Tot im Wohnwagen. Elisa Scheer

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Название Tot im Wohnwagen
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750253230



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angeregtem Gespräch über Kriminalfilme und alberne Klischees darin steuerten sie die Gerhart-Hauptmann-Straße an. „Wie in der Schule“, murrte Patrick. „Jede Straße ein Reclamheftchen, das ich zwar bekritzelt, aber nicht gelesen habe.“

      Maggie kicherte. „Die Ratten, was? Hier, Nummer 36. Das muss es sein.“

      „Das steht ja auch Garbrecht, du Meisterdetektivin. Vierter Stock. Hm, ganz oben ist bestimmt nett.“

      „Solange der Aufzug funktioniert.“ Maggie klingelte.

      Nichts geschah, auch nicht, als sie zum zweiten Mal – und deutlich länger – klingelte.

      „Darf ich mal vorbei?“

      Sie drehten sich um und sahen eine Frau um die Dreißig von eher unauffälligem Äußeren, die mit gezücktem Schlüssel dastand.

      „Sie sind nicht zufällig Frau Garbrecht?“

      „Doch“, antwortete die Frau leicht verblüfft, „warum? Aber das sage ich Ihnen gleich, ich kaufe nichts. Ich bin überzeugte Minimalistin und lese grundsätzlich auch keine Zeitschriften in Papierform.“

      Maggie gluckste. „Kann ich gut verstehen, aber wir sind von der Kripo.“

      Beide zückten ihre Ausweise.

      „Hui! Was ist denn – ach! Wegen des stinkenden Wohnwagens womöglich?“

      Patrick schluckte.

      „Dann war kein vergammeltes Hackfleisch drin oder so was Ähnliches? Aber doch nicht etwa - ?“

      „Oh doch“, antwortete Maggie mit der ernsten Miene, mit der sie Todesbotschaften zu überbringen gelernt hatten. „Eine tote Frau.“

      „Großer Gott! Und Sie möchten mich bestimmt dazu befragen? Dann gehen wir doch besser hinauf, oder?“

      Frau Garbrecht schloss auf und rief den Aufzug, nicht ohne mit verteidigendem Unterton darauf hinzuweisen, dass der Aufzug fast ganz von Solarzellen auf dem Dach gespeist werde.

      „Sie wohnen doch im vierten Stock? Da würde ich aber auch nicht gerne zu Fuß hinaufkeuchen“, beruhigte Patrick sie.

      „Ja, aber der Blick ist toll. Und mehr Stockwerke sparen doch auch Baugrund ein.“

      Als sie die Wohnung betraten, hatte Maggie ein starkes Déjà-vu-Gefühl und grübelte noch darüber nach, als sie den angebotenen Platz auf einem gepolsterten Hocker einnahm. Schließlich gab sie auf und sich geschlagen. „Ich habe vor einiger Zeit schon so eine ähnliche Wohnung gesehen, allerdings in der Nähe der MiniCity…“

      Frau Garbrecht grinste. „In den drei Wohntürmen? Da wohnt die Freundin des Bauherrn und offenbar hat er sich von ihrer Wohnung inspirieren lassen. Die Smart-Home-Elemente kann man hier allerdings nutzen oder es lassen, man braucht gerade mal eine App dafür.“

      Maggie schlug sich an den Kopf. „Die Möbius, klar! Dann ist das Haus von MayBau?“

      „Richtig. Siebenhundert Euro für zwei Zimmer sind nicht wirklich billig, aber wenn man nicht zu viel Gerümpel hortet, kommt man mit dem Platz gut aus, obwohl es nur 50 Quadratmeter sind. Vielleicht kaufe ich mir die Wohnung sogar, wenn ich das Geld zusammengekratzt habe und Birkenried bis dahin einigermaßen fertig ist. Eine Dauerbaustelle ist nicht ganz das, was mir vorschwebt. Aber deshalb sind Sie doch nicht hier, oder?“

      „Nein, Sie haben Recht, es geht uns natürlich um die Leiche im Wohnwagen. Wissen Sie noch, wann Ihnen der Geruch zum ersten Mal aufgefallen ist?“

      Patrick schluckte wieder, stellte aber fest, dass die Übelkeit nachzulassen schien.

      Frau Garbrecht überlegte. „Ich komme ja zweimal täglich daran vorbei, weil dahinter eben die Bushaltestelle ist… angerufen habe ich heute – aber vorher schon mal, vor drei, vier Tagen, glaube ich. Da ist gar nichts passiert, ich hatte auch nicht das Gefühl, dass die im Ordnungsamt da wirklich interessiert waren. Heute übrigens auch nicht, aber die Feuerwehr hat sich dann wohl gekümmert. Also etwa vor drei Tagen hat es schon gestunken, aber nicht so arg wie heute. Damals wollte ich wohl vor allem, dass die diesen Schrott von der Straße entfernen. Ich finde diese Art, seinen Müll – vom Brotzeitpapier bis zu Sperrmüll und alten Autos - einfach irgendwo hinzuschmeißen, furchtbar.“

      Maggie nickte. „Stimmt. Also, vor drei bis vier Tagen hat es schon gerochen. Dann könnte der Tod etwa vier bis sechs Tage zuvor eingetreten sein – heute ist der vierte Oktober – am 22. bis 24. September also…“

      „Kennen Sie denn Leute hier in der Gegend?“, wollte Patrick wissen.

      „Tut mir Leid, nein. Ich kenne ja kaum die Leute, die mit mir im vierten Stock wohnen – und da es hier mit Läden noch etwas hapert, kaufe ich im Allgemeinen in Selling ein, weil ich da auch arbeite. Im Bürgerzentrum in der Kölner Straße. Sie wissen ja, Schuldnerberatung, Familienberatung, Therapievermittlung, ein bisschen Coaching – soweit man damit etwas erreichen kann, heißt das. Ehrlich gesagt, bin ich meistens selbst überrascht, wenn ich einen Erfolg zu verzeichnen habe.“

      „Das kann doch nicht so einfach sein?“ Maggie zwinkerte.

      „Ja, so ungefähr. Aber natürlich freut man sich, wenn jemand wieder besser zurechtkommt. Jedenfalls, ich verlasse morgens das Haus, ärgere mich auf dem Weg zum Bus über die stinkenden Wohnwagen, komme abends zurück, ärgere mich wieder, schließe meine Wohnung auf, nicke vielleicht der Frau von nebenan zu, die kommt meist gleichzeitig nach Haus, wir wünschen uns einen schönen Abend… wahrscheinlich sieht sie genauso wie ich bloß ein bisschen fern. Das war´s.“

      „Nicht ganz“, wandte Patrick ein. „Heute waren Sie doch deutlich später dran, oder? Darf man fragen, warum?“

      „Klar“, antwortete Nele leicht erstaunt, „aber so spannend ist das nicht. Meine jüngere Schwester hat angerufen, sie muss eine Seminararbeit schreiben und ob ich mich um ihre kleine Tochter kümmern könnte. Also hab ich mit Klein-Emma im Garten Ball gespielt und versucht, sie zum Laufen zu animieren.“ Sie lächelte. „An der Hand geht es schon ein bisschen, aber sie ist ja auch noch kein Jahr alt. Ich finde, sie macht es schon recht nett. Egal, was dieser alte Idiot sagt!“, fügte sie wütend hinzu.

      „Welcher alte Idiot?“ Maggie hoffte immer noch auf etwas Interessantes, aber bis jetzt war diese Aussage deprimierend langweilig.

      „Ach, der Vater von Emmas Vater. Der alte Huther findet, Merle kann Emma nicht erziehen, Emma müsste schon laufen und reiten und Mandarin können und am besten schon programmieren, damit sie für die Wirtschaft tauglich ist. Deshalb verlangt er das Sorgerecht, damit seine Frau Emma erziehen soll. Die hat aber laut gesagt, das sieht sie gar nicht ein. Und Ben, Emmas Vater, will das auch nicht. Also nervt der alte Idiot, kann uns aber gar nichts.“

      „Huther?“

      „Ja, warum, kennen Sie ihn? Ist er vielleicht schon – wie sagt man? – aktenkundig? Das wäre ja klasse…“

      „Das nun nicht! Ist das der Chef von AHmoney?“

      „Stimmt. Ich finde den Namen ja nicht ganz glücklich, er klingt, als hätte man sich bei „Honig“-„Honey“ verschrieben. Ob er was kann, weiß ich nicht, ich möchte gerne glauben, dass er schlecht ist, aber wissen… dazu müsste ich mich wohl umhören, aber so wichtig ist mir das auch wieder nicht. Aber anlegen täte ich nichts bei ihm.“

      „Eine Warnung?“ Maggie zwinkerte.

      „Eher Boshaftigkeit. Ich mag ihn eben nicht, weil er so lästig ist.“

      „Was passt ihm denn an Ihrer Schwester nicht?“

      „Sie ist zu jung, sie hätte das Kind nicht kriegen dürfen, sie studiert noch, wir sind alle ein bisschen öko und er fährt die fetteste Dreckschleuder ever. Vielleicht Kompensation.“

      „Sie hätte das Kind nicht kriegen dürfen? Ist es krank?“

      „Sie, nicht es. Nein. Emma ist pumperlgesund, aber er ärgert sich darüber, dass sein Sohn jetzt