Sündige Herrschaft. Andreas Nass

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Название Sündige Herrschaft
Автор произведения Andreas Nass
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738039443



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Für einen Baum in dem Format«, ich deutete auf die Reste im Westtor, »sollte es reichen, aber nach einer erholsamen Nacht könnte auch ich meine Zauber auffrischen.«

      »Wenn Ihr mir einen Rat erlaubt, Markgrafen«, verbeugte sich Shirkan bei seiner Anmerkung, »dann sollte die Nacht zur Ruhe genutzt werden. Die zerstörten Waidlinge werden nicht so schnell nachwachsen, aber das bedeutet nicht, dass die gigantische Orkwaide schutzlos ist. Bedenkt, dass sie alles bislang Gesehene übertrifft.«

      Unser Mönch sah sich um und schüttelte dann den Kopf. Ihr gefiel die Verzögerung nicht. »Na gut, ich kann warten. Wenn ihr es für besser haltet, warten wir bis der Morgen graut.«

      Dankbar nickte ich meiner Gefährtin zu und drückte meinen Schenkel gegen die Seite von Gargarhaykal. Er verteilte Rauch bei seiner Drehung.

      »Eine ruhige Nacht, Shirkan.« Kraftvoll trabte mein Vertrauter los. Der Magier hob seine Tatze zum Abschied.

      Schnell hatten uns die Burgmauern wieder und wir gingen wortlos zu unseren Gemächern, wo Yana mich freudig erwartete.

      Wir nutzten die verbliebene Nacht. Ich machte das Bett fertig und frischte in einer ausgiebigen Ehrung Arkhmandeos und Yanas Teilnahme meine gewährten Zauberkräfte auf. Dann nahm ich leidenschaftlich Abschied von Yana.

      »Halt das Bett warm, ich bin bald wieder in deinen Armen.« versprach ich.

      Liebe und Sorge stand in ihren Augen.

      »Pass auf dich auf, lass es nicht darauf ankommen.« riet sie mir.

      »Das werde ich. Wenn unser Kampf aussichtslos erscheint, werde ich mich direkt in unser Gemach teleportieren.« Diese besondere Kraft meines dämonischen Blutes bewies sich oft als lebensrettend.

      Unseren zärtlichen Kuss behielt ich so lange es eben möglich war auf meinen sehnsüchtigen Lippen.

      Noch vor den ersten Sonnenstrahlen des grauenden Tages ritt ich in Begleitung von Moi’ra und Wogar los. Unter dem Jubel der Bevölkerung verließen wir die Stadt, passierten das zerstörte Tor und trabten in Richtung Osten, auf dem Weg zum Ort Mithol.

      Auf unseren großen Reittieren kamen wir gut voran. Nach drei Stunden erreichten wir die Ortschaft. Auf dem ersten Blick konnten wir keine Beschädigungen feststellen. Wir sahen uns um und mussten feststellen, dass der Ort völlig verlassen war. Und nicht nur das rege Treiben eines sonnigen Tages fehlte, es war auch absolut still. Totenstill.

      Um uns ein besseres Bild der Vorgänge zu machen, verglichen wir die Beobachtungen mit der Karte. Nach einer kurzen Beratung schlugen wir die nördliche Richtung ein.

      Der Weg führte uns mitten durch den dichten Wald. Wir mussten unsere Reittiere im Dorf zurücklassen. Nur unsere eigenen Schritte waren zu hören und das Knirschen des Herbstlaubes unter unseren Füßen erschien mir viel zu laut. Alle Stimmen des Waldes waren verschwunden: eine gespenstische Stille hatte sich über das Land gelegt. Kein Tier war zu sehen oder zu hören – sie mussten geflohen sein. In meiner Nase kitzelte ein leicht säuerlicher Geruch.

      Während einer kurzen Pause rezitierten wir unsere unterstützenden Zauber für den Kampf. Vorsichtig gingen wir weiter. Nach einer halben Stunde kamen wir an einen Platz, wo eine Unzahl von Gerippen lag und aufgeplatzte Kokons verteilt waren. Die Erde war vermodert, übersäuert. Säuresprenkel waren auf einigen Bäumen zu sehen und wiesen uns den Weg weiter nach Norden.

      Immer stechender wurde der Geruch. Nur mühsam konnte ich noch atmen. Aus einem leisen Summen wurde ein Gluckern und Knattern. Holz ächzte, der Boden rülpste. Wir schlichen durch den dichter gewordenen Wald, umrundeten eine Baumgruppe und sahen inmitten einzelner Bäume das gigantische Baummonster. Skelette lagen zu seinen Wurzeln. In der Krone waberten grün schimmernde Früchte.

      Auch auf die knapp achtzig Fuß, die wir von der Orkwaide entfernt waren, wirkte sie überwältigend und übertraf die Angreifer der letzten Nacht bei weitem. Um ihre Spitze zu erkennen, musste ich meinen Kopf in den Nacken legen. Shirkan hatte noch untertrieben in seiner Beschreibung. Ich fluchte leise.

      Geschützt durch die Baumgruppe sprachen wir unsere letzten Vorbereitungszauber und lockerten die Waffen. Ich nutzte meine psionischen Energien und aktivierte für kurze Zeit die von meinem Patron gewährte Kraft leichter Regeneration. Moi’ra begab sich ins Unterholz, ich trat neben Wogar aus unserem Versteck hervor. Er hielt sein Symbol des Buu-naa hoch, rief die göttlichen Mächte herbei und jagte einen donnernden Flammenschlag in den Stamm. Ich sammelte meine Kräfte des Abyss, formte die unheilige Macht und setzte einen rauchenden Blitz in die Krone des Ungetüms.

      Das Brüllen des riesigen Maules erfüllte die stinkende Luft. Ein zweites Mal ertönte Wogars fordernde Stimme, mit lautem Krachen fuhr erneut ein Flammenschlag in den Stamm. Dunkler Rauch quoll in den Himmel empor.

      Ganz in mich versunken formte ich aus der Kraft meines Geistes ein heißes, weiß glühendes Plasma und schleuderte es von mir fort auf die Orkwaide zu. Flammen züngelten entlang der Rinde und hüllten den Stamm in rote Glut.

      Der Baum hob seine Wurzeln, löste sich vom bebenden Boden, drehte sich in unsere Richtung und bewegte sich auf uns zu. Die Sonne verdunkelte sich, sie wurde gänzlich von der nahenden Gestalt verschluckt.

      Wogar richtete seine Waffe auf den Stamm und löste einen Blitzstrahl aus. Krachend jagte dieser in das Holz, begleitet von meiner zweiten Plasmakugel. Mit wenigen stampfenden Schritten war der Baum nun sehr nahe.

      An der ausgestreckten Hand baumelte das Symbol des Buu-naa, mit donnernder Stimme löste Wogar einen grellen Lichtstrahl aus seiner ausgestreckten Hand und sandte ihn gegen unseren Gegner, was dessen Rinde versengte. Zugleich kam eine weitere brennende Kugel reiner geistiger Energie von mir. Nichts hielt die riesige Pflanze auf, sie wirkte eher bestärkt, uns ein schnelles Ende zu bereiten.

      Wogar umfasste seine Waffe so sehr, dass seine Fingerknochen knirschten, und ging festen Schrittes vor. Ich leerte meinen Körper, sammelte Energie und feuerte einen weiteren glühenden Ball ab. Prasselnd zerstob dieser an der harten Rinde.

      Bis der Halbork nah genug heran war, hatte ich erneut die notwendigen Kräfte gesammelt. Wogar brüllte und spie die Glut seines Erbes hinaus. Gemeinsam mit seinem Drachenodem prallte die leuchtend rot wabernde Materie gegen das Holz und verkohlte große Bereiche. Rußgeruch mischte sich in die säuerliche Luft.

      Unser Ziel war nun nah genug heran, dass meine unheiligen Kräfte zur Wirkung kommen konnten. Ich rief Arkhmandeos dunkle Macht herbei, formte daraus eine schwarze Kralle und warf sie von mir weg. Sie jagte durch die Luft, versenkte sich in den Stamm und riss eine tiefe Wunde in die Borke.

      Moi’ra hatte sich unentdeckt dem Baum genähert und ging gemeinsam mit Wogar in den Nahkampf über. Beide schlugen in schneller Folge so kraftvoll sie konnten zu. Holzsplitter wirbelten durch die Luft. Das Stakkato der Schläge hallte in meinen Ohren.

      Aus meinem Innersten zog ich dunkle Energie zusammen, gab ihr eine Form und sandte sie von mir fort. Meine zweite Kralle flog, der alles überragende Baum war nicht zu verfehlen.

      Dann kamen die riesigen Äste. Das unnatürliche Wesen der Pflanze gab dem Geäst eine Beweglichkeit, die eher an Peitschenstränge erinnerte. Ausweichen war kaum möglich. Auf jeden von uns droschen zwei Äste mit Brachialgewalt ein. Wir mussten herbe einstecken. Knochen brachen. Meine Brüche heilten zwar sofort, hinterließen dennoch schmerzhafte Quetschungen und presste die Luft aus meinen Lungen. Zudem wurden wir alle von den Ästen umschlungen und zum Maul geführt. Der Kraft des Baumes konnten wir nichts entgegensetzen.

      Wogar gab seinen zweiten Odem auf die Äste ab, verbrannte die Rinde und wurde losgelassen. Ich nutzte eine dämonische Kraft, wechselte in meine ätherische Gestalt und entfloh so dem Griff.

      Im Astralraum konnte ich große Risse in der Struktur dieser Parallelwelt erkennen, Nordwestlich unserer Position, etwa vierzig Meilen entfernt. In meinem Kopf hatte ich die Karte mit der Insel im See vor den Augen. Ich wollte es später den anderen berichten, lief nun aber los in die Richtung, aus dem die Orkwaide kam.

      Moi’ras Ketten prasselten auf den Stamm ein, dann wurde sie von den Ästen gepackt und verschluckt.