Du bist böse. Mara Dissen

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Название Du bist böse
Автор произведения Mara Dissen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750252332



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und schmiss sie in die lodernden Flammen des Grills. Es war nicht so, dass er sich über die Folgen nicht im Klaren war. Nein, er freute sich über die Flammen, die an dem Brett züngelten. Er tanzte vor dem Grill herum und warf Kohle nach, die er aus der Tüte auf der Terrasse nahm. Mit der Grillzange gelang es dem Handwerker und mir, den Sitz aus den Flammen zu ziehen. Leif schrie und tobte. Er wollte das Brett einfach brennen sehen. Er schreckte nicht davor zurück, den Sitz von der Rasenfläche, wo ich ihn hingeworfen hatte, aufzuheben, und erneut ins Feuer zu werfen. Seine Brandblasen waren einfach schrecklich.“ Mit einem Schluchzen lasse ich mich wieder auf den Stuhl fallen. Frau Butt sagt nichts, gibt mir die Zeit, die ich brauche, um ihr wieder in die Augen schauen zu können. „Verstehen Sie jetzt den Zaun?“, bitte ich nahezu flehend um Verständnis.

      „Bei welchem Arzt waren Sie mit Ihrem Sohn wegen der Verbrennungen?“ Ihre Frage löst bei mir Verwunderung aus.

      „Wieso fragen Sie?“

      „Sie wollten, dass ich Ihnen Fragen stelle, Frau Stolpe. Nun habe ich eine gestellt. Also?“

      „Das weiß ich nicht mehr. Ich glaube, wir haben das selbst verarztet.“ Sie verunsichert mich. Ihre Art, das Gespräch zu führen, hat sich verändert, ist gezielter, irgendwie lauernd geworden.

      „Haben Sie die anderen Verletzungen Ihres Sohnes auch selber verarztet, wie Sie es ausgedrückt haben?“

      „Was meinen Sie? Ich verstehe Sie nicht.“

      „Die Ärzte haben bei Ihrem Sohn alte Narben und schlecht verheilte Knochenbrüche festgestellt. Erzählen Sie mir, wie es dazu gekommen ist. Wir sollten jedoch Ihren Mann dazu holen. Er war es, der Ihren Sohn gestern gefunden hat, anscheinend allein mit ihm war, wahrscheinlich zwischen Aufsichtspflicht und Arbeit am häuslichen Schreibtisch hin und her gerissen. Vielleicht kann er ja auch Angaben zu dem Entstehen der alten Verletzungen beisteuern.“

      Der Schwindel befällt mich unvorbereitet. Mit zittrigen Knien wanke ich in unseren Eingangsbereich, erreiche eine der zahlreichen Türen, die richtige und übergebe mich ins Toilettenbecken.

      „Was wollen Sie eigentlich so penetrant beharrlich wissen? Meine Frau haben Sie doch schon zu einem erneuten Anfall geführt. Was haben Sie mit ihr gemacht? Sie hat im Schlafzimmer nur geschrien und um sich geschlagen. Das ist noch nie passiert. Ich dachte, sie sollte Ihnen von unserem Sohn erzählen, und sie wollte das auch. Da ist doch irgendetwas schiefgelaufen. Was denn jetzt noch?“

      „Lassen Sie uns das schreckliche Unglück mit Ihrem Sohn und deren Vorgeschichte in aller Ruhe erhellen.“

      „Was für eine Vorgeschichte, und was in aller Welt verstehen Sie unter erhellen. Licht in irgendein ominöses Dunkel bringen, das nur in Ihrer Fantasie besteht? Ist es das? Was maßen Sie sich überhaupt an?“, überschlägt sich Stolpes Stimme. Die Kommissarin überhört seinen erregten Ausbruch, ignoriert seine aggressive Körpersprache.

      „Ihre Frau wollte Ihnen vorhin eine Frage stellen, alleine, ohne meine Anwesenheit. Haben Sie eine Ahnung, worum es da gehen könnte?“

      „Nein, das müssen Sie meine Frau und nicht mich fragen“, kommt die Antwort patzig aber im Tonfall wesentlich beherrschter.

      „Das werde ich tun. Dann erzählen Sie mir doch wie gestern hier der Tag begann. Hat der Wecker geklingelt, für Sie oder Ihre Frau? Hat Ihr Sohn Sie geweckt, die Reinigungskraft? Wie genau war das?“ Kommissarin Butt hat sich in dem tiefen Sessel niedergelassen. Dass es sich nicht mehr um ein locker geführtes Gespräch handelt, macht das kleine, auf ihren Knien ruhende Notizheft deutlich. Frank Stolpe sitzt angespannt auf dem Sofa und lässt die Polizistin nicht aus den Augen.

      „Wir hatten den Wecker gestellt, auf sechs. Meine Frau hatte einen Termin in der Redaktion, und da musste sie früh raus. Geht das jetzt so weiter, mit Ihren nervigen, unsinnigen Fragen?“

      „Einen Termin in der Redaktion? Wie habe ich das zu verstehen?“

      „Meine Frau schreibt Kolumnen, hat eine feste Seite in der Tageszeitung, Tratsch und Geschichtchen eben. Sie hat früher als Auslandskorrespondentin gearbeitet. Da ist der Kram, den sie jetzt verfasst, natürlich nicht befriedigend. Das verstehe ich schon. Sie hatte einen Termin in der Redaktion, wollte um einen höherwertigen Aufgabenbereich vorsprechen. Keine Ahnung, was ihr so vorschwebte, und wie sie das alles hier miteinander verbinden wollte.“ Stolpe bemüht sich nun sichtlich, seine Verärgerung nicht zur Schau zu tragen. Seine Finger, die sich pausenlos ineinander verknoten, zeigen jedoch seine innere Anspannung.

      „Ich verstehe. Fahren Sie ruhig fort, Herr Stolpe.“

      „Normalerweise stehe ich vor meiner Frau auf, aber gestern war es anders. Meistens werden wir gar nicht durch den Wecker geweckt. Leif steht…stand dann vor unserem Bett. Meine Frau hat dann immer gehofft, dass er sich noch mit seinem Spielzeug alleine beschäftigt, und sie noch länger im Bett liegen konnte. War aber eigentlich nie der Fall. Na ja, sie stand dann immer auch gleich nach mir auf.“ Stolpe senkt den Kopf und kämpft mit den Tränen.

      „Gestern war es anders“, beendet Frau Butt die entstandene Pause.

      „Ja, Leif schlief noch, als wir aufstanden.“

      „Sie sind also mit aufgestanden, obwohl Sie noch nicht zur Arbeit mussten?“, fasst die Kommissarin zusammen und macht sich Notizen.

      „Ja, meine Frau ging ins Bad, und ich habe Frühstück gemacht. Wir hatten ausgemacht, dass ich auf Leif aufpasse. Also hatte ich mir Arbeit für zu Hause mitgenommen. Mittags sollte meine Frau mich dann ablösen. Ich musste folglich mit aufstehen. Leif hätte jeden Moment wach werden können.“

      „Und, ist er schnell wach geworden?“

      „Nein. Er hat ungewohnt lange geschlafen. Es muss so gegen acht gewesen sein, als er aus seinem Zimmer kam. Meine Frau war da schon weg.“

      „Was haben Sie gemacht?“

      „Ich? Ich habe an meinem Schreibtisch gearbeitet, ein wichtiger Auftrag, der mir unter den Nägeln brennt.“

      „Dann waren Sie ganz froh, dass Ihr Sohn länger geschlafen hat und Sie nicht schon so früh nervte. Ist es denn in solchen Situationen nicht möglich, ein Kindermädchen zu besorgen? Es wundert mich sowieso, dass Sie für Ihren Sohn kein fest angestelltes Kindermädchen hatten. Entschuldigen Sie die Bemerkung, aber das könnten Sie sich doch leisten.“

      „Mein Sohn hat mich nicht genervt und ein Kindermädchen brauchten wir nicht. Meine Frau hat ihn beaufsichtigt und gefördert.“ Die Antwort kommt prompt, mit rauer, kalter Stimme, will keine Gegenfragen zulassen.

      „Das wundert mich jetzt. Ihre Frau hat unmissverständlich klargemacht, dass sie sich in ihrer beruflichen Entwicklung eingeengt sah und wollte ja schließlich auch einen anspruchsvolleren Bereich bei der Zeitung, wie Sie eben ausgeführt haben. Sie fühlt sich Ihnen gegenüber benachteiligt und wirkte auf mich verbittert. Wäre da ein Kindermädchen nicht die Lösung gewesen?“

      „Wir hatten Kindermädchen. Die sind aber nicht geblieben. Sie werden es ja sowieso erfahren, wenn Ihnen daran gelegen ist. Die Frauen haben nach kurzer Zeit gekündigt oder sind einfach nicht mehr erschienen, von heute auf morgen. Leif war schwierig, lieb aber schwierig, und wer will sich heute noch mehr anstrengen als unbedingt nötig. Die hohe Fluktuation lag aber nicht nur an Leif. Einen großen Anteil daran hat auch meine Frau.“

      „Geben Sie mir bitte nachher die Adressen Ihrer ehemaligen Angestellten. Ja, Sie haben richtig vermutet. Mir ist an einem Gespräch mit den Kindermädchen gelegen. Sollten Sie nicht aber erst noch einmal nach Ihrer Frau sehen? Vielleicht braucht Sie doch einen Arzt.“

      „Nicht nötig. Die ist zäh im Nehmen. Soll sie doch leiden. Na ja, sorry. Sie hat ihre Beruhigungsmittel genommen. Darin kennt sie sich aus. Geht ihr bestimmt schon besser.“

      Hanna Butt zieht die Augenbrauen hoch und betrachtet Stolpe nachdenklich.