Tot im Wohnwagen. Elisa Scheer

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Название Tot im Wohnwagen
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750253230



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gar nichts anging? Ben konnte sich die paar Euro Unterhalt schließlich sehr schön selbst leisten. Und wenn nicht, wäre sie schließlich auch noch da.

      Anton aber hasste die ganze Familie Garbrecht, ohne dass jemals deutlich geworden wäre, warum eigentlich. Das waren ganz vernünftige Leute, gebildet, nett, nicht gerade mittellos, mit interessanten Berufen – und einem sehr kleinen carbon footprint.

      Vielleicht musste Anton sich darüber aufregen? Er selbst war das reinste Ökoferkel, mit seinem dicken Schlitten und seiner Art, allen Kunden einzureden, sie müssten konsumieren, konsumieren, konsumieren – und bei ihm investieren, um sich den ganzen sinnlosen Krempel auch leisten zu können.

      Sie selbst hatte, seitdem sie die Garbrechts kannte, diskret damit begonnen, Dinge auszusortieren oder wegzuspenden. Einmal war sie sogar auf einem Flohmarkt gewesen, aber das wusste Anton glücklicherweise gar nicht (Wichtige Konferenz mit einem Kunden in Tirol – und er war sogar hingeflogen, mit einer affigen Privatmaschine!).

      Apropos Privatmaschine: Als sie sich kürzlich geweigert hatte, für ein Wochenende nach Düsseldorf zu fliegen, hatte er längere Zeit geschmollt. Schließlich war er geflogen und sie hatte den ICE genommen, was kaum länger gedauert hatte. In Düsseldorf wollte er shoppen gehen, der eitle Kerl. Sie hatte ihn freundlich begleitet und seine Entscheidungen für diese Krawatte und jenen Blazer gelobt, selbst aber nichts gekauft: Sie habe, was sie brauche, herzlichen Dank.

      Wahrscheinlich ärgerte ihn ihr Umdenken, das tatsächlich von den Garbrechts beeinflusst war. Sie musste wohl bloß noch bei Malte Garbrecht ein Fahrrad kaufen, dann würde es Anton wie Rumpelstilzchen zerreißen. Der Gedanke amüsierte sie, während sie den Tisch abräumte, den umgefallenen Stuhl aber liegenließ.

      Früher war er netter gewesen, eindeutig. Na, sie wohl auch, jedenfalls hatte sie ihn auch bewundert: So ein hübscher und erfolgreicher Kerl, der auch liebevoll sein konnte. Ob Ben und Stella ihm das ausgetrieben hatten, als sie begonnen hatten, ihm zu widersprechen? Nicht so leben wollten, wie er es für sie geplant hatte?

      Genau wusste sie es nicht – aber es hatte immer wieder Brüche in seinem Verhalten gegeben, die sie nicht deuten konnte. Immer wieder einmal kam er eines Tages nach Hause und war mit allem unzufrieden, ohne zu sagen, was er nun wieder hatte. Vermutlich verspekuliert… aber so arg konnte das doch nicht gewesen sein?

      Vielleicht brauchte er einfach mehr Bewunderung – aber die musste er sich auch verdienen! Und dass absolute Markttauglichkeit nicht mehr die einzige wünschenswerte Eigenschaft eines Menschen war, hatte er auch noch nicht kapiert.

      Für Anton musste ein Mann – wichtig: ein Mann! – jung und ehrgeizig sein, jederzeit erreichbar, bereit zu Zwölfstundentagen, mit Auslandserfahrung, mindestens guten Kenntnissen in Englisch, Spanisch, Russisch und Mandarin – um die entscheidenden Märkte abzudecken – außerdem konsumfixiert und mit stilvollem Auftreten.

      Work-Life-Balance? Hebe dich weg, Satanas! Den einzigen Mann, der bei AHmoney einmal Vaterzeit genommen hatte, hatte Anton hinterher zügig weggemobbt. Nach dem, was sie wusste, war er dann eben zu Engelmann gegangen und managte jetzt dort einen sehr aussichtsreichen Fonds.

      Schön blöd, Anton!

      Frauen mussten übrigens nicht ehrgeizig sein, höchstens darin, ihren Männern zu gefallen und die Kinder konsumorientiert zu erziehen. Die Jungs vor allem…

      Sie überlegte: Warum sollte Baby Emma dann so wirtschaftstauglich erzogen werden? Warum nicht lieber mit Puppen Schule spielen – wofür sie im Übrigen ebenfalls um Jahre zu jung war?

      Völlig unlogisch. Und wahrscheinlich nur, weil er die Garbrechts eben nicht leiden konnte. Und damit drehten sich ihre Gedanken ganz sinnfrei im Kreis!

      Energisch verbot sie sich weitere überflüssige Gedanken, räumte kurz die Küche auf und ging sich schminken, um dann zu art & books aufzubrechen. Vier Stunden Kunstbücher… die reinste Erholung, mit Anton verglichen!

      5

      Keine Überwachungskamera, schließlich war alles Baumaterial diebstahlssicher hinter einem stabilen Stahlzaun verstaut. Mist, ärgerte Maggie sich. Und hier wohnte wirklich weit und breit niemand, den man fragen konnte.

      Ah, da kam ein Mann auf sie zu!

      Sie zückte ihren Polizeiausweis und stellte sich vor. „Haben Sie vor knapp zwei Wochen hier etwas Seltsames bemerkt, Herr…?“

      „Mühlbacher. Nö, hab ich nicht, ich wohne nicht hier und ich hatte die letzten beiden Wochen Urlaub. Malle… ach ja.“ Er seufzte.

      Maggie seufzte ebenfalls.

      Als nächstes tauchte eine Frau mit einem sehr unzufriedenen Kleinkind im Buggy auf. Sie immerhin wohnte in Birkenried, hatte aber nichts Brauchbares beobachtet.

      „Ich glaube, irgendwelche Ganoven haben diese Schrottmühlen sowieso schon alle aufgebrochen“, vermutete sie und beugte sich zu ihrem ärgerlichen Sprössling: „Ja, was hast du denn? Wir sind doch gleich zu Hause, dann gibt´s was zu essen. Und eine frische Windel!“

      „Er oder sie?“, zeigte Maggie Interesse.

      „Sie. Emily. Aber jetzt ist sie ein bisschen schlecht gelaunt.“

      „Man hört es. Machen wir´s so – wenn Ihnen etwas einfällt, melden Sie sich.“ Sie reichte der Frau ihre Karte, die diese achtlos einsteckte, weil Emily ihren Schnuller ausgespuckt hatte und nun lautstark losweinte.

      „Scharfe Dinger“, sagten die beiden Jungen, die als nächste vorbeischlurften, die Zigarette lässig in der Hand.

      „Wovon reden Sie?“ Maggie war leicht verdutzt.

      „Na, die Rostschüsseln da! Müsste man mal ausschlachten. Ich meine, fahren tun die doch eh nicht mehr, oder?“ Zur Bekräftigung trat er gegen einen der schlaffen Reifen, der daraufhin gleich noch etwas mehr in sich zusammensank.

      „Und warum soll der Schrottplatz alles kriegen? Da landet es doch eh nur in der Schrottpresse!“

      Maggie zog eine strenge Miene, hatte aber nicht das Gefühl, die beiden zu beeindrucken. Also musste sie es mit der Schocktherapie versuchen: „In einem von den Schrotthaufen haben wir eine Leiche gefunden.“ Das funktionierte schon besser: „Eine Leiche? Cool!“

      „Also ist der Wohnwagen ein Tatort. Das kennt ihr doch – aus dem Fernsehen, gell?“

      Sie nickten eifrig. „Welcher denn?“

      „Das müsst ihr nicht wissen. Das weiß nämlich außer uns nur der – Mörder.“

      „Hui.“

      „Und wenn ihr euch darin zu schaffen macht, hinterlasst ihr Fingerabdrücke. Was denken wir dann wohl?“

      „Dass wir es waren?“ Das klang schon ängstlicher.

      „Richtig.“

      „Schmarrn“, wandte der andere unbeeindruckt ein, „wir können doch Handschuhe anziehen!“

      „Jeder Mensch hinterlässt an einem Tatort Spuren. Haare, Hautschüppchen, Speichel, Schweiß…“

      „Dann bräuchten wir also so einen Ganzkörperanzug wie im Fernsehen?“

      „Von der Spurensicherung? Richtig. Und auch die Schuhe nicht vergessen! Übrigens ist dieses Zeug ziemlich teuer und nicht im freien Handel zu bekommen. All dieser Aufwand für eine vergammelte Kücheneinrichtung oder hässliche Vorhänge aus den Achtzigern? Alt genug sehen die Wohnwagen schließlich aus!“

      „Ui… naja. Aber wieso Schuppen? Ich hab doch keine Schuppen!“

      „Hast du wohl! Haufenweise!“

      „Hab ich nicht! Und du musst reden, du mit deinen Pickeln!“

      Maggie sah ihnen nach, als sie sich freundschaftlich zankend entfernten, und hielt dann nach einem neuen Opfer Ausschau. Kein Mensch auf der Straße, Mist.

      Sie eilte zur nächsten Ecke, wo