Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie

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Название Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Legenden aus Nohva 3
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742790316



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Ich hatte kein Mitleid mit ihr, denn dieses Leben hatte sie stark gemacht, sie würde mich nicht interessieren, wenn sie eine gewöhnliche Frau gewesen wäre. »Sonst nichts? Keine ... Heiler Tätigkeiten?«

      Nun sah sie mich neugierig an. »Nein. Wieso?«

      Das war schlecht.

      »Schon gut«, blockte ich ab und ließ sie einfach stehen. Ihren Blick spürte ich noch lange auf meinem Rücken. Ich fragte mich, ob sie vielleicht Interesse an mir hatte, ein Teil von mir hoffte es. Conni war nicht schlecht, aber ich war ein neunzehnjähriger Mann, der sicher nichts gegen frisches Fleisch hatte.

      Derrick kam mir entgegen und setzte an um etwas zu sagen.

      »Wir brechen auf. Sofort«, schnitt ich ihm das Wort ab, bevor er mich nerven konnte. Ich ging an ihm vorbei und stampfte auf mein Zelt zu. Ich wusste nicht genau wieso, aber ich war wütend auf ihn und konnte ihn gerade nicht in meiner Nähe ertragen.

      Davon abgesehen mussten wir diese verfluchte Hexe finden, ehe die Wunde in meiner Hand mein Ende bedeutete.

      Und mein Körper sagte mir, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb.

      ***

      Wir ritten den ganzen Tag. Von Dorf zu Dorf, von Siedlung zu Siedlung. Besuchten Händler, hielten Karawanen auf der Straße an, fragten uns durch Schenken und Bordelle.

      Am späten Nachmittag hatte ich die Beschreibung von zehn unterschiedlichen Hexen, die Hälfte davon zu alt, um die zu sein, die ich suchte, und die andere Hälfte sprach von zaubernden Frauen und nicht von einer Hexe. Aber den Unterschied kannten die meisten Leute nicht, sie wussten nicht einmal, dass es einen Unterschied gab.

      So möchte ich hier darauf hinweisen, dass eine Hexe eine Hexe war und keine Schamanin, Magierin oder Zauberin, oder wie man Magieanwender sonst noch so nannte. Nein, eine Hexe wendet zwar Magie an, doch ist ihre Magie die einzig echte Magie in unserer Welt, alle anderen benutzen Illusionen, um Schmerzen zuzufügen, deshalb konnten Schamanen und ihre weiblichen Vertreter auch nicht heilen oder Schutzschilder beschwören. Eine Hexe war eine Hexe. Wird eine Frau als Hexe geboren, verliert sie ihre Herkunft, sie ist also weder Mensch noch Elkanasai noch sonst etwas, sondern nur eine Hexe. Und nur eine Hexe konnte heilen, wo Heiler ohne Magie nicht weiterkamen.

      Ich war dem Ende nahe, das merkte ich, während wir eine Straße durch den Wald nahmen. Wir ritten langsam auf meinen Befehl hin, doch auch im Schritttempo konnte ich mich kaum im Sattel halten. Ich ritt voran, damit Derrick mich nicht nervte und erkannte, dass etwas nicht mit mir stimmte. Ich wollte und durfte keine Schwäche zeigen, davon abgesehen, hätte es ihn nur in Panik versetzt, wenn er es gewusst hätte, was wiederum mich in Panik versetzt hätte.

      Manchmal war es besser, zu schweigen.

      An diesem Nachmittag konnte ich gut verstehen, warum Hunde fort gingen um zu sterben, um alleine zu sterben. Ich wollte auch niemanden um mich haben, während ich dahinschied. Ich hatte so einige unschöne Geschichten über das Sterben gehört, vor allem jene Geschichte über die Muskeln, die sich unwillkürlich lösen.

      Wenn ich mir vor meinem Tod noch meine Hosen vollkacken musste, wollte ich nun wirklich nicht, dass meine Männer dabei waren ... oder dass ich auf einem Pferd saß.

      Mir lief kalter Schweiß über die Stirn, er tropfte von meiner Haut hinunter auf meine Hände, in denen nur locker die Zügel hingen.

      Ich sah verschwommen, alles drehte sich, ich schwitzte, obwohl es leicht schneite.

      »Mel!« Derrick rief mich nun schon zum dritten Mal, er hörte sich verärgert an.

      »Weiter«, murmelte ich kraftlos vor mich hin, immer wieder fielen mir die Augen zu.

      Ich hörte meine Männer tuscheln, aber nicht über mich. Sie vermuteten etwas im Gebüsch, sie glaubten, uns verfolge jemand.

      Ich sah und hörte jedoch nichts, alles war verschwommen und das lauteste Geräusch war das Rauschen in meinen Ohren.

      Mir wurde schlecht, das Fieber rüttelte mich.

      »Melecay!«

      Ich hielt mein Pferd an, wendete es jedoch nicht.

      »Was ist?«, schnauzte ich nach hinten und drehte mich halb zu Derrick um. Die Welt drehte sich noch mehr.

      Er wurde aschfahl, als er mein Gesicht sah. »Melecay, du ... Nein!«

      Das Bild vor meinen Augen kippte zur Seite, ich fiel aus dem Sattel, doch ich war nicht mehr allein. Etwas lag auf mir, hatte mich von meinem Pferd gerissen.

      Ich versuchte, mich zu wehren, und zog einen Dolch.

      Chaos brach aus, ich hörte die Hufte der Pferde und die Rufe meiner Männer nahen, Derrick schrie nach mir, dann hörte ich ihn plötzlich abbrechen.

      Janek schrie: »Nein!«

      Geäst brach, knackte laut.

      Lazlo schrie: »Assassinen!«

      Meine Hände waren zu schwach für den Dolchgriff, ich verlor ihn, als ich nach der vermummten Gestalt stechen wollte, die rittlings auf mir saß, dabei schnitt die Klinge aber in die Handinnenfläche der Gestalt.

      »Verdammt«, hörte ich eine melodische Stimme hinter dickem Leder gedämpft fluchen.

      Ich hatte das Gefühl, das mich der Angreifer nicht töten wollte, denn er hatte keine Waffe in der Hand und in meinem Zustand hätte mich ein Gegner längst ermordet, wenn er es denn gewollt hätte.

      Meine Handgelenke wurden umfasst, ich starrte wütend zu der Gestalt auf und sammelte meine letzten Kraftreserven um ihm meine Stirn in das vermummte Gesicht zu rammen.

      Aber dann roch ich es und konnte mich nicht mehr rühren.

      Große Augen starrten durch die einzigen Öffnungen der ledernen Kopfbedeckung. Kristallene Augen. Tiefe Augen. Mit dichten schwarzen Wimpern umrandete Augen. Unschuldige Augen.

      Meine Männer kämpften, ich konnte Stahl auf Stahl schlagen und wilde Flüche hören, aber sehen und riechen konnte ich nur das, was über mir kauerte und ebenso reglos auf mich hinab starrte.

      Da riss plötzlich etwas die zierliche Person von mir herunter und ich fühlte mich, als habe man mich aus einem lieblichen Traum geweckt, indem man mir einen Stein an den Kopf warf.

      Ich wollte aufstehen, doch es war, als hielten mich Nägel am Boden fest. Mein Kopf rollte zur Seite, ich sah Janek, der mit der vermummten Gestalt kämpfte, die zuvor auf mir gesessen hatte.

      »Ashkii, nieet!«, zischte Janek in einem seltsamen Akzent, und rollte sich auf den Angreifer, nagelte ihn am Boden fest. »Nieet!«, wiederholte er, das Wort klang aus seinem Mund gedehnt aber irgendwie ... warm, sinnlich.

      Ich hatte das Gefühl, das die beiden sich kannten.

      Pferde galoppierten an mir vorbei, trampelten mich fast tot.

      »Ihnen nach!«, schrie Derrick mit der Lautstärke und dem herrischen Tonfall eines Befehlshabers. »Lasst diese miesen Bastarde keinesfalls entkommen!«

      Und meine Männer folgten den in die Flucht geschlagenen Assassinen.

      Ich war mir nicht sicher, ob ich lebte oder nicht.

      Derrick stampfte an mir vorbei, vermutlich war er sich auch nicht sicher. Das Schwert noch in der Hand, frisches Blut tropfte von der scharfen Klinge, trat Derrick Janek von der anderen Gestalt runter.

      Janek landete auf den Ellebogen, rappelte sich aber schnell wieder auf und eilte zurück um sich zwischen Derrick und die Gestalt zu werfen.

      »Nein, nicht! Er ist mein Bruder!«, rief Janek.

      Ich versuchte, mich aufzustützen und starrte fassungslos zu ihnen rüber. Derrick machte keinen Unterschied, er wollte beide töten.

      »Derrick!«, schrie ich gerade noch rechtzeitig.

      Derrick hielt inne.

      Als er mich sah,