Terapolis. Tom Dekker

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Название Terapolis
Автор произведения Tom Dekker
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748514022



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aufgewecktes Lächeln, das ihm den Jungen, der beinahe so dunkle Haut wie Frog hatte, gleich sympathischer erscheinen ließ. „Los, machen wir uns auf den Weg!“

      „Wie heißt du eigentlich?“, fragte Mara.

      „Greg.“, antwortete Greg. „Ich heiße Greg.“

      „Das ist bestimmt nicht sein richtiger Name.“, flüsterte Nici Stan so laut zu, dass es alle hören konnten. „Alle Tramps haben geheime Namen, sagt Hanson.“ Bei diesen Worten nickte sie gewichtig.

      „Ich bin kein Tramp.“, stellte Greg noch einmal klar.

      „Und sie würden nie zugeben, dass sie Tramps sind.“ Stan zwinkerte Nici auffällig zu.

      Greg machte mit Maras und Mavs Hilfe einige Gehversuche, die sich als erstaunlich erfolgreich herausstellten. Schritt für Schritt betraten sie eine Greg völlig neue Welt.

      Eine sandige Graslandschaft breitete sich vor seinen Augen aus. Sanfte Hügel brachen an vielen Stellen das eintönige Gelbgrün, das die Landschaft prägte. Hier und da stand ein einzelner Laubbaum, kleine Hecken aus Buschwerk schienen wie zufällig in die Grassteppe gerammt worden zu sein. In der Ferne schienen sich einige bewaldete Hügel zu erheben. Nirgends entdeckte Greg ein Haus, eine Straße oder andere Anzeichen menschlichen Lebens.

      Verstohlen betrachtete er seine vier Retter genauer. Mara und Nici sahen sich mit ihren rotbraunen Haaren so ähnlich, dass sich Greg ganz sicher war, Schwestern vor sich zu haben. Mara hatte sich einen großen Strohhut mit Blumenschmuck, der in der Höhle offenbar auf ihrem Rücken gehangen hatte, auf den Kopf gesetzt. Ihr rechter Unterarm bestand, wie Greg sofort auffiel, aus einer durchaus komplexen, aber einfach gearbeiteten Metallprothese. Sie trug die gleichen roten Schnürstiefel wie Nici, damit erschöpften sich aber die Gemeinsamkeiten in der Garderobe der beiden Mädchen auch schon. Nici trug eine schwarze, an den Seiten geschnürte Lederhose, eine braune Lederjacke über einer weißen Seidenbluse, ein Nietenhalsband und ein grünes Kopftuch nach Piratenart. Während Mara eher dem Ideal einer Dame nachzueifern schien, konnte Nici bei flüchtigem Hinschauen durchaus auch als langhaariger Lausebengel durchgehen.

      Stan mit seiner ungewöhnlich glänzenden braunen Haut, den unzähligen Leberflecken im Gesicht und den braunen Haaren schien am wenigsten in diese Steppe zu passen. Schwarze Schnürstiefel waren seine einzige Konzession an die Naturgegebenheiten seiner Heimat. Darüber trug er einen grauen Anzug mit Weste und über den gescheitelten braunen Harren auf seinem Kopf prangte ein Statson-Hut, wie er bei den Herren in den Cities gerade schwer in Mode war. Alle paar Schritte fingerte er eine Taschenuhr aus seiner Weste, so als würde es eine Rolle spielen, wie lange sie in dieser Einöde unterwegs waren. Greg hatte die Vermutung, dass er die silbern glitzernde Uhr nur ständig herausholte, um Greg neidisch zu machen, und er musste zugeben, dass Stan das ziemlich gut gelang.

      Am fasziniertesten war Greg aber von Mav, der neben ihm ging und ihn immer wieder stützte, wenn er ins Straucheln geriet. Er hatte ebenso braune Haut wie Stan, aber rabenschwarzes, lockiges Haar. Er erinnerte Greg an Frog und Josh zu Hause in der Gemeinschaft, auch wenn die beiden noch dunklere Haut als Mav hatten. Mav trug braune Lederhosen und eine Lederjacke. Ein Nietenarmband und martialische Schnürstiefel komplettierten seine Gewandung. Besonders beeindruckt war Greg aber von der Fliegerhaube, die sich der etwas untersetzte Junge über den Kopf gestülpt hatte. In der City hatte er solche Hauben nur ganz selten gesehen. Die Leute sprachen immer ehrfurchtsvoll von den Männern mit diesen Hauben. Nur Aetheronauten und Aeronauten war es erlaubt, diese Abzeichen ihres waghalsigen Berufsstandes zu tragen. Niemand, der noch nie geflogen war, wäre so anmaßend gewesen, dieses Tabu zu brechen. Ob Mav auch ein echter Flieger war? Als hätte er Gregs Gedanken gelesen, lächelte Mav ihm in diesem Moment zu und nickte fröhlich.

      „Das ist ja so aufregend.“ Nici hüpfte begeistert um die kleine Gruppe herum und riss Greg aus seinen Beobachtungen. „Aus welcher City kommst du denn gerade?“ Ihre Neugier und Lebensfreude schienen wirklich unersättlich.

      „Aus welcher City?“, fragte Greg verwundert. „Ich komme einfach aus der City.“

      „Haha, sehr witzig.“, sagte Stan, ohne jedoch zu lachen.

      Greg wollte gerade etwas Patziges antworten, als ihm die Karte einfiel, die sie in dem Lagerhaus am Bahnhof von dem Mann mit dem riesigen Hut bekommen hatten. Natürlich, es gab noch andere Cities. Die Stadt, die ihm sein ganzes bisheriges Leben lang wie der riesige Nabel der Welt vorgekommen war, stellte auf der Karte nur einen Fliegendreck unter vielen anderen Punkten dar.

      „Jetzt lasst ihn erst einmal in Ruhe. Er braucht seine Kraft zum Laufen.“, unterbrach Mav das Geplänkel. „Zum Fragen haben wir zu Hause noch genug Zeit.“

      „Stimmt.“, pflichtete ihm Mara bei und Greg war den beiden in diesem Moment wirklich dankbar. Er brauchte dringend etwas Zeit, um seine Gedanken zu sortieren. Wenn nur nicht die Schmerzen gewesen wären. Hoffentlich war es nicht mehr weit.

      Lange, bevor die Sonne sich anschickte, den Horizont zu berühren, erreichten sie eine Hügelkuppe, von der aus sich für Greg ein überraschendes Bild bot. In einem Talkessel erstreckte sich eine von Straßen durchzogene Ansammlung von Gebäuden, die er mangels eines besseren Begriffs schlicht als City bezeichnet hätte, nur dass sie viel kleiner war als seine eigene. Die Straßen waren weniger breit, die zwei Fabrikgebäude am Ostrand der Siedlung weniger imposant und die Wohngebäude ähnelten den kleinen Reihenhäuschen, die von der Dampfbahngesellschaft vor ein paar Jahren für ihre Angestellten in der Nähe des Bahnhofs errichtet worden waren. Allerdings sah er hier keine roten Ziegelburgen. Stattdessen waren die Häuser weiß getüncht und jedes schien eine Haustür in einer anderen Farbe zu haben. Außerdem konnte Greg zu seiner Verwunderung keine einzige Dieselkutsche durch die Straßen rollen sehen. Er blieb stehen und schirmte sein Gesicht mit der Hand gegen die tiefstehende Sonne ab. Im Osten, von wo aus sie sich der Stadt näherten, erkannte Greg hinter einer Fabrik mit riesigem Schornstein mehrere kleine Manufakturgebäude, aus deren offenen Türen Arbeitslärm herüberklang. Südlich davon befand sich ein kleiner Bahnhof, an den sich große Hallen anschlossen, deren Funktion Greg verborgen blieb. Dahinter konnte er eine größere Anzahl von Gewächshäusern ausmachen. Solche gab es in der City auch, allerdings nur in den Gärten der reichen Leute im Westend und diese hier waren um einige Nummern größer. Die Ortschaft selbst breitete sich wie ein kleines Schachbrett vor Greg aus. Von Osten und Westen führten je drei mit Reihenhäusern gesäumte Straßen auf einen zentralen Platz, von Norden und Süden waren es zwei. Hier schienen bei weitem nicht so viele Menschen zu leben wie in der City.

      Mav hielt neben Greg inne und blickte versonnen in das Tal hinab.

      „Hübsch haben wir's, oder?“, fragte er mit einem Lächeln auf den Lippen.

      Greg nickte. „Ist das eure City?“

      „City?“, fragte Mav verwundert. „Wie kommst du denn darauf? Das ist unsere Kolonie!“ - „Wir sind doch keine City!“, fügte er nach einer kleinen Pause entschieden, und für Gregs Geschmack eine Spur zu abfällig, hinzu.

      Stan, der neben ihnen zum Stehen gekommen war, schnappte den letzten Satz auf. „He, Mara, Nici, habt ihr das gehört? Greg glaubt, wir hätten eine eigene City.“, brüllte er den Mädchen hinterher, die schon ein Stück weit den Hang hinuntergelaufen waren.

      Nici drehte sich um und rief kichernd: „Bloß nicht! Was wollen wir denn damit?“ Dann kehrte sie ihnen wieder den Rücken zu und trottete ihrer Schwester hinterher.

      Greg schaute Mav verwundert an. „Wieso? Ist eine City etwas Schlechtes?“

      Mav zuckte unschlüssig mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich war nie in einer. Aber man hört nicht viel Gutes über das Leben in den Cities. Es soll laut sein, die Leute sind komisch zueinander, ständig muss man Angst um sein Leben haben und die Dieselkutschen sollen die Luft verpesten.“

      Greg betrachtete skeptisch die hohen Schornsteine der Fabriken, die schmutzigen Rauch in die Luft pusteten. „Naja, verpestete Luft habt ihr ja auch zu bieten, oder?“

      „Quatsch.“, widersprach ihm Stan entrüstet. „Die Schornsteine sind extra so hoch gebaut, dass der