Название | Beispielhaft |
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Автор произведения | Claus Karst |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738073881 |
Holtz hielt danach seinen Taktstock erhoben. Bewegt schwiegen die Besucher noch einen ungewöhnlich langen Augenblick. Erst als Holtz den Taktstock endlich senkte, brach ein Beifallssturm los, der das Haus in seinen Grundfesten erschütterte. Die Lüster in den Gängen klirrten. Der Sturm verwandelte sich gar in einen Orkan, als der Vorhang sich öffnete und die drei Hauptdarsteller ihren Lohn in Empfang nahmen.
„Dein Abend!“, sagten Caro und Thomas aus einem Munde, als nach dem Vorhang der Applaus kein Ende nehmen wollte. Sie forderten Wotan auf, allein vors Publikum zu treten. Was dann geschah, hätte sich Wotan nicht im Traum vorstellen können. Das Publikum raste vor Begeisterung. Er bedankte sich sichtlich gerührt, mit Tränen in den Augen.
Minutenlang dauerten die Ovationen an, immer wieder wurden die Akteure vor den Vorhang gerufen. Unmengen von Blumensträußen landeten auf der Bühne, darunter auch ein Strauß herrlicher Rosen aus einer Rangloge.
Langsam machte sich Erschöpfung breit, sowohl auf der Bühne als auch im Saal, in den Logen und im Parkett. Als Wotan schließlich durch eine Handbewegung andeutete, dass sie inzwischen zu ausgelaugt seien, um weitere Huldigungen entgegenzunehmen, gab sich das Publikum zufrieden und entließ die Künstler, die ihm einen unvergesslichen Abend beschert hatten.
Auf der Bühne und dahinter knallten die Sektkorken. Alle Beteiligten gingen spontan zum Feiern über. Nach und nach gesellten sich Prominenz aus Gesellschaft und Kultur sowie namhafte Sponsoren hinzu. Ein schöner und langer Abschluss des Abends kündigte sich an.
Caro und Wotan begaben sich in ihre Garderoben, um sich abzuschminken und umzuziehen. Zuvor hatte Caro ihm zu verstehen gegeben, dass sie nicht lange auf der Feier zu verweilen gedenke und gerne mit ihm alleine noch ein Glas Wein trinke.
Der Sekt floss in Strömen, der Oberbürgermeister, der Vorsitzende des Theatervereins, einige Sponsoren und schließlich auch Johannes Holtz als Intendant hielten kurze Ansprachen, brachten den einen oder anderen Toast aus und schwelgten in Lobeshymnen über die Aufführung. Caro und Thomas Armsden hatten sich inzwischen ebenfalls unter das feiernde Bühnenvolk gemischt.
Die Stimmung entwickelte sich ausgelassen wie selten zuvor. Es war kaum auszumachen, ob jemand und wer vielleicht fehlte. So fiel eine Weile nicht weiter auf, dass Wotan, der Held des Abends, noch nicht erschienen war, wenn auch bekannt war, dass er solchen Feiern gerne aus dem Wege ging. Als die besorgte Caro ihn nach einiger Zeit immer noch nicht entdecken konnte und auf ihre Nachfragen auch niemanden fand, der ihn gesehen hatte, wandte sie sich an Holtz, der Tessi Braun bat, nach Wotan Ausschau zu halten. Tessi lief ohne Umschweife, mit einem Glas Sekt in der Hand, denn sie feierte gerne und ausgiebig, in Wotans Garderobe. Dort traf sie ihn zusammengebrochen und offensichtlich besinnungslos in seinem Sessel sitzend an.
Sie stieß einen Schreckensschrei aus und eilte zurück, um den Intendanten zu informieren. Unter den feiernden Gästen befand sich Professor König, Chefarzt des örtlichen Klinikums, der sich auf Holtz’ Bitte sofort um Wotan kümmerte. Ein Rettungswagen wurde herbeigerufen. Ohne dass jemand etwas davon bemerkte, wurde Wotan ins nahe Krankenhaus gefahren. Erst als dies geschehen war, rief Johannes Holtz die Hauptdarsteller und seine engsten Mitarbeiter zusammen, um sie über Wotans Zusammenbruch zu informieren.
Da die nächste Aufführung aus Termingründen erst in zwei Wochen stattfinden sollte, war Zeit, die weitere Entwicklung erst einmal abzuwarten, bevor irgendwelche Entscheidungen getroffen werden mussten. Holtz war noch immer davon überzeugt, Wotan zu einem nochmaligen Auftritt überreden zu können. Die gute Stimmung war jedoch dahin.
Caro verabschiedete sich sofort. Sie wollte noch im Klinikum vorbeischauen, um ihrem Freund Beistand zu leisten. Dort wurde sie allerdings freundlich abgewiesen. Professor König bedauerte: „Ich kann einen Besuch frühestens in zwei oder drei Tagen gestatten und im Moment nur die Familienangehörigen zulassen. Bitte haben Sie Verständnis. Besorgt begab sich Caro zurück ins Hotel.“
4. Akt (Finale)
Als Johannes Holtz drei Tage später Wotan einen ersten Besuch abstattete, um sich persönlich nach seinem Befinden zu erkundigen, stieß er an der Tür vor der Intensivstation auf Ärzte, Krankenschwestern, Wotans Frau und Tochter in großer Aufregung. Frau van Geel zeigte sich außerordentlich empört, die Tochter hatte Tränen in den Augen. Niemand wollte ihm den Grund dafür nennen. Schließlich gesellte sich auch Professor König, der Wotan im Theater die Erstversorgung geleistet hatte, zu ihnen. Er nahm Holtz und die Angehörigen beiseite und erklärte: „Es ist nicht zu glauben … Ich kann es nicht fassen … Der Patient ist weg – spurlos verschwunden, ohne jeden Hinweis, ohne jede Nachricht. Obwohl er völlig erschöpft war und gut daran getan hätte, medizinische Hilfe weiterhin in Anspruch zu nehmen, hat er sich mir nichts dir nichts aus dem Staub gemacht. Niemand hat beobachtet, wie ihm das Verschwinden gelungen sein könnte. Daher kann ich im Moment keine weiteren Details präsentieren, auch kann ich nicht sagen, ob ihm jemand dabei Hilfestellung geleistet hat. Ein solcher Vorgang kommt zwar gelegentlich vor, aber bei ihm war infolge seines Zustands nun wirklich nicht damit zu rechnen.“
Mit einer Miene purer Hilflosigkeit blickte er in die Runde, bevor er alle Diensthabenden auf der Station barsch zurechtwies und Konsequenzen androhte.
Holtz sagte zu Frau van Geel: „Ich fahre von hier zum Hotel, wo Wotan untergebracht war. Wollen Sie sich anschließen? Ich kann Sie aber auch gerne informieren, wenn ich etwas herausfinde, das weiterhilft.“
Sie vereinbarten, dass Holtz sie auf dem Laufenden hielt, falls sich etwas Konkretes ergeben würde, und verabschiedeten sich.
Im Hotel erfuhr der Intendant, dass der Gast auf telefonische Anordnung hin seine Sachen durch einen Taxifahrer vor zwei Stunden hätte abholen lassen. Holtz verstand die Welt nicht mehr, war fassungslos, machte sich Sorgen um seinen Freund. Er rief gemeinsame Bekannte an, von denen er Informationen zu erhalten hoffte, niemand hatte jedoch etwas von Wotan gehört. Auch mit Caro setzte er sich telefonisch in Verbindung, die wegen anderer Verpflichtungen abgereist war. Von ihr vermutete er am ehesten etwas zu erfahren, falls es etwas zu erfahren gab.
„Ich kann mir keinen Reim auf Wotans Verhalten machen“, sagte sie. „Ich finde keine Erklärung dafür und mache mir schwere Vorwürfe, zu wenig Zeit für ihn gefunden zu haben, obwohl ein untrügliches Gefühl mir zugeraunt hatte, dass mit Wotan Ungewöhnliches vor sich ging.“
Als es Holtz abends gelang, Wotans Frau zu erreichen, zeigte diese sich ausgesprochen reserviert und kurz angebunden.
„Wir sollten die Polizei in die Suche einschalten, Frau van Geel“, schlug er vor.
„Daran habe ich auch schon gedacht“, entgegnete sie zustimmend.
„Haben Sie wirklich keine Idee, wo er sich aufhalten könnte?“, fragte er.
„Sie glauben, meinen Mann zu kennen? Nein, Sie kennen ihn nicht!“
Damit beendete Frieda van Geel das Gespräch und ließ einen verwunderten Johannes Holtz zurück, der mit seiner Weisheit am Ende war.
Der Intendant benachrichtigte anschließend die Medien, dass die nächsten Aufführungen des Rigoletto erst einmal abgesetzt würden. Die Abonnenten hofften, nach der grandiosen Premiere natürlich dieselbe Besetzung zu sehen. Der Zusammenbruch von Wotan van Geel und sein Abtauchen ließ sich eh nicht lange verheimlichen. Holtz ging in die Offensive. Er bereitete für die Medien ein vages Statement vor, das alles und nichts bedeuten konnte, sprach von Wotans ihm gegenüber geäußerter Absicht, „sich erholen zu wollen“. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Freund ihn hängen ließ, ohne ihm eine Begründung dafür zu liefern. Natürlich, Wotan hatte ihm nur für die Jubiläumsveranstaltung eine Zusage gegeben. Dennoch war er sich der trügerischen Hoffnung verfallen, mit der Erstbesetzung noch den einen oder anderen Abend durchzuführen, besonders nach dem grandiosen Erfolg. Es würde seinem schmalen Budget gut bekommen.
Am