Wen oder was wir lieben. null michelle_werner

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Название Wen oder was wir lieben
Автор произведения null michelle_werner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847654254



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dauert erneut viele Monate, sowie einige persönliche Urgenzen, bevor er einen positiven Bescheid erhält. Er öffnete den Brief, sieht die Worte „wird bewilligt“ und beginnt einen Freudentanz. Er wusste doch, dass er keinen Architekten brauchen würde und sein Kalkül mit dem Abriss des alten Hauses ist offenbar auch aufgegangen. Also geht er an diesem Tag ausgedehnt feiern. Er macht dies mit seinen Arbeitskollegen, denn seine Frau hat noch zu arbeiten.

      Am nächsten Tag holt er dann das Schriftstück nochmals hervor, um sich die Details anzusehen. Es gibt in der Tat interessante Details, weil es für die Kleingartensiedlung ganz andere Flächenwidmungspläne gibt. Sie unterscheiden sich deutlich von jenen Plänen, die auf der anderen Straßenseite gelten, weil es dort keine Pachtgründe sind, sondern Eigentumsgründe und dort auch keine Kleingartensiedlung vorliegt.

      Die Baubewilligung nimmt es offenbar mit den Abständen zu den Nachbargrundstücken und zur Straße sehr genau. Hier steht, welcher Abstand mindestens zur Straße bestehen muss, welche Abstände zum oberhalb und unterhalb liegenden Grundstück einzuhalten sind und dann auch noch der Mindestabstand zum hinteren Grundstück. Auf der verbleibenden Fläche kann und darf er bauen. Sollte es bereits Bauwerke geben, die vor dem 1. Jänner dieses Jahres bestanden, so durften diese erhalten bleiben, da sie noch vom vorangegangenen Flächenwidmungsplan geregelt wurden. Wäre also das alte Haus näher an den Nachbargrundstücken gestanden, so hätte dies trotz neuer Gesetze weiterhin stehen bleiben dürfen.

      Diesen Teil versteht Herr Zack sofort. Sein altes Haus, welches er abgerissen hat, musste sich nicht an diese Abstände halten. Nun will er aber wissen, wie groß sein Haus jetzt werden darf. Also nimmt er alle Maße des Grundstücks zur Hand und beginnt zu rechnen.

      Das Ergebnis erscheint ihm falsch, er muss sich irgendwo vertan haben, also nochmals alles von vorne. Bei dieser schwierigen Materie kann man sich leicht vertun und das umso mehr, wenn man nicht aus der Baubranche kommt. Aber mit Geduld und Muße kommt man ans Ziel. Also. Neue Konzentration, neue Zettel, neue Nebenrechnungen, nur die Ruhe, keine Panik, einfach Ziffer für Ziffer und Zahl für Zahl, dann kann nichts schief gehen.

      Es blieb dabei: Sein neues Haus darf 20 Meter lang werden, soweit die gute Nachricht – aber nur einen Meter breit!

      Ein Streich? Ein übler Scherz? Ein Missverständnis? Ein Schildbürgerstreich? Die Tat eines wahnsinnigen Beamten? Ein Alptraum? Alles kann es sein, nur nicht die Wahrheit!

      Trotz aller Proteste bei der Behörde bleibt es dabei. Danach der Versuch, dass Herr Loibner seine Beziehungen spielen lässt. Immerhin hat er sein Haus auch immens vergrößern dürfen. Aber der feine Herr Loibner rührt nicht einen Finger, um die Baubehörde zu einem Einlenken zu bewegen.

      Seither gibt es auf dem Grundstück nur mehr ein Zelt, einen Kirschbaum und sonst nichts. Auch der Pachtvertrag kann nicht aufgelöst werden, aber man darf sich einen anderen Pächter suchen, der in den Vertrag eintreten kann. Unter diesen Umständen ist aber auch das aussichtslos, denn es gibt kein Haus auf dem Grundstück, nicht einmal ein altes kleines Haus.

      Die Beziehung zu Herrn Zacks Ehefrau ist wohl nicht die große Liebe, die zu seinem Garten mit Haus hätte es werden können, aber da sein Kapital für 99 Jahre dort festsitzt, wird er seiner Liebe in diesem Leben wohl nicht mehr begegnen. Für jene Menschen, für welche die Liebe unerreichbar ist, bleiben Träume und Illusionen. Einige stürzen sich nur auf verheiratete Männer oder Frauen und träumen davon, den bereits vergebenen Partner an Land zu ziehen. Meistens bleibt es beim Traum.

      Manchmal kommt Herr Zack noch in seinen Garten um davon zu träumen, wie schön es gewesen wäre, wenn…

      Die Nummer 9 – Norbert Sattler

      Sein bester Freund wohnt übrigens nicht weit, so dass er diesen immer besucht, wenn er in die Gegend kommt. Norbert Sattler heißt er und er wohnt in der Wahnsinnsstraße Nummer 9. Herr Sattler ist FKK-Fan und er lebt dort mit seiner Lebensgefährtin (2). Als sie noch jünger waren, pflanzten sie dichte Hecken um ihr Grundstück, sodass es zwei Jahre später vollkommen blickdicht war und Herr Sattler mit seiner Freundin ihrer Nacktkörperkultur seither ungestört nachgehen können. Zwar weiß man auch dies in der Siedlung, aber da es keinen Einblick in das Grundstück gibt, lässt man die beiden Spinner dort einfach in Ruhe.

      Wenn Herr Zack oder ein anderer Besucher kommt, dann werfen sich die beiden einfach ihren Bademantel über und so gibt es auch kein dummes Gerede. Früher als es in der Siedlung noch keinen Strom gab, hatten die beiden einen Notstromgenerator mit Diesel laufen und waren damit ganz autonom. Später gab es dann Stromleitungen und damit hörte sich auch der Krach, den der Generator machte auf. Allerdings findet Herr Sattler, dass die Nebengebühren auf der Stromrechnung und der Strompreis selbst ziemlich unverschämt sind.

      Was man dabei verstehen muss, geht es gar nicht vordergründig um die Kosten, sondern das Schlagwort heißt Autonomie. So wie ein frisch verliebtes Liebespärchen, isolieren sich jung Verliebte, verzichten auf eine gewisse Zeit ganz die Kontakte zu Freunden und ihrem Umfeld. Familie Sattler hätte sich leicht auf einem der offiziellen FKK-Gelände amüsieren können. Es war aber der Wunsch, sich weiter abzukapseln, weswegen der blickdichte Zaun entstand und weswegen sie auch lieber den Stromverbrauch reduzierten, um mit einem Generator das Auslangen zu finden.

      Durch den inzwischen verfügten Lärmschutz ging das mit dem Generator nicht mehr und man war gezwungen, auf normalem Strom umzusteigen, was wieder diese Unabhängigkeit von der Umgebung reduziert, also zu Lasten der geliebten Autonomie geht. Genau deshalb suchen sie wieder einen Weg, zu mehr Unabhängigkeit zu gelangen. Das Objekt ihrer Liebe ist offenbar die Möglichkeit, ihr Leben unabhängig von anderen Menschen zu gestalten, mit anderen Worten sie lieben ihre Autonomie.

      So entsteht die Idee, dass man den eigenen Bedarf auch mit Solarzellen abdecken kann. Also holt man Angebote ein und bittet auch den Versicherungsvertreter zu sich, wodurch sich der erste Kontakt zu Herrn Zack ergibt, der bekanntlich für eine Versicherung arbeitet. Herr Zack macht Fotos vom Objekt und reicht die Pläne für den Umbau bei seiner Versicherung ein. Als die Umbauarbeiten abgeschlossen sind, kommt auch noch ein Techniker, der die ordnungsgemäße Montage der Solarzellen am Dach – als Basis für den Versicherungsvertrag – abnimmt.

      Von nun an werden sich die Solarzellen amortisieren und in einigen Jahren wird man sich einiges erspart und seine Autonomie wieder erlangt haben. Der Stromvertrag wird natürlich gekündigt und der Strombezug damit beendet. Alles funktioniert tadellos und geräuschlos, zumindest in den Sommermonaten, in denen man hier FKK betreibt. Im Spätherbst, Winter und im Frühling ist es ohnehin für ein Sonnenbad zu kalt, während im Sommer die Kraft der Sonnenstrahlen absolut ausreicht.

      Viele Grundstücksbesitzer der Siedlung finden die Idee sehr pfiffig und einige holen auch bereits Angebote ein, um sich das Ganze für ihr Objekt - in Bezug auf Rentabilität - durchrechnen zu lassen. Für Dr. Strauchwieser macht es keinen Sinn, der betreibt zu viele Stromverbraucher und da hätte er wohl zu viele Paneelen gebraucht, die dann seinen Garten verstümmelten. Etliche andere Besitzer kommen damit aber auf einen grünen Zweig und überlegen ernsthaft eine Umrüstung.

      Dies spricht sich natürlich auch bis zu den Stromerzeugern durch, die sich dann überlegen, wie man eine solche Entwicklung möglichst effektiv und schnell stoppen kann. Was diese beschließen, wird natürlich nicht nach außen publiziert.

      Nach dem Urlaub in Kroatien kommt dann das bittere Erwachen für Familie Sattler. Jemand hat in ihrer Abwesenheit die Solarzellen vom Dach geholt und durch die blickdichte Hecke war dies auch niemandem in der Umgebung aufgefallen. Nicht so schlimm, denkt Herr Sattler, eben ein Fall für die Versicherung. Also wird Herr Zack informiert, der gemeinsam mit der Familie Sattler die Schadensmeldung erstellt und dann sollte alles bald wieder in Ordnung sein. Immerhin sind alle Baufortschritte in Einklang mit der Versicherung durchgeführt worden, Fotos dokumentieren dies und Baupläne lagen der Versicherung schon vor dem Baubeginn vor. Erst nach all dem wurde der Versicherungsvertrag abgeschlossen und es fand damals auch am Ende der Umbauzeit eine Endabnahme durch die Versicherung statt.

      Die Versicherung prüft den Versicherungsfall penibel und nimmt sich dafür auch ausreichend Zeit. Dann schreibt