VIRDULA Endlosgeschichten Band 1. Jay H. Twelve

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Название VIRDULA Endlosgeschichten Band 1
Автор произведения Jay H. Twelve
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783844292756



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      „Oh doch, das ist mir recht so. Du hast sicherlich einen Tropfen Rum oder?“

      „Leider nicht, verehrte Dame“, antwortete Don etwas sarkastisch und dachte über seinen Gast als mögliche Alkoholikerin nach. Das fehlte ihm gerade noch.

      „Ich habe etwas Alkohol für medizinische Zwecke. Damit kann man keinen Tee trinkbar machen.“

      „Das ist mir auch lieber so, junger Mann. Ich trinke den Tee lieber naturbelassen.“

      „Na also“, dachte er, „wenn es keinen Rum gibt, geht es auch so.“

      Sie schlürften eine Zeit lang den heißen Tee, tunkten ab und zu einen Keks hinein und schwiegen.

      „Deine Großmutter hat auch gerne Hagebuttentee getrunken, nehme ich an“, bemerkte die alte Dame.

      „Goldrichtig, gute Frau. Ach, da fällt mir ein, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist...“

      „Ich kenne deinen Namen „ fiel sie ihm ins Wort, „du kannst mich Oma nennen, oder besser gleich Uroma zu mir sagen, weil ich eben eine bin.“

      Als er gerade ansetzen wollte sie zu fragen, woher sie seinen Namen kenne, sprach die alte Dame weiter.

      „Ich weiß, dass du viele Fragen an mich richten möchtest. Hab Geduld mein Sohn, du wirst mit der Zeit alle Fragen beantwortet bekommen und auch solche, über die du jetzt gar nicht nachgedacht hast. Alles zu seiner Zeit.“

      „Moment mal, gute Uroma, gehe ich richtig in der Annahme, dass deinem Erscheinen eine bestimmte Mission zu Grunde liegt, von der ich aber erst viel später erfahren werde?“

      Er konnte seine Gedanken nicht weiter zu Ende verfolgen, weil sie ihre Hand hob und abblockte.

      „Nicht so hastig, junger Mann, alles zu seiner Zeit.“

      „Der junge Mann, den du meinst zu kennen hat einen Namen, auf den der junge Mann sehr stolz ist. Also, wie heiße ich? Und wie, bitte schön ist dein Name?“ fragte Don José mit ernstem schneidigen Ton.

      „Wenn du es auf dieser Ebene haben möchtest, soll es mir recht sein. Du heißt Don José de Gracias, bist Bergbauingenieur und Geologe, aber auch Seemann. Deine Leute nennen dich Kapitän Don José, weil du ein kühner Segler bist. So weit, so gut. Was deinen Namen anbelangt, auf den du so stolz bist, stammen deine Urahnen nicht aus Spanien, wie es in deinem Stammbuch steht, sondern aus Ägypten. Die Wurzeln deiner Urahnen gehen viel tiefer als du es dir vorstellen kannst. Soll ich weiter reden?“

      Das verschlug Don José nun endgültig die Sprache, was ihm nicht so leicht passierte. Unzählige Fragen türmten sich nun in seinem Kopf auf. „Ist diese Frau ein Geist, woher kommt sie, woher weiß sie soviel über mich, was hat sie vor?“ Da er nicht antwortete, sprach sie weiter.

      „Jetzt bist du sprachlos und verwirrt und grübelst fieberhaft, was hier eigentlich mit dir geschieht. Ich bin hier und heute, weil du mich gerufen hast, weil du an einen Punkt gelangt bist, an dem das Gedächtnis deiner Urahnen die Barriere deines Bewusstseins durchbrechen muss, damit du in deinen Überlegungen vorankommst“, erklärte sie weiter in einem gütigen Ton, der ihm so vertraut vorkam, aber er wusste nicht woher.

      „Du meinst sicherlich meine Überlegungen hinsichtlich der Aborigines und deren Traumweltphilosophie?“

      „Goldrichtig, mein Sohn. Von Anfang an hast du diese Menschen wie kaum ein anderer verstanden. Auch wenn es dir nicht bewusst war, bist du doch tief in ihre Traumwelt eingedrungen.“

      „Demnach bist du mir gerade hier nicht zufällig begegnet?“

      „Das erste Postulat, das du tief in dein Gedächtnis eingravieren sollst, ist die Tatsache, dass im Universum absolut nichts zufällig geschieht. Absolut nichts, mein Sohn, nicht mal der Sprung eines Flohs, oder das Heulen einer Hyäne, oder die Geburt eines Kindes. Alles geschieht auf Wunsch des Träumers und hat einen allumfassenden Sinn des Universellen.“

      Don José schaute zu den Felsen, sah sie aber nicht, weil sein Hirn fieberhaft nach einer rationalen Erklärung suchte. Letztendlich entschied er sich, die Situation mit etwas Humor unter Kontrolle zu bekommen.

      „Wir hätten uns allerdings etwas Leichteres zum Abendbrot kochen müssen“, lächelte er sie charmant an.

      „Mit Bohnensuppe und Lammkoteletts im Bauch lässt es sich leider schwer sinnieren.“

      „Ich sehe ein, dass du dir etwas Zeit verschaffen möchtest, um mit den Umständen unserer Zusammenkunft fertig zu werden. Ich weiß, wie schlau du bist, und das erfreut mich jedes Mal sehr, wenn ich mit dir rede“, antwortete die alte Dame.

      „Ich kann mich nicht entsinnen, jemals mit dir gesprochen, geschweige dich vorher gesehen zu haben, liebe Uroma. Lass bitte die Katze gleich aus dem Sack, damit ich vor dem Einschlafen weiß, womit ich morgen rechnen muss“, antwortete er mit einer gespielten Gütigkeit.

      „Ich sehe du bist müde mein Sohn. Sind wir uns einig, dieses Gespräch morgen fortzusetzen?“, fragte sie gütig. Ohne eine Antwort abzuwarten stand sie auf und ging langsam in die Nacht hinein. Als wäre sie von der Dunkelheit verschluckt worden, löste sie sich buchstäblich in Nichts auf.

      Don José erschrak über das abrupte Ende und das Verschwinden der alten Frau. Er bekam ein schlechtes Gewissen, weil er seinen Gast so unhöflich verabschiedet hatte. Lange schaute er ihr in die Dunkelheit nach und hoffte, sie werde wiederkommen und ihm die Chance geben, alles wieder gut zu machen. Eigenartigerweise dachte er nicht darüber nach, wo die alte Frau in dieser Wildnis übernachten konnte, als lebte sie mitten in einer Großstadt.

      Schließlich gab er die Grübelei auf und wandte sich praktischeren Dingen zu. Er sammelte das Kochgeschirr ein und ging noch einmal mit der Gießkanne am Arm zum Wasserloch. Mit etwas Sand auf dem Schwamm rieb er den Kochtopf vom Angebrannten frei, spülte ihn mit Wasser aus der Gießkanne ab und trocknete den Topf mit einem Tuch. Nachdem alles gereinigt war, nahm er die Kerosinlaterne vom Felsenvorsprung und verstaute die Kochutensilien wieder in den Holzkasten. Schließlich sammelte er noch die anderen Kerosinlampen ein, und deponierte alles, bis auf Tisch und Stühle, an dem gewohnten Platz auf der Wagenpritsche.

      Diese Arbeit lenkte ihn für eine Weile von dem Gespräch mit der alten Frau ab. Irgendwie wirkte sie beruhigend auf seine Seele, obwohl er ihr heute das erste Mal begegnete. Er hatte den Schlaf bitter nötig. Wie jeden Abend breitete er den Schlafsack auf dem Rücksitz des Wagens aus. Zwischen Vorder- und Rücksitz stellte er zwei Kühlboxen, die mit der Batterie verbunden waren. Die Stromversorgung erfolgte aber über den Zündschlüssel, so dass die Kühlung nur bei laufendem Motor arbeitete. Damit die Boxen nun längere Zeit kühlten, breitete er mehrere Pferdedecken als Polster darüber aus. Auf diese Art gestaltete er sich ein bequemes Bett mit reichlich Platz in der freien Natur.

      Da er meistens alleine in der Wildnis nächtigte, lagen für alle Fälle Waffen und Munition immer griffbereit. Eine doppelläufige Schrotflinte hing an Federklemmen über der Vordersitzlehne. Ein zweiter Karabiner Kaliber 22 mit Magnum Munition hing genau über seinem Schlafplatz. In jeder Seitentasche der Wagentüren steckte ein neun Millimeter Automatikrevolver. Selbst die Machete lag immer an seiner Seite. Don José war weder paranoid, noch ein Waffennarr. Diese Schutzmaßnahmen hatten ihm die erfahrenen Buschmänner Australiens empfohlen, die sich in der Wildnis sowohl mit gefährlichen Tieren, aber auch mit Herumtreibern sehr gut auskannten. Er war froh in den drei Jahren auf keinen Menschen geschossen zu haben, aber einige Dingo Rudel verjagte er öfter mal durch laute Knallerei.

      Er kniete sich hin, öffnete die Seitenfenster eine Handbreit, klemmte ein aus Edelstahlnetz bespannten Stahlrahmen zwischen Scheibe und Holm, kurbelte das Fenster etwas hoch, damit der Netzrahmen fest dazwischen einklemmte. Zum Schluss verriegelte er die Türen von innen, schaltete die Deckenbeleuchtung aus, kroch langsam in den Schlafsack und streckte sich genüsslich. Als er es sich so richtig schön bequem gemacht hatte, fiel ihm die alte Frau wieder ein und er begann erneut über sie nachzudenken.

      „Woher kann sie wissen, dass meine Urahnen aus Ägypten stammen?“, grübelte er nachdenklich. Sein Großvater