Название | Lücken im Regal |
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Автор произведения | Elisa Scheer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783746748634 |
Elli spähte an seinem ausgestreckten Arm entlang in die hintere Ecke, wo neben dem verständlicherweise völlig fertigen Hambacher eine junge Frau saß, die unablässig die Regale scannte und offenbar ein bestimmtes Buch suchte.
„Sabine Jehlen. Fünftes Semester, Geschichte und Französisch für Lehramt Gymnasium, sehr, sehr fleißig. Ich glaube, sie ist nicht sehr gut bei Kasse und möchte wohl schnell fertig werden. So, wie sie dreinschaut, sehnt sie sich heftig nach einem Buch, das sie durchackern könnte. Nun, vielleicht kann sie sich heute ersatzweise bei den Romanisten betätigen. Die sind ja gleich gegenüber.“
Der Kommissar nickte und wirkte leicht enttäuscht, offenbar hatte er sich von der Jehlen etwas Dramatischeres erhofft.
„Brauchen Sie mich noch?“, fragte Elli schließlich, die weißgekleideten Gestalten nachdenklich betrachtend.
„Nein, vielen Dank. Aber wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte…“ Er reichte ihr eine Karte, wie man es aus dem Fernsehen kannte.
Elli verwahrte sie sorgfältig und beschloss, sich einen freien Nachmittag zu gönnen. Sofort weiterzuarbeiten wäre ja auch pietätlos, nicht wahr?
IV
Joe kehrte leicht gereizt ins Büro zurück. Erstens musste er sich erst einmal ein Team zusammensuchen, sowohl Kommissare als auch Hilfskräfte für die Routineaufgaben, zweitens hatte diese kalte Bibliotheksfrau ihn genervt und drittens hatte er überhaupt keinen Schimmer, wer ein harmloses Mädel in einer so esoterischen Bibliothek wie dieser umbringen sollte. Ja, eine Juristin, eine Betriebswirtschaftlerin, eine Informatikerin, da konnte es um Jobs gehen, um Karrieren, vielleicht um geklaute Doktorarbeiten oder Softwareplagiate.
Aber mittelalterliche Geschichte? Was konnte man denn damit schon groß werden?
Egal, erst einmal brauchte er ein Team, also schaute er in das Büro gegenüber, wo Anne mit Patrick, Maggie und Katrin gerade einen Fall abschloss. Sie konnte Katrin entbehren, gab sie nach längeren Verhandlungen zu, und Katrin folgte Joe gerne in sein Büro, denn alles war besser als Berichte zu schreiben und das Material für die Staatsanwaltschaft aufzubereiten.
Im Teamraum Marquart konnte er einem eher unbeschäftigt wirkenden Felix den Neuen, Ben Hollerbach, abschwatzen. Ben schichtete seinen Kram in die übliche Pappkiste und folgte Joe etwas ängstlich.
„Keine Sorge, hier geht es auch nicht anders zu als bei Felix“, beruhigte Joe ihn und vertraute ihn Katrins Fürsorge an, um selbst noch eine vierte Kraft aufzutreiben.
Thomas Waldmann ließ sich überreden, ihm Liz abzutreten, die Joe ebenfalls auf das Bereitwilligste folgte. Dem Team Waldmann hatte man nämlich den schönen Auftrag aufs Auge gedrückt, eine Statistik der Kriminalfälle der letzten Jahre zusammenzustellen – Art des Opfers, Art des Täters, Waffe, Motiv, Tatort, Geständnis oder Indizien… die Begeisterung hielt sich in Grenzen, aber übergeordnete Behörden, auch die Ministerien, hatten sich zu wahren Datenkraken entwickelt. Was machten die bloß mit all diesen Statistiken und Übersichten? Aufheben, falls es irgendwann einmal eine Anfrage im Landtag gab? Bis dahin war der Kram wahrscheinlich schon völlig veraltet…
Das Team hatte sich im Raum verteilt, Katrin und Liz amüsierten sich über etwas, das eine von ihnen erzählt hatte, und Ben sah noch etwas furchtsam drein und hatte seine Kiste noch nicht ausgepackt.
Joe nickte allen freundlich zu und setzte sich auf seinen Schreibtisch, auf dem ja noch gar nichts lag.
„Bis jetzt wissen wir, dass eine Studentin namens Rebecca Rottenbucher heute Morgen gegen halb zehn tot in der Bibliothek des Instituts für mittelalterliche Geschichte gefunden wurde. Katrin, übernimmst du bitte die Verteilung auf der Tafel?“
Katrin begann zu tippen und nacheinander erschienen die Fakten in blassgelb eingefärbten Kästchen auf der Tafel, allerdings in sehr willkürlicher Anordnung. Joe rutschte von seinem Schreibtisch und trat zur Tafel, wo er, während er weiter berichtete, die Kästchen mit dem Finger an die richtige Stelle zog.
„Gefunden hat sie der aufsichtführende Mitarbeiter des Instituts, ein Historiker namens Dr. Ferdinand Hambacher. Er rief sofort die Polizei, und dann kamen wir und mussten für diesen Dr. Hambacher gleich psychologische Betreuung organisieren. Er war völlig zusammengebrochen, warum, müssen wir noch eruieren. Befragen konnten wir ihn noch nicht. Berichte von Spurensicherung und Gerichtsmedizin stehen natürlich noch aus. Hilfreicher war die Nachmittagsaufsicht, die sozusagen in den Tatort gestolpert kam. Eine Dr. Eleonore Eversbach, ebenfalls Historikerin, ich vermute, Privatdozentin oder Mitarbeiterin. Genaueres weiß ich noch nicht, aber sie wird morgen hier auftauchen.“
„Adresse?“
„Im Univiertel, glaube ich. Fragen wir morgen genauer nach. Verschwinden kann sie ja wohl nicht, ohne ihre Stelle an der Uni zu verlieren. Ach ja, und sie hat behauptet, aus der Bibliothek seien in letzter Zeit immer wieder wertvolle Bücher verschwunden.“
„Ach – und das kann nicht der Grund sein? Vielleicht hat diese Rebecca den Dieb überrascht?“
Joe schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht…kommt mir zu einfach vor. Außerdem habe ich gesehen, wo diese Bücher sind – beziehungsweise waren, aber ein paar haben sie ja noch. Verschlossener Glasschrank. Ich vermute mal, dass nur ganz ausgewählte Leute einen Schlüssel haben.“
„Und die sind total wichtig und könnten einer armen Studentin leicht weismachen, dass sie den Prachtband oder was auch immer zu völlig legitimen Zwecken aus dem Schrank nehmen“, ergänzte Liz.
„Richtig. Aber wir behalten die Bücherspur natürlich im Auge.“
Katrin hatte mitgeschrieben und schickte nun ein Kästchen an die Tafel, auf dem Bücherspur? stand. Neonpink umrahmt.
Joe warf einen Blick auf Ben, der die Tafel mit offenem Mund anstarrte. „Danke, Katrin, so vergessen wir diese Spur bestimmt nicht mehr.“
„So war´s gedacht.“
Ben ließ seinen Blick zwischen dem Chef und Katrin hin und her wandern. Liz hatte das bemerkt und versuchte nun, ihn ins Gespräch zu ziehen: „Was meinst du zu all dem, Ben?“
„Ich? Oh – äh… eine Beziehungstat?“ Sofort zog er ein Gesicht, als wollte er seine Worte am liebsten wieder zurücknehmen, aber Katrin tippte schon ein passendes Kästchen.
„Auch denkbar“, lobte Joe moderat. „Dazu müssen wir über die junge Frau noch mehr herausfinden. Wer begleitet mich zu den Eltern?“
Keine freiwilligen Meldungen, kein Wunder. Eltern erzählen, dass ihr Kind, womöglich ihr einziges, tot war, wollte keiner, aber es war leider notwendig. „Nun, bevor ihr euch streitet, nehme ich Katrin mit.“
Katrin nickte schicksalsergeben.
Joe erhob sich. „Ben und Liz nehmen sich das Netz vor: Rebecca Rottenbucher und alles, was über dieses Uni-Institut zu finden ist. Komm, Katrin!“
Immerhin hatten sie den Personalausweis, auf dem eine Adresse in Kirchfelden angegeben war.
An der angegebenen Adresse fanden sie ein recht gepflegtes Reihenhaus und wappneten sich. Joe drückte auf die Klingel und sagte dann zu Katrin: „Du machst es, damit du es mal lernst.“
„Na toll! Ich kann das übrigens schon.“
Die Haustür öffnete sich zögernd und eine Frau in mittleren Jahren erkundigte sich misstrauisch, was sie denn wollten. Katrin zückte ihren Ausweis und stellte sich und Joe vor. „Frau Rottenbucher?“
„Ja…?“ Das klang noch misstrauischer.
„Es geht um ihre Tochter Rebecca. Dürfen wir hereinkommen?“
„Becky? Ich habe keine Ahnung, wo sie ist, seitdem sie in dieser WG wohnt.“
„Ach, hier wohnt sie gar nicht mehr?“
„Naja!“