Название | Bei Thor und Odin |
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Автор произведения | Claus Beese |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738000436 |
War es pures Glück, Zufall oder Vorsehung, dass mein eigen Fleisch und Blut nur knapp und um Haaresbreite einem Mord entging? Gerade in dem Moment, in dem ich meine Hände um ihren Hals legen wollte, summte das Handy und Claudi ergriff es, aktivierte die Gesprächstaste und hielt es mir auffordernd entgegen.
»Paps! Telefon«, säuselte sie zuckersüß und machte, dass sie wegkam, als ich ihr das mobile Gerät aus der Hand nahm.
»Wer stört bei dringenden Erziehungsmaßnahmen?«, schimpfte ich in den Hörer, denn nur wenige Menschen besaßen diese Nummer. Am anderen Ende meldete sich mein alter Segelfreund Wolfgang von der BEERS, um mir mitzuteilen, dass man bereits auf dem Weg nach Damp 2000 sei, um dort auf uns zu warten. Schließlich hatten wir verabredet, gemeinsam in die Schlei zu fahren.
Verflixt, das hatte ich ganz vergessen. Der nächtliche Spuk in Bederkesa hatte mich so beschäftigt, dass ich nicht mehr an das Treffen mit der Beers aus Otterndorf gedacht hatte. Eigentlich hatten wir heute zusammen von dort aufbrechen wollen, aber die Motorpanne hatte mehr Zeit gekostet als geplant. Und nun sollte ich hinter dem schmucken blau-weißen Segler der Marke Phantom herhetzen?
Nein, das konnte Wolfgang nicht von mir erwarten. Denn schließlich kannte ich seine „Phantom“ schon, während das geheimnisvolle Nachtgespenst von Bederkesa mir noch Rätsel aufgab. Er hatte, Neptun sei Dank, Verständnis dafür, dass mich mein Sonnenbrand am Weiterfahren hinderte und ich unbedingt und unabänderlich noch wenigstens einen Hafentag zur Genesung brauchte.
Dank der Pflege meiner beiden Bordkrankenschwestern, die mir stündlich meine Rückseite mit der Pflegecreme einrieben, ließen die Schmerzen langsam nach. Trotzdem behauptete ich am Abend, noch nicht liegen zu können und unbedingt die zweite Nacht beim Angeln am Kanal verbringen zu wollen. Kopfschüttelnd ließen mir meine beiden Meerjungfrauen meinen Willen und begaben sich in ihre Kojen. Nach und nach verlöschten auf den Yachten und Booten die Lichter, das Flimmern der Fernseher erlosch und die Skipper und ihre weiblichen Matrosen wickelten sich in ihre Decken und sanken in seligen Schlummer.
Ich hatte meine Angelruten ausgelegt, aber wohlweislich keinen Köder angebracht. Der Fisch, den ich heute zu fangen gedachte, würde weder mit Maden noch Regenwürmern zu überlisten sein. Um nicht wieder so eine Pleite zu erleben wie in der letzten Nacht, huschte ich im Schatten des Deiches am Kanal entlang, und bezog so leise ich konnte meinen Posten in dem Rhododendron. Wenn ich nicht wieder einschlief, würde ich ihn bemerken, wenn er auftauchte, und mit ein wenig Glück würde ich sehen oder hören können, wo er den Keller wieder verließ.
Ich brauchte mich nicht lange in Geduld zu üben, denn schon nach kurzer Zeit näherten sich Schritte und der Mann im wallenden schwarzen Umhang mit dem großkrempigen Hut marschierte zielsicher auf die kleine Pforte zu. Noch einmal schaute er sich prüfend um, ob er auch allein war, dann drückte er sie auf und verschwand im Amtshaus.
Ich krabbelte aus meinem Versteck und war mit schnellen Schritten an der Tür, legte mein Ohr daran und hörte, wie mit leisem Knarren eine weitere Tür geöffnet wurde. Sie musste sich rechts im Keller an der Außenwand befinden, dort, wo das Gebäude bis zum Erdgeschoss im Erdreich stand. Aber dort war nichts, andernfalls hätte ich sie in der letzten Nacht finden müssen. Dort stand doch nur... der alte Schrank! Damit hatte ich das Rätsel schon halb gelöst, und ich hörte, wie die Schranktür sich wieder schloss. Ich wartete noch einen kleinen Moment, und schlüpfte dann selbst in den dunklen Keller. Heute hatte ich vorgesorgt und neue Batterien in die Stablampe gesteckt. Ihr heller Strahl wanderte durch den Keller und blieb an dem alten, aber sehr großen und massiven Schrank hängen. So leise es ging, öffnete ich ihn und schaute hinein. An der hinteren Wand gähnte ein mannshohes schwarzes Loch, aus dem leise die Schritte des Phantoms wie aus weiter Ferne zu vernehmen waren. Ich leuchtete hinein und fand einen Gang, den man über ein paar abwärts führende Stufen betreten konnte.
Ich zögerte nicht, schloss leise den Schrank hinter mir und stieg in den Gang ein, dessen Wände aus gemauerten Feldsteinen gefügt waren. Im Schein der Taschenlampe kam ich zügig voran. Der Boden fiel erst leicht ab, verlief dann gerade und führte wenig später fast unmerklich ansteigend weiter. An manchen Stellen standen Wasserlachen und von der Decke tropfte es herunter. Ich musste mich also unter dem Burggraben befinden, dessen Wasser sich hier einen Weg bahnte, folgerte ich. Nur ein paar Schritte weiter zweigte ein Gang ab, der nach wenigen Metern an einer steil ansteigenden Treppe endete. Ich beschloss, dem anderen Gang zu folgen, stellte aber enttäuscht fest, dass ich nach einer Biegung vor einer massiven Wand stand, an der es nicht mehr weiter ging. Also zurück zur Treppe! Leise schlich ich die vielen, engen Stufen hoch und drückte gegen die hölzerne Wand, die mir am oberen Ende den Weg versperrte. Sie schwang auf und ich fand mich in einem langen Flur des Schlosses wieder. Hier musste ich in der Nacht zuvor das wandernde Licht gesehen haben, welches ganz offensichtlich vom Phantom diesen Gang entlang getragen wurde. Durch das einfallende Sternenlicht war es gerade hell genug, dass ich die Taschenlampe nicht brauchte. Am Ende des Ganges war eine hohe, doppelflügelige Tür, die nicht ganz verschlossen war und durch deren mittleren Spalt mattes Licht fiel. Ich spähte hindurch und fand vor mir einen großen Bibliothekssaal. Das Phantom stand auf einer Leiter, die an einem hohen Bücherregal lehnte. Vor sich auf der Leiter hatte es ein geöffnetes Buch liegen, und bei jedem Umblättern wehte ein Staubschleier von den Seiten hernieder.
»Aaaah! Hier ist es. Hier spricht er wieder von diesem ominösen Schatz! Warte nur, werter Urahn, ich komme dir noch auf die Schliche, und dann bin ich reich! Reich! Reich!«, frohlockte das Phantom und mir war, als hätte ich die Stimme schon einmal gehört.
»So ward mir hier im Flecken Bederkesa ein Schatz beschieden, von so unermesslichem Wert, dass er für mich allein zu kostbar erschien«, las der schwarz gekleidete Fremde leise und kicherte dann in sich hinein.
»Das ist gut! Ich hoffe, du hast von den Kostbarkeiten noch ein wenig für mich zurückgelegt. Wenn wir teilen, wird dir dein Anteil schon ausreichend erscheinen.«
»Doch durft ich ihn nicht zeigen noch bekannt tun, denn ein Mann von meinem Stande wird von Neidern stets beäugt, und bin ich nicht vorsichtig, so verliere ich alles«, fuhr er fort, und wieder erklang leises Kichern.
»Das wirst du! Das wirst du, fürwahr! Du wirst alles verlieren und zwar an mich«, gluckste das Phantom gutgelaunt um dann weiter zu lesen.
»So bin ich gezwungen, alles heimlich zu tun, und will ich zu meinem Schatz, so ist mir ein weiter Fußmarsch unter der Erde auferlegt. Nie darf ein Lichtstrahl auf die unendlichen Kostbarkeiten, die in meinem Besitz sind, fallen, und so muss ich alles unter der Erde verbergen. Niemand außer mir kennt den Weg dorthin, noch ahnt einer, welch unermesslicher Reichtum mich segnet.«
Das Phantom hatte die letzten Worte voller Rührung betont, als es sie las. Vom vermeintlichen Glanz des Schatzes scheinbar ganz geblendet, schloss es für einen Moment die Augen. Das Buch entglitt seinen Händen, fiel von der Leiter und schlug mit einem lauten Knall auf dem Fußboden auf. Hastig kletterte der Mann im schwarzen Umhang ebenfalls herab, griff sich die dicke Schwarte und hastete die Stufen wieder empor. Schnell schob er den Wälzer ins Regal zurück, turnte wieder nach unten und schob die Leiter an eine andere Position. Ich ahnte, dass er angesichts des Lärms nun wohl den Rückzug antreten würde. Wenn er mich hier erwischte, war der Ausgang eines Zweikampfes zwischen ihm und mir extrem unklar. Außerdem wusste niemand, ob der Knall nicht einen Wächter alarmiert hatte, der jeden Augenblick hier auftauchen konnte. Also lief ich schnell aber leise zu der noch offen stehenden Wandverkleidung zurück, zwängte mich durch die Öffnung in den Geheimgang hinein und sprang die Stufen hinunter. Im schmalen Kegel der Stablampe hetzte ich durch den Gang zurück ins Amtshaus, durchquerte den Keller und war mit einem Satz in meinem Rhododendron verschwunden. Nur wenige Herzschläge später erschien auch das Phantom, zog die Tür ins Schloss und verschwand in der Dunkelheit