Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie

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Название Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Legenden aus Nohva 3
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742790316



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du damit meinst, sehe ich keinen Grund, dich gehen zu lassen«, beschloss ich.

      Traurig sah er mich an. »Dieses Land braucht einen starken Herrscher wie Euch, ich will nicht Euren Tod verschulden.«

      »Dann nutz deine Anwesenheit und deinen Bogen, um mich zu schützen«, forderte ich ihn auf.

      Dann beugte ich mich ein letztes Mal zu ihm und drohte ihm leise: »Tu, was du für richtig hältst, aber sei gewarnt, verlässt du mich ohne deine Schuld beglichen zu haben, werden meine Männer und ich das Leben zurückfordern, das wir dir geschenkt haben. Du kannst weglaufen, aber wir finden dich.«

      Janek starrte mich unglücklich an, war aber zu eingeschüchtert um etwas zu sagen. Das mochte ich so an ihm, er zweifelte nicht daran, dass ich meine Drohungen wahrmachte.

      Ich wandte mich ab und ließ ihn und seine Ziege bei dem gesattelten Pferd allein. Entweder er würde gehen oder bleiben, sein Schicksal musste er selbst wählen. So wie jeder andere von uns auch.

      ***

      Ich schwitzte, als ich zurück zu meinem Zelt ging.

      Nicht etwa, weil mir heiß gewesen wäre, es war nämlich saukalt in dieser Nacht, und ein Blick gen Himmel genügte mir, um festzustellen, das bald der nächste Schnee fallen würde. Nein, es war kalter Schweiß, der mir über Stirn und Nacken rann. Er floss unter meiner Rüstung meine Wirbelsäule hinab, direkt zwischen meine Arschbacken. Ich hätte – in Mangelung eines besseren Wortes – kotzen können.

      Mir ging es nicht gut. Ich vermutete, es lag an der Wunde, die der Pfeil hinterlassen hatte, obwohl Derrick nie halbe Sachen machte, wenn es um das Ausbrennen von Wunden ging. Vielleicht hatte das nicht genügt, weil die Wunde tiefer gewesen war als gedacht.

      Genervt und müde schlug ich die Zeltplane zurück.

      Ich stockte, nachdem ich eingetreten war.

      Derrick saß hinter dem Tisch in meinem Zelt auf meinem Stuhl und begutachtete die Aufzeichnungen über das Drachenzähmer Ritual.

      Er sah mit seinen silbernen Augen auf, als ich eintrat.

      »Ist das dein Plan?«, fragte er mich brüsk. Wütend deutete er auf die Schriften. »Sollen wir uns auf Zauberei verlassen?«

      »Hast du eine bessere Idee?«, gab ich zurück und steuerte den Krug mit dem Met an, den ich zurückgelassen hatte, um Janek bei den Pferden zu überraschen. Ich goss mir etwas in einen silbernen Kelch, den ich aus Menards Zuflucht mitgenommen hatte, und nahm einen Schluck Met.

      Hm, kalt, stellte ich erbost fest. Ich mochte meinen Met wie meine Weiber, Warm und vollmündig.

      Derrick überging meine Frage, als er mich darauf hinwies: »Magie ist unbeständig. Kein Zauber ist sicher. Es kann so viel schief gehen ... oder von vorneherein nicht funktionieren. Im besten Fall finden wir erst gar nicht heraus, welche Zutaten das Ritual benötigt oder wir finden, was wir brauchen, und es passiert einfach überhaupt nichts ...«

      »Und im schlimmsten Fall?«, murmelte ich gelangweilt mit dem Rücken zu ihm.

      Ich konnte seinen furchtvollen Blick im Nacken spüren, als er antwortete: »Werden wir von einem Drachen gefressen, bevor wir versuchen können, ihn zu zähmen.«

      Ich war nicht dumm, ich kannte die Risiken. Aber welche Wahl hatte ich?

      »Hast du eine Armee?« Ich drehte mich mit einem überheblichen Heben meiner Augenbrauen zu Derrick um, den Kelch mit dem kalten Met noch in der Hand. »Hast du ein verdammtes Soldatenheer, Derrick, das du mir leihen könntest? Hm? Wenn ja, wo hast du es die ganze Zeit versteckt? Kannst du es aus deinem Arm schütteln?«

      Derrick presste seine Lippen zusammen und wich meinem Blick aus.

      »Wenn nicht«, sprach ich weiter und schlenderte auf den Tisch zu, »dann erkläre mir doch bitte, wie du gedenkst, einen Krieg zu führen ohne ein Wunder?«

      Ich blieb vor dem Tisch stehen und Derrick sah zu mir auf. Er musterte meine imposante Erscheinung, aber nur für einen winzigen Moment.

      Derrick räusperte sich und legte seinen Zeigefinger auf die Ritualsschriften. »Das hier ist nicht das Wunder, das du brauchst, Mel.«

      »Ich wiederhole mich nur ungern, aber wie sonst sollen wir einen Krieg führen? Wir sind siebenundsiebzig Mann! Und mein Vater hat die Truppen des Kaisers und seine eigenen«, erinnerte ich Derrick. »Wie also sollen wir mein Erbe zurückgewinnen?«

      »Mit List und Gerissenheit-«

      Ich beugte mich über den Tisch zu ihm und deutete auf die Schriften. »Das hier ist meine List, Derrick. Mein Vater hat ein Meer aus Soldaten, vielleicht bringt uns ein Drache einen gewissen Vorteil. Zumindest bringt er uns eine geringe Chance.«

      Lange sah Derrick zu mir auf. Zweifel standen deutlich in seinem Gesicht, auf dessen Wangen dunkle Bartstoppeln zu sehen war, Kerzenlicht schimmerte darin und ließ es an manchen Stellen rötlich erscheinen. Ich hielt seinem Hundeblick stand, meine Miene war eine eiserne Maske. Der unnachgiebige Ausdruck eines Königs ...

      Schließlich holte Derrick Atem. »Nun gut, so lange wir sonst keinen besseren Plan haben, können wir uns zumindest vorerst mit dem Ritual befassen.«

      Ich schüttelte den Kopf. »Bilde dir nicht ein, dass du ein größeres Mitspracherecht hättest als der Dreck unter meinem Stiefeln.«

      Derrick nahm die Beleidigung mit einem Schmunzeln auf.

      Ich setzte mich in den Stuhl gegenüber von Derrick und trank von meinem kalten Met. Immerhin merkte ich durch das Getränk meinen körperlichen Zustand nicht. Ich war froh um das gedämpfte Kerzenlicht im Inneren meines Zelts, weil ich nicht wollte, dass Derrick den Schweiß auf meiner Stirn und die Ringe unter meinen Augen bemerkte.

      »Was ist dein nächster Schritt, Melecay?«

      Ich sah Derrick in die Augen. Für einen Moment hatte ich weder Lust darauf, unsere Chancen zu besprechen, noch überhaupt irgendetwas zu sagen. Worte zu formen, eine Unterhaltung zu führen. Es gab vieles, was ich jetzt so viel lieber getan hätte. Eines davon war zu schlafen, denn ich glaubte, das Fieber habe bereits Besitz von mir ergriffen.

      Ich rieb mir die Augen mit Daumen und Zeigefinger, als ich müde auf Derricks Frage antwortete: »Sofern ich das richtig verstanden habe, sind die Schlüssel des Rituals eine Hexe, das Blut eines Drachenzähmers – also mein Blut – und ein Opfer, das der Drachenzähmer einem Feuerberg übergeben muss.«

      Derrick suchte die Zeile über das Opfer und las sie laut vor: »Der, der den Drachen an sich binden will, muss, für seine einzigartige Macht in der Welt der Sterblichen, das größte Opfer bringen. So soll der neue Drachenzähmer dem Feuerberg einen Menschen opfern, mit dem er verbunden ist.«

      Ich legte die Stirn in Falten und rieb mein Kinn nachdenklich, so wie ich es auch getan hatte, als ich diese Zeilen zum ersten Mal gelesen hatte.

      Derrick sah mich fragend an. »Es bedeutet wohl mehr, als es aussagt, nehme ich an?«

      »Inwiefern können Menschen denn miteinander verbunden sein?«, wollte ich von ihm wissen. Nicht, weil ich es nicht wusste, sondern um ihn dazu zubringen, selbst darauf zu kommen.

      Er dachte nicht lange darüber nach. »Durch die Ehe sind Menschen miteinander verbunden. Aber auch durch Blut, Freundschaft ...«

      »Liebe.«

      »Ich sagte doch, Ehe.«

      Ich verzog meinen vollen Mund zu einem hässlichen Grinsen. »Die Ehe hat mit Liebe nichts zu tun.«

      Ich musste es ja wissen, ich hatte es bei meinen Eltern erlebt.

      Derrick nickte einlenkend. »Zumindest nicht immer.«

      Ich kratze mich an der Stirn, Schweiß klebte auf meiner Haut. »Da ich im Moment nicht weiß, wen ich opfern soll, und der einzige Feuerberg in Carapuhr, von dem ich gehört habe, seit Jahrhunderten kein flüssiges Feuer mehr spuckt, bleibt nur noch ...«

      »Die