Название | Jesusse |
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Автор произведения | Leon Skip |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847699767 |
Vor dem Ausgang der Kuppel empfing ihn eine Dame aus dem indigiofarbenen Team. Sie streckte ihre Hand in Richtung seines Brustbeins aus und Langlois wich zurück, aus Angst, die Frau würde ihm die Hand auf die Brust legen wollen. Sie hatte aber andere Absichten. Sie griff sich seine ID-Card, um sie über das Lesgerät zu ziehen. Erst nachdem sie mit einem Lächeln ihre guten Absichten zum Ausdruck gebracht hatte, entspannte sich Langlois und die Prozedur konnte erfolgreich über die Bühne gebracht werden. Das Lesegerät gab einen Piepton von sich und das war für sie das Zeichen, sich in Bewegung zu setzen.
Der Priester war bestürzt, wie sehr er erschrocken war, als sie ihn fast berührt hatte. Was war denn da so schrecklich daran? Er sollte sich vielleicht wieder mal eine Massage gönnen, sich bewusst berühren lassen. Stand denn irgendwo geschrieben, dass Priester keinen Körperkontakt haben durften?
Die Indigo-Frau verdrehte den Kopf und verkündete über ihre Schulter, dass sie Dana hieß, dass der Heiland wartete und dass alle schon gespannt wären, was er, Langlois zu erzählen hätte. Dieser hatte sich drei Geschichten zurechtgelegt - allesamt reale Träume, die er in den letzten Tagen durchlebt hatte und die alle mit J.S. zu tun hatten. Ein paar pikante Details würde er wohl auslassen müssen. Wenn er bewusst an diese Einzelheiten dächte, wurde die To-Do-Liste für seine nächste Beichte unüberschaubar, also verdrängte er diese unangenehmen, ja, unappetitlichen Traumsequenzen und fokussierte seine Gedanken auf die jugendfreien Teile. Immerhin: Er hätte ein paar schöne Geschichten zu erzählen. Und: Er hatte sich fest vorgenommen, J.S. nach der ersten Geschichte mit Weihrauch anzupusten, um ihm den Dämon auszutreiben.
Sie standen vor der zentralen Kuppel. Es war kurz vor halb acht und die Sonne beschoss jetzt den indischen Ozean mit ihren Neutrinoschauern. Die rund um den künstlichen Krater verlaufende Böschung erweckte den Eindruck eines herangezoomten Horizonts. Als die Sonne den Kraterrand erreichte, ging alles ganz schnell: Zuerst warf sie die extrem langen Schatten der am höchsten Punkt des Hanges wachsenden Bäume auf die Rasenflächen zwischen den Kuppeln und, noch deutlicher kontrastierend, auf die große Hauptkuppel und das flüssige Gold der Photonen des Gestirns vermischte sich mit dem weiß-goldenen Mosaik der Fliesen am unteren Kuppelrand. Der Effekt, den die letzten Sonnenstrahlen hervorriefen, war ein Flimmern und Flackern in Gold und Silber; das Schauspiel dauerte aber nur ein, vielleicht zwei Minuten, dann war das Gestirn verschwunden und es wurde übergangslos die indirekte Beleuchtung durch die von unten rosa angestrahlten Zirrus-Wolken wirksam und nun verwandelte sich die sandfarbene Kuppel in ein anilinrosarotes, dann alpenrosarotes parabolisches Gebilde, scheinbar materielos, überlagert von den durch die Höhenwinde ausgefransten Federwolken.
Dana legte ihre ID-Card auf das Lesegerät und mit dem Klicken der schweren Doppeltüre schalteten sich im gleichen Moment rund um die Kuppeln auf dem ganzen Gelände die Rasensprinkler ein und verbreiteten augenblicklich eine angenehme Luftfeuchtigkeit. Davon bekam Langlois allerdings nichts mehr mit. Dana führte ihn in eine Schleuse, Langlois hörte ein weiteres Klicken und sein Blick verlor sich in einer weitläufigen Halle, deren Decke, ganz im Stile Gaudis, mit parabelförmigen Bögen gestützt war. Rechts und links des Mittelganges waren, anders als gewöhnlich in Kirchen, keine Holzbänke, sondern verstellbare ergonomische Liegen aneinander gereiht. Sie glichen modernen, körpergerechten Sonnenliegen und irgendwie erwartete man sich da vorne einen Strand, sah aber eine Bühne, auf der perspektivisch sich verkleinernde, mit schwarzem Samt bespannte Rahmen standen. Der größte der Rahmen an der Vorderkante der Bühne war drei Meter breit und sicherlich acht Meter hoch, vier Meter dahinter stand ein kleinerer, schmalerer und wieder einige Meter dahinter ein noch kleinerer. Wozu diese Anordnung diente, verschloss sich Langlois´ Wissen.
Der Boden des Mittelganges war ein Mosaik aus Motiven der Genesis. Man konnte auf den ersten Blick sehen, dass dies keine billige Arbeit aus Fliesenscherben war, sondern eine Komposition aus speziell angefertigtem Tongut, das mit teuren Glasuren in absolut naturnahen Farben sowie Gold- und Silbertönen versehen war. Jeder der sieben Teile der Schöpfungsgeschichte war in ein anderes Licht getaucht als das jeweils vorherige und der Blick verlor sich solchermaßen in einem irritierenden farblichen Spektrum, das der gewohnten Wahrnehmung einen Streich zu spielen schien.
Nahe des Eingangs sah man die Erschaffung des Lichts; wenn man den Gang in Richtung der Bühne abschritt, erschienen die Errichtung des Himmelsgewölbes, die Trennung von Land und Wasser sowie die Erschaffung der Pflanzen, gefolgt von den Himmelkörpern, die am Himmelsgewölbe angebracht werden und einer Prozession von Meerestieren und Vögeln, Landtieren und Mann und Weib. Mann und Weib waren links und rechts einer goldenen, polierten Fläche von zwei Metern Durchmesser unmittelbar vor der Bühne abgebildet und diese Fläche brauchte keine Beleuchtung von oben – sie strahlte selbst in einem Licht, vergleichbar mit dem einer Höhensonne. Woher das Licht kam, konnte Langlois nicht erkennen.
Alle Elemente im Raum waren mit Motiven der Fauna und Flora in naturnahen, weichen Formen verziert. Es gab keine einzige scharfe Kante und der durchdringende Geruch von frisch verbranntem Weihrauch dominierte den Zeremonienraum. Langlois stand vor einer der Räucherschalen und war der Verzweiflung nahe. Nicht nur, dass diese Ketzer Weihrauch verbrannten, nein, er war sich sogar sicher, dass dies arabischer Weihrauch allerhöchster Güte war, genau der, den er selbst für seine Arbeit als Exorzist bevorzugte. Er entspannte die Hand in seiner Gesäßtasche, da er realisierte, dass er das kleine elektronische Räuchergerät krampfhaft umklammert hatte. Der Schweiß rann ihm in Strömen den Rücken hinab und die Knie versagten ihm den Dienst, so dass er sich am liebsten in einen der einladenden Liegestühle gelegt hätte.
Was sollte er jetzt machen? Wenn er mit Weihrauch nicht weiterkam, wie den Teufel austreiben? Wie sollte er nun die Dämonen dingfest machen, die sich in diesen verlorenen Seelen eingenistet hatten? Was konnte er jetzt noch ausrichten im steten Kampf des Guten gegen das Böse. Er hätte zu gerne Origenes, zur Not sogar Padre Amorth, den obersten Exorzisten Roms, um Rat gefragt. Was hätten diese beiden standfesten Pfeiler des Glaubens in solcher Situation getan, welche Handlungsweise empfohlen? Doch Origenes war seit Jahrhunderten tot und Amorth war in Rom; Langlois war auf sich allein gestellt.
Dana führte ihn zu einer Tür an der rechten Seite der Bühne, öffnete sie und dann stiegen sie einige Stufen hinab, um sich in einem Gang wiederzufinden, der im gleichen Stil Gaudis mit einer parabolischen Decke versehen war und dessen Wände mit grün-goldenen Blättern und Ranken dekoriert waren.
Am Ende des Ganges stand J.S. und besprach sich gerade mit einer Indigo-Frau.
»Ah, der Träumer!« Er schien ehrlich erfreut, als er Langlois sah und ging ihm sogar einige Schritte entgegen. Abraham John Smith, alias J.S., gelernter Sonderschullehrer, einsachtzig groß, mit schulterlangem, dünnem und weizenfarbenem Haar und, trotz seiner jungenhaften Erscheinung, mit ausgeprägten Falten um die Mundwinkel und auf der Stirn, die entweder von humorvollem Gemüt zeugten oder das Ergebnis eines sorgenvollen Lebens sein konnten, laut eigenen Angaben Jesus von Nazareth, Sohn Gottes, wiedergekehrt zur Errettung der Welt, streckte Prêtre Jaques Langlois, seines Zeichens Fels in der Brandung im Kampf gegen Häresie und Ketzerei, die Hand zum Gruß entgegen. Die Situation hätte nicht unwirklicher sein können.
»Kommen Sie, kommen Sie.« Mit würdevollem, gemessenem Schritt und mit einer Hand zwischen Langlois´ Schulterblättern schob er diesen in den Raum am Ende des Ganges. Wieder zuckte der Priester, als er berührt wurde.
»Bitte setzen Sie sich.« Der Raum war klein und gemütlich, guten Geschmack konnte man J.S. nicht absprechen, das sicher nicht. Ein Giacometti hier, ein Warhol da, eine Apollo nachempfundene Statue im kubistischen Stil, in der Mitte des kreisrunden Raumes ein mindestens vier Zentimeter hoher, kreisrunder Teppich in Bordeauxrot, darauf eine schneeweiße Sitzlandschaft, bezogen mit gerippter Baumwolle. Die einzigen Lichtquellen im Raum waren vier Stehlampen, die wie von magischer Hand geplant nicht zuviel und nicht zuwenig Helligkeit abgaben und