Tote Gäste. Elisa Scheer

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Название Tote Gäste
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562577



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war gemein, aber leider wahr – Ninas Haare waren, vielleicht durch ihre Leidenschaft für angeblich auswaschbare Tönungen, mittlerweile von einem eher schmutzigen Gelbbraun. Sie sollte sich vielleicht mal beim Friseur die Haare professionell färben lassen, aber darauf hatte sie so schnell bestimmt keine Lust. Wie konnte man bei so kaputtem Haar auch eine Dauerwelle machen lassen! Und welcher Friseur spielte da mit?

      „Dann müssen Silke und ich für euch alle schön sein“, spottete ich.

      Anette prustete ins Telefon. „Schön, ja? In apricot? Albern werden wir aussehen, alle vier.“

      „Wenn schon“, besänftigte ich sie, „da kennen uns doch eh schon alle. Und wenn´s dich tröstet, Stefan muss Platzanweiser spielen. Meinst du, ich kann Carla weismachen, dass Platzanweiser im Kilt auftreten müssen?“

      „Wenn du unbedingt von ihm erschlagen werden willst... natürlich könnten wir dann zählen, wie viele Mädels ihn fragen, ob er was drunter trägt. Das hat was...“

      „Martine wird das schon verhindern. Was Stefan macht, bestimmt schließlich sie. Aber von der Hochzeit ist sie ziemlich begeistert.“

      „Sie – und wer noch? Warum macht sie eigentlich nicht Trauzeugin?“

      „Weil sie im achten Monat ist, wie schaut denn das aus!“

      „Und Nina hat zwei Kinder. Du, sag mal, aber das Allergrässlichste spart Carla sich hoffentlich?“

      „Was ist das Allergrässlichste? Die Brautentführung?“

      „Nein, das Brautstraußschleudern. Ich lass ihn fallen, ich sag´s dir!“

      „Ich auch.“ Ich musste lachen. „Erinnerst du dich noch an unsere Versuche, Volleyball zu spielen? Im ersten Semester?“

      „Ich dachte, du nimmst ihn an? Nein, du?

      „Genau. Meinst du, man kann ihn zur Braut zurückbaggern?“

      Anette freute sich. „Carla trifft der Schlag, wenn sie das Gemüse wieder ins Gesicht kriegt. Obwohl, sehr treffsicher sind wir leider alle nicht, wahrscheinlich erwischen wir die Hochzeitstorte oder so was.“

      Sie hörte auf zu lachen. „Ganz was anderes, weshalb ich dich eigentlich angerufen habe... Rate, wer plötzlich bei mir vor der Tür gestanden ist!“

      Ich hatte keine Ahnung. „Deine spießige Cousine, dass du endlich heiraten sollst?“

      „Ach wo, die hat die Hoffnung wohl endlich aufgegeben. Obwohl sie es ja schon bedenklich findet, dass alle diese Häuser von einer Frau verwaltet werden. Das ist ja so unweiblich!“ Ich kicherte; sie konnte die blöde Christel wunderbar nachmachen. „Wenn die es nicht war, wer dann?“

      „Sagt dir der Name Andi noch was?“

      „Andi – Andi – sag bloß, doch nicht der Andi?“

      „Genau der. Und rate, was er vorzubringen hatte?“

      Hm... Andi war vor fast zwei Jahren plötzlich verschwunden. Der klassische Fall von Ich gehe bloß mal kurz Zigaretten holen. Anette hatte nie mehr etwas von ihm gehört und das Ganze recht mühsam überwunden. Und jetzt traute er sich wieder her?

      „Er spürte, dass er für dich nicht gut genug war, und wollte edel verzichten“, schlug ich vor. Anette prustete. „Knapp daneben. Er wusste, dass er mir nicht das Leben bieten konnte, das einer Prinzessin wie mir angemessen wäre, also zog er aus, sein Glück zu machen.“

      „Und? Hatte er Erfolg? Bringt er Goldesel, Tischlein deck dich und Knüppel aus dem Sack mit? Oder einen gestiefelten Kater?“

      „Nein. Aber ganz, ganz tolle Anlagemöglichkeiten. Leider hat er die entsprechenden Unterlagen gerade nicht zur Hand, aber es ist eine fantastische Gelegenheit und ich muss mich ganz schnell entscheiden.“

      „Dieser Gauner!“, empörte ich mich. „Und, wie wirst du dich entscheiden?“

      „Hab ich schon. Er soll seinen Krempel wieder mitnehmen und mir nicht mehr unter die Augen kommen. Da ist dann die charmante Maske für einen Moment ins Rutschen gekommen. Hui, wie giftig er mich angesehen hat! Kati, ich bin ja nicht blöd, ich weiß, warum er wieder da ist.“

      „Warum?“

      „Weil ich jetzt Geld habe, darum. Vor zwei Jahren war ich noch eine mickrige BWL-Studentin, zugegebenermaßen mit reichen Eltern, aber selbst hatte ich fast nichts. Und jetzt verwalte ich den gesamten Immobilienbesitz meiner Eltern und sie haben mir schon ein Haus übertragen. Ich glaube, Andi hat ernsthaft geglaubt, ich würde das Haus belasten, um in seine Schwindelunternehmungen investieren. Weißt du noch, wie schwer es war, ihn damals von diesem Schneeballschwindel abzubringen? Er säße ja jetzt noch im Knast, wenn ich das nicht vereitelt hätte!“

      „Aber dankbar ist er dir nicht dafür, was?“

      „Im Gegenteil. Er tut, als müsste ich in seine Windeier investieren, weil ich ihm damals die Tour vermasselt habe.“

      „Dieses Arschloch. Können wir ihm nicht was antun? Am besten so, dass die Polizei ihn gleich aus dem Verkehr zieht?“

      „Was denn? Ach komm, ich bin ja schon froh, wenn ich ihn nie mehr sehe. Hat der Hund doch ernsthaft geglaubt, ich hätte auf ihn gewartet. Und ich wäre so blöd, ihm seine Geschichten zu glauben.“

      „Meinst du, der bleibt jetzt weg?“

      „Hoffentlich. Wir könnten ihm natürlich jemand Reicheren und Naiveren vorstellen – aber das müsste dann schon eine richtig grässliche Schnepfe sein, sonst wäre es ja gemein.“

      „Kennst du so jemanden? Ich nicht“, antwortete ich und hörte es klingeln. „Du, Anette – können wir ein anderes Mal weiter fantasieren? Jetzt kommt mein Essen.“

      „Faule Nuss, lässt du dir schon wieder was liefern?“

      Anette hatte leicht reden, sie konnte sich ihre Arbeit selbst einteilen, solange sie ihre eigenen Bürozeiten einhielt, und die waren nur vormittags. Kein Wunder, dass sie Zeit hatte, einzukaufen, sie verglich ja sogar Sonderangebote! Als ob sie so was nötig gehabt hätte.

      Silke war genauso, aber die war ja auch Lehrerin. Mittags fertig und dann hatte sie frei – egal, wie oft sie erzählte, das sei gar nicht wahr. Und Nina arbeitete überhaupt bloß stundenweise in einem Reisebüro, nicht, um groß was zu verdienen – Florian verdiente genug für alle – sondern nur, um nicht „einzurosten“. Ich war die einzige mit einer Fünfzigstundenwoche, dann stand es mir wohl verdammt noch mal zu, mir das Essen liefern zu lassen, egal, ob das ungesund war (Silke) oder langweilig (Nina) oder von Faulheit zeugte (Anette).

      Ich bezahlte den Boten und ließ mich mit meiner Ausbeute auf dem Sofa nieder. Mhm, lecker! Ein riesiger Salat (ohne Bohnen), scharfe Sauce, Enchiladas... Eine halbe Stunde später ging es mir schon eindeutig besser, so gut, dass ich die Wäsche aus der Maschine holte und aufhängte, alle Schuhe putzte, die ich in nächster Zeit tragen würde, und zwei Kostüme für die Reinigung heraushängte. Sehr brav, fand ich.

      So, und was sollte ich nun für die Hochzeit vorbereiten? Ich war kaum zu der Feststellung gediehen, dass wenigstens der Fummel für die Kirche ja schon feststand – samt Blumenkranz (oder Hut?) und Seidenpumps – als das Telefon schon wieder läutete. Dieses Mal war es tatsächlich Carla – ob ich nicht schnell vorbeikommen könnte? Sie hätte da ein echtes Problem.

      „Lass mich raten“, antwortete ich, lehnte mich gemütlich zurück und schnappte mir eine vergessene Tomatenscheibe, „du weißt nicht, ob apricotfarbene oder weiße Servietten beim Essen besser aussehen. Oder deine Brautschuhe haben doch etwas niedrigere Absätze, als du dachtest, und jetzt weißt du nicht, ob du über dein Kleid stolperst und in der Kapelle auf die Fresse fliegst. Oder deine Schwiegermutter will doch lieber, dass du ihren Schleier trägst, aber der hat ein anderes Weiß als dein Kleid und außerdem verträgt er sich nicht mit deinem Blumenkranz. Oder in Bali ist die Revolution ausgebrochen und Corinna hat nun doch Zeit, aber sie will nicht Apricot tragen. Das wollen wir übrigens alle