Die Geisterbande Dekalogie. Dennis Weis

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Название Die Geisterbande Dekalogie
Автор произведения Dennis Weis
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750213913



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nicht ganz“, lachte mein Vater, „kein Marder, aber Tjalf hat sich erschrocken von einem Schatten. Und drei Mal darfst du raten, wo das herkommt… von diesem Hefgame…“

      „Cavegame“, verbesserte ich.

      „Wie auch immer“, entgegnete er, „es ist einfach nicht gut für ihn.“

      „Aber Schatz“, sprach meine Mom, „ wir werden ihm jetzt nicht verbieten, damit zu spielen, weil er einmal Angst vor einem Schatten hatte. Der Junge muss lernen, damit umzugehen. Immerhin hast du es ihm zu Weihnachten besorgt.“

      Mein Vater schwieg. Es hieß in der Regel, dass meine Mutter recht hatte. Er guckte mich an und verließ die Küche.

      „Ist denn alles okay mit dir?“ wollte Mama von mir erfahren und beugte sich ein wenig zu mir hinunter.

      „Ja“, antwortete ich und lächelte ein bisschen, damit meine Mutter keinen Verdacht schöpfte, „es geht schon, Ich habe mich nur etwas erschreckt… jetzt geht es wieder.“

      „Wirklich?“

      „Ja, Mama.“

      Damit hatte sich die Sache für meine Mutter erledigt und sie ließ von mir ab. Offenbar glaubte sie mir. Aber für mich war es nicht vom Tisch. Ich machte mich auf in mein Zimmer, denn ich musste nachdenken- scharf nachdenken!

      Ich schmiss dabei auf das Bett. So ließ sich am besten der Gehirnschmalz in Wallung bringen. Ich erinnerte mich an den Jungen im weißen Nachthemd. Irgendwie schien er nicht aus unserer Zeit zu stammen. Er machte mir Angst. Zudem hörte sich die Stimme in meinem Kopf so echt an. Ich zweifelte nicht daran, dass er wirklich dort gewesen war, ich zweifelte an mir selbst.

      „Vielleicht bist du verrückt?“ fragte ich mich.

      Aber ich wusste keine Antwort. Natürlich nicht, das sage ich jetzt, aber damals wusste ich es nicht. Vor lauter Gedanken schlief ich letztendlich ein.

      Bilder von dem Jungen im Nachthemd spukten im meinem Kopf herum und immer wieder dieses Bild von ihm im Spiegel. Nur wirkte er böse. Mein Vater war kleiner und schmächtiger. Als er sich umdrehte wirkte er zudem dümmlicher.

      „Was ist?“ fragte er lispelnd.

      Ich konnte nichts sagen, da eine Kraft mich zurückhielt. Der Junge stieg aus dem Spiegel und ging schnurstracks auf meinen Vater zu. Ich war wie angewurzelt und konnte mich nicht bewegen, obwohl ich es mit meiner ganzen Kraft versucht hatte. Mein Vater schien ihn nicht wahrzunehmen, denn er schaute nur auf mich.

      „Was ist denn nun?“ lispelte er weiter.

      Der Junge war angekommen, drehte sich grinsend um, bevor er einen Strick emporbrachte und es meinem Vater um den Hals legte. Innerlich schrie ich, dass er aufhören sollte.

      Ich wachte schweißgebadet auf. Nur ein Traum.

      „Hilf mir!“ hörte ich eine Stimme und sie klang wie die des Jungen vom Dachboden.

      Es drang so tief in mich, sodass ich hochschreckte, denn es erinnerte mich an meinen Traum. Er wirkte so real, obwohl ich wusste, dass ich träumte, spürte ich noch immer meine Angst, mein Vater könnte sterben.

      „Hilf mir“, ertönte erneut die Stimme.

      Vielleicht war es wieder ein Traum? Oder ich war tatsächlich verrückt. Im jedem Fall wollte ich nun wissen, was da vor sich ging, auch wenn ich schiss hatte. Ich stand auf und machte mich auf den Weg zum Dachboden. Meine Neugier leitete mich und ich lief durch das Dunkel des Schlösschens. Es war zwar schwierig, aber es gelang mir, die Luke zum Dachboden zu öffnen. Als ich die Leiter hochkletterte, knarzte und knackte sie.

      Mein Puls pochte bis zu meinem Hals als ich tatsächlich auf dem Dachboden stand und bemerkte wie finster es hier oben wirklich war.

      „Hilf mir“, wiederholte er sich.

      Es könnte eine Falle sein, dachte ich, aber ich schlich dennoch voran. Eine Seite in mir wollte es, auch wenn es sehr langsam war. Wie soll man sich auch vorwärts bewegen, wenn man die Hand vor seinen Augen kaum sehen konnte?

      Ein Restlicht ließ Silhouetten von einem Spiegel und einer Truhe erkennen. Ich beschloss, mich hinzuknien, um mir eine Übersicht zu verschaffen und um nicht gleich einen Blick in den Spiegel zu riskieren.

      „Bist du da?“ fragte die Jungenstimme.

      Ich antwortete ihm nicht, denn ich wollte wissen, ob er sich zeigte. Es könnte sich bei all diesen Ereignissen doch auch um einen Streich eines Nachbarjungen handeln, der gleich aus der Ecke hervorspringt und „verarscht“ ruft, das ganze gefilmt hatte und im Internet veröffentlicht und mich für den Rest meines Lebens mobbt.

      Es kam nichts.

      „Zeig‘ dich“, sprach ich und ich zitterte am ganzen Körper, denn die Nachbarjungentheorie konnte ich selbst nicht so ganz glauben.

      Zumindest nicht in diesem Moment. Es gab immer Restzweifel. Nachdem keine Reaktion kam, lugte ich kurz hoch, sodass ich zwangsläufig den Spiegel sehen konnte, den ich eigentlich vermeiden wollte. Ich sah den Jungen, wie er in meine Richtung starre. Schnell bückte ich mich wieder und ich spürte wie die Furcht meinen Herzschlag beschleunigte.

      „Bleib‘ doch“, sagte die Jungenstimme, „ich will dir doch gar nichts antun.“

      Trotz dieser sanften und harmlos wirkenden Stimme, konnte ich im ersten Moment nicht anders als unten zu bleiben. Dann aber zog es mich hoch und ich stellte mich hin. Ich sah den Jungen, wenn auch nur schemenhaft. Ich versicherte mich, ob er hinter mir stand. Als ich niemanden vorfand, wandte ich mich erneut dem Jungen zu.

      „Danke“, sagte er.

      Auf meinem Gesicht bildete sich ein Fragezeichen, denn ich verstand nicht, was er von mir wollte und wofür er sich bei mir bedankte.

      „Mein Dank gilt dafür, dass du mich nicht verraten hast“, erläuterte der Junge.

      Mit jedem Wort, das seinen Mund verließ, schien er weniger bedrohlich für mich zu sein. Und dennoch blieb ich auf der Hut. Ich meine, ich war mitten in der Nacht auf dem Dachboden eines mir noch fremden Anwesens. Da musste man aufpassen!

      „Was machst du in dem Spiegel?“ fragte ich, obwohl eine andere Frage wohl passender gewesen wäre, aber vielleicht wusste ich die Antwort auf diese Frage ja bereits.

      „Ich bin ein Gefangener“, antwortete der Junge schüchtern.

      „Das verstehe ich nicht“, zeigte ich irritiert, denn es erklärte noch nicht, weshalb er im Spiegel zu sehen war und hinter mir nicht, „ ist das eine Art Trick?“

      „Nein, gewiss nicht“, gab er mir zu verstehen, „es liegt viel mehr daran, dass…“

      Und er unterbrach seinen Satz mit einem Schluchzen. Es fiel ihm sichtlich schwer, mir auf die Frage eine Antwort zu geben.

      „Bist du ein Geist?“ platzte es aus mir heraus.

      Es war eine Mischung aus Begeisterung, Restfurcht und einem „Ich hab es schon immer gewusst, dass es mehr gibt, als wir wahrnehmen“- Moment.

      „Ja“, bestätigte er meine Vermutung.

      „Und was machst du hier?“ bohrte ich weiter.

      „Ich brauche jemanden, der mich befreit“, teilte der Junge mir mit.“

      Meine Angst verflog von Sekunde zu Sekunde, denn ich hatte das Gefühl, abgesehen von dem Spiegelding, einen ganz normalen, etwa gleichaltrigen Jungen vor mir zu haben.

      „Vielleicht hat es einen Grund, dass du in dem Spiegel steckst“, entgegnete ich ihm.

      Sein Blick wurde trauriger.

      „Ich kann doch nichts dafür, dass ich hier bin, ich habe mir das nicht ausgesucht!“ brüllte er.

      Ich erschrak mich vor seiner plötzlichen Energie, die wie ein Blitz durch mich hindurchströmte und genauso schnell verschwand.

      „Ey, ich kann auch nichts