Название | VIRDULA Endlosgeschichten Band 1 |
---|---|
Автор произведения | Jay H. Twelve |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783844292756 |
Die Geschichten und der damit verbundene Erfindungsreichtum der Ganoven überstieg jedes Vorstellungsvermögen eines jungen, unerfahrenen Menschen. Don José jedoch empfand es höchst amüsant ihnen zuzuhören. Er ließ die Gauner reden, hörte geduldig zu und schwieg. Je länger sie schwätzten, desto komplexer wurden ihre Geschichten, umso tiefer verwickelten sie sich in ihre eigenen Widersprüche. Die gütige Ruhe und der wachsame Blick mit dem er die Gauner beobachtete, während sie sich mehr und mehr in ihren Lügengeschichten vor ihm entblößten, machte sie so nervös, dass sie ganz von alleine das Weite suchten. Selbst Partys auf denen der Kapitän anwesend war, machten sie einen großen Bogen. Es gab aber auch Ganoven, die selbst vor Gewaltanwendung als Möglichkeit der Geldbeschaffung nicht halt machten und ihm auf Parkplätzen oder in dunklen Straßen auflauerten.
Sie schätzen ihn als mittelgewichtigen, intellektuellen Schönling ein, tranken sich mit ein paar Whiskys Mut an und kamen dann einzeln oder zu zweit aus ihren Verstecken.
„Kannst du uns ein paar Hunderter borgen, Freundchen?“ oder so ähnlich, starteten sie ihren Raubzug.
„Klar doch“, pflegte Don José freundlich zu antworteten, griff mit beiden Händen wie nach Geld suchend in die Hosentaschen. Während die Straßenräuber mit ausgestreckten Händen gierig auf ihre Beute warteten, zog der Kapitän beide Hände gleichzeitig heraus, wirbelte in einer Drehung um die eigene Achse und mit zwei treffsicheren Kinnhaken schlug er beide Kerle zu Boden. Noch bevor sie begriffen was mit ihnen passiert war, und ihre Blut spritzenden Wunden schützen wollten, trat er ihnen erst mit dem linken und schnell mit dem rechten Fuß zwischen die Beine. Die ohnmächtigen Räuber beschenkte er mit je Hundert Dollar für die Arztkosten, ging zur Party zurück und rief den Krankenwagen.
Die Polizei griff in solchen Fällen nicht ein, da den Angreifern kaum etwas Handfestes nachzuweisen war. Kaum einer wagte es, solche Vorfälle anzuzeigen und die Polizei war froh, in Kapitän Don José de Gracias einen ebenbürtigen Helfer gefunden zu haben. Bald machten solche Erfahrungen in der Unterwelt die Runde und es verbreiteten sich Geschichten und Mythen über den zwar großzügigen, aber stahlharten und klugen Don José. Sogar die Presse in Sydney erfuhr von seinem Mut und schrieb über seine Heldentaten.
Die jungen Damen der Gesellschaft, ob ledig oder verheiratet, schätzten Don José auf Anhieb richtig ein. Instinktiv erkannten sie, dass er der ruhige, Pfeife rauchende, freundliche charmante Mann, außergewöhnlich war. Sie spürten, dass er zwar ein sehr einfühlsamer Charmeur war, sich jedoch auf Dauer nicht binden wollte. Trotzdem genossen einige Damen die kurzen, unvergesslich zärtlichen Begegnungen, deren Erinnerungen sie hegten wie einen duftenden Rosengarten. Jedoch fürchteten sie sich davor, die Begegnungen zur Gewohnheit werden zu lassen, sich sogar in diesen unbeugsamen Mann hoffnungslos zu verlieben.
Don José, eher ein zurückhaltender, ruhiger und nachdenklicher Mann, stets charmant, bot sich nie einer Frau an. Er behandelte sie gleichwertig mit viel Respekt, ungeachtet ihres gesellschaftlichen Ranges oder ihrer Bildung. Deshalb verschaffte er sich Ansehen in der Welt der Frauen. Auch junge Ehemänner oder Freunde der Damen spürten seine Ausstrahlung. Sie respektierten ihn als einen Mann, der keinem etwas strittig machen wollte.
Innerhalb der wenigen Monate seines Aufenthaltes in Sydney war er schnell überall bekannt, gern gesehen und wurde mit viel Respekt und Achtung behandelt. Er empfand die Anerkennung in der Gesellschaft zwar als angenehm, aber für ihn an sich belanglos. Er war eben ein Vollblutgentleman, der das Leben genoss und weise schwieg. Er hatte nur zwei wirklich gute Freunde, die aus den Nachbarländern seiner alten Heimat stammten und ihm in jeder Hinsicht ebenbürtig waren. Sie waren auch hochintelligent, fachlich solide gebildet, auf gleicher Wellenlänge mit ihm und bereit für jedes Abenteuer.
Seit dem Tag als Don José aus dem australischen Northern Territory zurückgekehrt war, brütete er über einen langfristigen Plan, dabei erschien ihm die Begegnung mit den zwei Freunden wie eine göttliche Fügung zu sein. Er brauchte mindestens zwei absolut vertrauenswürdige begabte Menschen, um seinen Plan und die damit verbundene Mission für die kommenden Jahrzehnte durchführen zu können. Deshalb vertiefte er seine Beziehung zu ihnen, beobachtete ihr Vorgehen, ihre Reaktionen in alltäglichen Situationen. Er führte mit Bedacht Gespräche mit ihnen über die von ihm sorgfältig ausgesuchten Themen, die seine geplante Mission nur am Rande berührten, und verfolgte höchst aufmerksam, wie seine zwei Freunde diese Themen behandelten.
Er wusste, dass es einem Selbstbetrug gleich käme, wenn er suggestiv auf seine Freunde einwirken würde. Was er brauchte waren wahre, echte und persönliche Ansichten aus der Tiefe der Seele seiner Freunde, und nicht unterschwellig manipulierte Meinungen. So wartete er geduldig auf passende Gelegenheiten solche Themen zu erörtern, die sich aus dem aktuellen Weltgeschehen in Presse oder Fernsehen ergaben. Er startete die Diskussion meist mit einer arglosen Frage, als würde er von dem, was gerade die Welt bewegte nur ansatzweise etwas verstehen.
Die beiden jungen Männer griffen das Thema auf und nutzten ihre vermeintliche Überlegenheit um Don José manches beizubringen. Sie taten das so eifrig und nachdrücklich, dass es Don José manchmal schwer fiel, sich ein Lachen zu verkneifen. Alle Drei waren hochintelligent und humanistisch stark geprägt. Daher waren sie auch sehr stark sensibilisiert, wenn es um politischen Machtmissbrauch oder religiöse Indoktrination ging. Das analytische Denkvermögen seiner Freunde, das durch ausgedehnte Diskussionen auf die Kristallisierung der Kernfragen des Zeitgeistes hinführte, überzeugte den Kapitän in jeder Hinsicht.
Zu dieser Zeit waren alle drei jungen Männer berufstätig. Sie trafen sich oft abends bei Don José, der viel lieber eigene Speisen zubereitete oder am Grill stand, als in irgendeinem von Menschen und deren Kakophonie voll gestopften Restaurant auf Halbgegartes zu warten. Alle drei Freunde erwiesen sich als begnadete Gourmets und experimentierten mit all den guten Zutaten, die man in unglaublicher Vielfalt auf dem Großmarkt von Sydney fand.
Es trieb sie auch ein Nachholbedarf an guten Speisen an, die alle drei aus ihrer alten Heimat mitbrachten. Zu Hause, wo sie teils in endlosen Reihen auf ein Stück Fleisch oder einen Laib Brot anstehen mussten und all zu oft dann doch mit leeren Händen nach Hause kamen. Dieses australische Warenangebot der Großmarkthallen, in denen jeder Händler sein auf Hochglanz gewaschenes Obst und Gemüse anbot, es zum Spottpreis verkaufte, beflügelte sie als ganz neue Erfahrung zu neuen Kochphantasien.
So pflegten sie schon sehr früh am Samstagmorgen gemeinsam die Großmarkthalle aufzusuchen, den alten Landrover Kastenwagen mit exotischem Gemüse und Früchten zu beladen und die Kühltruhe mit saftigen Steaks und Lammrücken aufzufüllen. Anschließend fuhren sie zum chinesischen Imbiss in der Nähe, um obligatorisch ihr „Fish and Chips“ zu frühstücken.
Wie alle Nachkriegskinder im zerbombten Europa, träumten auch sie immer davon, sich einmal richtig satt essen zu können, was sie nun in ihrer neuen Wahlheimat Australien voll auskosten konnten. Es gab alles für alle im Überfluss. Alle drei liebten dieses Land und waren den gastfreundlichen Australiern in Dankbarkeit zutiefst verbunden.
Am Anfang waren sie zunächst von den vielfältigen Strukturen der zahlreichen Gewerkschaften und deren Kampflust sehr irritiert, weil sie sich für einen einzigen entlassenen Arbeiter einsetzten, sogar erbittert streikten. Man erfuhr fast täglich durch Presse und Fernsehen von den in der damaligen Zeit in Australien so häufigen Streiks. Die Post streikte so oft, dass es nahezu sinnlos war irgendjemandem in der alten Heimat einen Brief zu schreiben. Die Briefe, die aus der alten Heimat ankamen, blieben so lange beim Postamt liegen, bis der Streik beendet war. Der Postbote brachte dann stapelweise die liegen gebliebene Post. Die Verbindung der drei Freunde zur alten Heimat beschränkte sich auf ein paar alte Schulfreunde, da die Eltern vor ihrer Abreise nach Australien längst verstorben waren und die Verwandten ebenfalls in andere, westliche Länder das Weite gesucht hatten.
Der üppige Wohlstand in der neuen Heimat berauschte sie nur für kurze Zeit, überzeugte sie aber in keiner Weise davon, dass die Nachkriegsökonomie für alle Menschen von Vorteil und dauerhaft sein werde. Sie kannten