Wen oder was wir lieben. null michelle_werner

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Название Wen oder was wir lieben
Автор произведения null michelle_werner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847654254



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Spaß, es sei denn man vergisst alles in ein paar Minuten.

      Sie werden bei dem Spiel mit verschiedenen Rollen konfrontiert und können für die Dauer des Spieles eine ganz andere Person sein. Dabei geht es aber nicht nur um ihr Wissen, sondern auch um Ihre Kombinatorik und das emotionale Einfühlen. Natürlich geht es auch darum Spaß zu haben, denn sonst wäre es kein Spiel.

      Sieger ist, wer die meisten Punkte am Ende des Spieles hat. Wenn es von zwei Personen gespielt wird, so kann man es 17 Mal spielen, ohne dass sich die gestellten Aufgaben wiederholen.

      Nun ist es an Ihnen, sich zu entscheiden. Weiterlesen – oder das Spiel beginnen – dann wechseln Sie bitte über das Inhaltsverzeichnis zu – ‚Das Spiel‘

      Die Nummer 3 - Hr. Oppolzer

      Besuchen wir nun Herrn Oppolzer (1). Er wohnt auf der linken Straßenseite, fast ganz am Anfang, auf Nummer 3. Unterhalb seines Grundstücks residierte früher nur der Kleingärtnerverband auf Wahnsinnsstraße 1.

      Herr Oppolzer war in seinem Beruf Ingenieur und arbeitete in einer Süßwarenfabrik, wo er für das Funktionieren der Maschinen zuständig war. Rund ums Jahr hegte und pflegte er seine Maschinen, denn ein Produktionsausfall war absolut unerwünscht. Seine Urlaube verbrachte er meist im eigenen Garten, um für seinen Arbeitgeber ständig erreichbar zu sein. Seit er im Ruhestand ist, kann er so wie in jungen Jahren, in Urlaub fahren. Zweimal im Jahr tut er dies auch.

      Als er etwa 40 war, verstarb seine Luise bei einem Verkehrsunfall und den Schmerz hat er wohl nie verwunden, denn sie war für ihn die Richtige und da konnte auch keine andere Frau mehr mithalten. Er unternahm niemals einen ernsthaften Versuch, so sicher war er, dass seine Luise einzigartig war.

      Seit er in Pension ist, fährt er nach Fernost, um sich dort erotisch auszutoben, oder auch etwas nachzuholen. Er überlegte einmal vor Jahren, sich von dort eine Frau mitzunehmen, wie manche Männer dies so machen, aber sein Kumpel, Herr Halmer redete ihm dies grundlegend aus.

      Außer für Gedanken an seine Luise, ist in seinem Leben nur für wenige Dinge Platz. Süßigkeiten kann er zum Beispiel nicht ausstehen und auch dem Alkohol steht er sehr kritisch gegenüber. Ihm ein Bier anzubieten wäre so, als würde man dem Papst eine Geliebte anbieten – einfach unmöglich!

      Es gibt aber schon etwas in seinem Leben, wofür er eine große Schwäche hat. Er besitzt seit ungefähr drei Jahrzehnten ein Auto. Es ist größer, als jenes von Herrn Halmer, denn es ist ein VW Käfer, also eine wirklich runde Sache. Da Herr Oppolzer am unteren Ende des Berges wohnt, braucht er auch nicht die steile Straße hochzufahren. Dennoch hat sich der Herr Ingenieur etwas überlegt. Ihm war aufgefallen, dass im Winter viel Streusalz auf der Straße ist, und all dies frisst Löcher in sein Fahrzeug. So etwas schmerzt ihn in der Seele. Sein ‚Murli‘ soll solche Qualen nicht zu erleiden haben. Es gibt allerdings keine Einfahrt in sein Grundstück und es steht auch keine Garage zur Verfügung. Also braucht er einen anderen Plan. Seit etwa 30 Jahren gibt es daher ein ganz anderes Szenario. Besuchen wir ihn einfach Mitte September.

      Murli steht auf der Straße, vor dem Grundstück des Herrn Oppolzer, ordentlich eingeparkt. Am nächsten Tag sieht man, dass die Räder fehlen und das Fahrzeug auf Ziegelsteinen aufgebockt ist. In den folgenden Tagen und Wochen fehlen immer mehr Teile am Fahrzeug.

      Obwohl das Fahrzeug schon ein Oldtimer ist, sind keine Diebe am Werk. Vielmehr ist es Herr Oppolzer, der hier Hand anlegt. Als Ingenieur ist ihm Technik vertraut, vor allem ältere Technik und daher zerlegt er seinen Murli in seine einzelnen Bestandteile. Auch Schweißnähte werden von ihm geöffnet, da hat er kein Problem damit! Teil für Teil wird in das Haus getragen. Dort werden die Teile eingeölt und dann in ein eingefettetes Spezialpapier verpackt. Danach hat jedes Teil seinen festen Platz, an den es verbracht wird. Einen exakten Plan, wo er was verstauen kann, hat er sich vor 30 Jahren gemacht. Jetzt ist klar, was auf dem Kasten liegt, was unter dem Bett und so weiter.

      Entdeckt er während dieser Arbeiten irgendwelche Schwachstellen oder drohende Defekte, so wird dies genau protokolliert. Auf diese Weise kann er zu einem späteren Zeitpunkt für die Behebung des Problems Sorge tragen.

      Für die schwersten Teile hat er ein kleines Wägelchen, welches er einmal aus einer Werkstatt erworben hat. Zuweilen kommt auch ein Freund, der ihm hilft. Dieser Freund hat früher mit ihm in der Fabrik gearbeitet und mit ihm gemeinsam fuhr Herr Oppolzer auch auf seine erotischen Urlaube.

      Im Frühjahr wiederholt sich dann das Szenario, nur in umgekehrter Reihenfolge. Bis dahin hat er auch die Ersatzteile für schadhafte Stellen besorgt. Auf diese Weise entsteht sein Murli jedes Jahr neu und dazu gehört dann natürlich auch das Lackieren. Die Erwartung der Siedlungsbewohner ist, dass dieses Fahrzeug irgendwann eine neue Farbe bekommen würde, doch es wird jedes Jahr wieder ‚Mausgrau‘, denn so hatte er es seinerzeit gekauft und so soll es auch bleiben.

      Herr Oppolzer liebt keine Veränderungen, denn das Leben selbst ist genug Veränderung. Wenn es möglich wäre, würde er sich auch jeden Tag eine Morgenzeitung kaufen, aber nur die Gleiche wie am Vortag. Dies war nicht immer so.

      In seiner Jugend mochte er Abwechslung, aber seit der Katastrophe mit Luise hält er Neuigkeiten für schlecht oder gefährlich. Seine Gartenzwerge sind ihm eigentlich egal, aber er hatte schon vor vielen Jahren seine Obstbäume gerodet, weil sie ihm zu viel Arbeit machten. Als dann der Garten so nackt und kahl aussah, kam er auf die Idee, diesen mit Gartenzwergen zu schmücken. Immerhin brauchen diese keine Pflege, meint er jedenfalls. Früher hatte Luise immer Obstknödel, Obsttorten und andere Dinge gemacht. Herrn Oppolzers Kochkünste beschränken sich auf das Öffnen einer Konservendose und da sind Birnen, Äpfel, Pflaumen und anderes solches Gestrüpp für ihn sehr verzichtbar.

      Auch eine Heizung und warmes Wasser gibt es in seinem Häuschen nicht, da er als Naturbursche sich eine solche Weichlichkeit gar nicht angewöhnen möchte. Dafür spielt er jede Woche im Lotto, weil er das seiner Luise noch am Sterbebett versprochen hat. Was man verspricht, dies muss man auch halten. Jede Woche setzt er dieselben Zahlen. Luise sagte ihm damals auch, warum sie wollte, dass er Lotto spielt. Er sollte doch auch einmal Glück haben, einmal so richtig im Lotto absahnen und dann könnte er sich ein neues Auto kaufen. Den Tick mit den alten Autos hatte er schon immer und dies ging Luise damals ziemlich auf den Geist.

      Freitagmorgen ist Herr Oppolzer in der Lottostelle um sein Versprechen einzuhalten. Jede Woche zur selben Uhrzeit, bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit. Nur wenn er krank ist, bleibt er im Bett, denn das würde seine Luise ja von oben sehen und daher auch verstehen.

      Am Freitagnachmittag zündet er sich dann mit seinem Lottoschein seine Pfeife an, voll Genuss und Freude. Er hat Luise niemals versprochen, sich ein neues Auto anzuschaffen. Wenn er den Lottoschein in der Pfeife raucht, dann kann er gar nicht in Versuchung kommen, sollte er doch einmal das Pech haben zu gewinnen. So manches Mal hat er schon einige Richtige gehabt, aber mit dieser Methode hält er sich alle Neuigkeiten vom Hals und braucht sich auch niemals von seinem Murli zu trennen. Und nach seiner Logik ist er seiner Luise absolut treu! Das, was er versprochen hat, hält er – Woche für Woche.

      Wenn man kurz überlegt, wie viele Stunden er Jahr für Jahr mit seinem Murli in Summe verbringt, das Ganze noch über 30 Jahre, dann ist dies bestimmt mehr, als viele Menschen mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin verbringen. Viele Frauen wären glücklich, wenn der Ehemann so viel Liebe und Aufmerksamkeit aufbringen würde.

      In der Winterzeit widmet sich Herr Oppolzer dann in seiner Stadtwohnung der Philatelie. Da träumt er mit den Motiven der Briefmarken, von der großen weiten Welt und da kann er seiner Akribie voll und ganz frönen. Für ihn ist diese Welt noch heil. Da gibt es auch viele gleichgesinnte Menschen, die man dann und wann treffen kann. Zum Glück kommt er nicht auf die Idee, dass er auch mal eine wertvolle Marke besitzen könnte, denn dies hätte ihm nur neue Sorgenfalten beschert.

      Durch den jährlichen Aufbau seines Fahrzeugs erwarb auch die Umgebung Zutrauen zu seinen technischen Kenntnissen und so klopft fallweise ein anderer Bewohner an seine Tür, weil seine Hilfestellung