugen, konnte ich durch Wiesen und Wälder streifen. Es gab nur Weite, die ich ausgiebig erkundete. Eines schönen Sommertages traf ich ein hübsches Mädchen meines Alters. Wir kamen sofort ins Gespräch und von nun an trafen wir einander jeden Tag. Wir vereinbarten keinen Zeitpunkt auch keinen Ort, wir fanden uns dort wo wir das letzte Mal auseinander gegangen waren, gänzlich ohne Absprache. Wir pflückten Heidelbeeren und Pilze, erkundeten die Lichtungen, die an die Wälder grenzten, weil wir leise waren störten wir das Wild nicht und sahen so manches scheue Reh am Waldrand. Uns genügte nicht nur der Anblick, uns genügte auch die Nähe des jeweils anderen und wir waren glücklich. Eines Tages entdeckten wir ein aufgelassenes Sägewerk und mussten es sogleich erforschen. Als der Besitzer uns bemerkte und uns eine Tracht Prügel verabreichen wollte, konnten wir gerade noch davonlaufen. Ein anderes Mal stießen wir auf eine Wasserschleuse, die Wasser aus einem Weiher an eine angrenzende Mühle leitete. Die Seerosen und andere Pflanzen am Rand unterstrichen dieses Idyll. Das Wasser war frisch, aber nicht zu kalt und da wir kein Badezeug dabei hatten zogen wir uns aus und genossen diese herrliche Erfrischung. Dabei kamen wir uns nahe und ganz scheu und ehrfurchtsvoll berührten sich unsere Lippen. Plötzlich explodierten unsere Gefühle und trafen uns mit erheblicher Wucht und wir glaubten uns auf einem Vulkan. Es wurde uns zu eng im Wasser und wir begaben uns auf die Wiese. Bald waren wir eng umschlungen und spürten unsere Körper bis zur Ekstase. Am nächsten Tag war ich wieder bei der Schleuse, doch das Mädchen kam nicht, auch am übernächsten nicht. So oft ich auch noch diesen Ort aufsuchte, ich sah es nie wieder. Wir zogen nochmals weg, wieder zurück in die Stadt. Ich hatte andere Weggefährten, die ich aber nicht so schätzte und so begann ich mich nach geeigneteren Freunden umzusehen. Da war einmal Justi, sie wohnte gleich nebenan. Wir kamen uns nahe beim Brunnen, von wo wir Wasser holten und trafen einander fast täglich dort, plauderten und waren uns gewogen. Obwohl ich um einiges jünger war als sie, hatte ich den Eindruck, sie beginnt mich immer stärker zu umgarnen und versucht mich in ihr Nest zu locken. Auch hatte ich oft Post von Mädchen, denen ich begegnet war, doch Mutter hatte den Schlüssel zum Postfach und gab die Briefe nicht heraus. So hatte ich keinen Kontakt zu Mädchen, nur Justi zog das Netz immer enger. Eines Abends klopfte sie an die Tür, begehrte mit einem simplen Vorwand Einlass kurz danach balgten wir uns, landeten zuerst auf dem Sofa und danach am Boden. Zu allem Unglück kam Mutter nach Hause, die uns beide in dieser Lage sah und uns aus der Wohnung wies. Des Daches über dem Kopf entledigt, suchte ich zuerst Unterschlupf bei Justi, doch das war mir bald zu gefährlich. Sie hatte Panik keinen geeigneten Mann mehr zu finden, um noch Mutter zu werden und ich wollte mich nicht mit Justi vermählen. So zog ich auch bei Justi aus und suchte eine Garçonnière. Schuftete jeden Tag in einer Werkstätte. Da fiel mir ein blondes Mädchen auf. Es trug ein schwarzes Kostüm, kam gerade von der Rauchpause und ich dachte mir: Nur nicht diese Schlampe! Es kam anders. Das Mädchen lud mich etwas später zum Fünfuhrtee zu sich und ich fand es sehr attraktiv und sympathisch. Wir tranken Tee, knabberten Kekse und erzählten so vor uns hin. Es kam der Mai und es blieb bei dieser einen Einladung.