Schatten und Licht. Gerhard Kunit

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Название Schatten und Licht
Автор произведения Gerhard Kunit
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738021592



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einer Folge von Angriffen. Bis es so weit kommt, habe ich also mehrere Chancen den Kampf zu entscheiden, während sich der Verteidiger keinen einzigen Fehler erlauben darf. Ich siege durch einen Angriffsschlag, bevor meine Magie zur Neige geht.“

      „Möchte jemand etwas hinzufügen?“, forderte die Magistra auf.

      Stille senkte sich über die kleine Gruppe. Lothran überlegte. Er mochte Sylvas unkomplizierte Art, aber in theoretischen Fragen war sie eine der Schwächsten. Andererseits gefiel ihm ihre Argumentation, während Farin offensichtlich gegenteiliger Meinung war.

      „Ich denke, Sylva hat recht“, meinte Lothran zögerlich. „So gesehen sollte man angreifen.“

      „Und genau deshalb befasst sich Eure Ausbildung primär mit offensiver Magie“, löste Esperia Feuerstaub auf. „Ihr werdet lernen, feindliche Magier mit einer raschen Folge von Angriffszaubern auszuschalten, ehe er Euch durch eine Defensive aus der Reserve locken kann. Euer Gegenüber wird sich allerdings nicht auf die Abwehr beschränken. Seid also auf der Hut vor Gegenschlägen.“

      „Was entscheidet ein Duell zwischen Kampfmagiern, wenn beide angreifen?“, wollte Sarina wissen.

      „Hauptsächlich die Geschwindigkeit“, antwortete die Magistra. „Oder man blockt ersten Schlag ab und geht zum Gegenangriff über. Es ist nicht viel anders, als bei einem Schwertkampf zwischen guten Fechtern. Angriffszauber unterschiedlicher Natur erschweren die Abwehr. Letztlich liegt es an Euch, wie rasch ihr Euch auf Situationen einstellt, und wie schnell Ihr Eure Taktik an die Eures Gegners anpasst.“

      Magistra Feuerstaub gab ihnen Zeit, ehe sie fortfuhr: „Wofür sind Artefakte im Kampf nützlich? Farin?“

      „Jedenfalls von Wert sind Fokusierungsartefakte, oft in Form personifizierter Ridiks“, rezitierte er aus dem Lehrbuch. „Sie können die Wirkung von Zaubern verstärken, verlängern oder den Kraftaufwand verringern. Damit verschaffen sie ihrem Besitzer einen klaren Vorteil. Spruchartefakte hingegen speichern einen Zauber, der rasch abgerufen werden kann und sind nach dessen Gebrauch wertlos, bis sie neu aufgeladen werden. Im Kampf sind Fokusierungsartefakte daher vorzuziehen.“

      „Welches Artefakt würdest Du, neben Deinem Zauberstab, für ein Duell gegen einen Kampfmagier von unserer eigenen Schule auswählen?“

      Farin antwortete umgehend: „Der Stab wirkt verstärkend. Das zweite Artefakt müsste also einen kraftsparenden Fokus bilden.“

      Lothran nickte zustimmend. Das ergab Sinn, da man gegen einen gleich starken Kontrahenten auf Dauer die Oberhand gewann. Nur Sylva war schon wieder anderer Meinung.

      „Was würdest Du wählen?“, fragte die Magistra.

      „Gegen einen Kampfmagier würde ich ein Spruchartefakt wählen.“, antwortete die schwarzhaarige Novizin bestimmt.

      „Welche Aufladung?“, hakte die Lehrkraft nach.

      „Universaler Defensivzauber. Kurze, aber sehr starke Absorbtionswirkung.“

      Farin stöhnte missbilligend. Seine Abneigung gegen Sylva war bekannt, aber diesmal schüttelte auch Lothran den Kopf. Der Gedanke, vor tödlichen Angriffszaubern geschützt zu sein, war verlockend, doch was nutzten ein paar Augenblicke trügerischer Sicherheit?

      „Kannst Du Deine Entscheidung begründen?“

      Lothran horchte auf. Magistra Feuerstaub, die jeden unsinnigen Ansatz sofort abkanzelte, ging auf Sylva ein.

      „Ich warte, bis der Gegner seinen ersten Schadenszauber ansetzt. Anstelle der Abwehr greife ich mit voller Kraft an. Das müsste ihn überrumpeln und, sofern er nicht anderweitig geschützt ist, entscheidend treffen, während mein Artefakt seine Attacke blockt: Ich habe gewonnen.“

      Zumindest gegen mich, gestand sich Lothran erschrocken ein und rieb sich das Kinn.

      Magistra Feuerstaub ließ sie das Für und Wider der unterschiedlichen Taktiken diskutieren.

      „Wie ich sehe, kommt Ihr zu keinem eindeutigen Ergebnis“, fasste sie schließlich zusammen. „Das entspricht auch den Anforderungen in der Welt da draußen: Eine richtige Taktik an sich gibt es nicht. Ihr werdet Euren Gegner also überraschen müssen. Klar soweit?“

      Lothran nickte und Andere murmelten zustimmend.

      „Gut“, fuhr die Magistra fort. „Dann könnt Ihr all das gleich wieder vergessen.“

      Wie bitte? Lothran hatte gerade seine Angriffstaktik verworfen und über Alternativen gegrübelt.

      „Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr einem feindlich gesonnen Magier Auge in Auge gegenübersteht ist gering“, erläuterte die Kampfmagierin. „Überwiegend werdet ihr mit Banden von Wegelagerern, Räubern oder Piraten zu tun haben. Solche Konflikte werden meist durch Eure bloße Präsenz entschieden. Ein einfacher Kältezauber, falls möglich auf den Anführer des Haufens, genügt zur Einschüchterung und die Gardisten können die Schurken einsammeln. Obwohl unsere Zauber zerstörerisch wirken, dienen sie so der Vermeidung von unsinnigem Blutvergießen und aufreibenden Nahkämpfen.“

      „Was, wenn wir der Räuberbande alleine gegenübertreten müssen?“, wollte Lothran wissen.

      „Erstens: Vermeidet das. Zweitens: Lauft weg, wenn Ihr könnt. Drittens: Setzt auf Einschüchterung. Zuerst ein Kälteschock als Warnung, falls das nicht genügt, ein Feuerzauber, der einen Gegner tötet oder mehrere verletzt. Haltet Euch nicht zurück. Ihr bekommt keine zweite Chance.“

      „Und wenn sich die Schurken nicht abschrecken lassen?“, hakte Farin nach. „Tötet so viele, wie Ihr könnt, kämpft ohne Eurer Akademie Schande zu machen und sterbt in Würde“, lautete die unverbrämte Antwort.

      Lothran schluckte. Er sah, wie Farin die Farbe verlor, während sich Sarina verunsichert umsah. Nikki hingegen reckte das Kinn vor, als wollte sie die imaginäre Räuberbande gleich und sofort in die Flucht schlagen. Nur Sylvas Miene zeigte keinerlei Regung. War ihr der Tod gleichgültig? Brächte ihr diese Kühle gar Vorteile im Kampf? Lothran erstarrte, als sie seinen forschenden Blick erwiderte. Ehe sie sich abwandte, öffneten sich ihre Lippen zu einem Lächeln, dem jegliche Wärme fehlte. Um nichts auf der Welt würde er gegen sie antreten wollen, nicht in einem Duell auf Leben und Tod.

      Magistra Feuerstaubs weitere Ausführungen drangen wie aus einem Nebel zu ihm durch. Sie unterstrich nochmals die abschreckende Wirkung eines Kampfmagiers, die selbst in militärischen Konflikten mehr zählte, als das tatsächliche Zerstörungspotential. Schaudernd fiel Lothran Sylvas kalter Blick ein und verstand, was die Lehrerin meinte.

       * * *

       Nikki, Novizin an der Akademie des Kampfes zu Bethan

      Widerwillig zog Nikki das steife Lederzeug über. Neben ihr legte Farin seinen Übungsanzug an. Auch Lothran und Sylva machten sich kampfbereit. Die uralten Kleidungsstücke schützten im Nahkampf vor Verletzungen. Die Artefakte mochten selten und wertvoll sein, doch die Novizin hasste sie. Als Ansporn, die Übungskämpfe ernst zu nehmen, hatte man dem Schutzzauber eine magische Schmerzauslösung beigefügt. Nikki fürchtete die nervenzerfetzenden Stiche, die durch den Körper fuhren, sobald man getroffen wurde. Schon der Gedanke daran störte ihre Konzentration auf den eigentlichen Kampf.

      Heute war es halb so schlimm. Sie durfte gegen Farin kämpfen, und der hielt vom Kampf Mann gegen Mann noch viel weniger als sie. „Ich werde nicht Magier, um mich zu prügeln“, pflegte er zu sagen, wenn Reimer nicht in der Nähe war. Falls sie ihn nicht in die Enge trieb, brächten sie den Kampf hinter sich, ohne sich weh zu tun. Scheu sah sie zu Sylva, die sich aufwärmte. Die Schwarzhaarige nahm die Kämpfe sehr ernst. Sie wolle damit ihr Versagen in den theoretischen Fächern kompensieren, behauptete die Südfahrer, wenn sie sich über Sylvas Ungestüm aufgeregte. Armer Lothran, dachte Nikki. Ich weiß nicht, warum Reimer gerade ihn so oft gegen Sylva antreten lässt.

       * * *

      Sie trat in den Übungskreis und nickte Farin zu. Der hob grüßend seinen Stab.

      „Bis