Название | Dem Leben dienen |
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Автор произведения | Peter Spönlein |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738049060 |
Das „Vaterunser“ als christliches Glaubenbekenntnis
Eine die Schöpfung, das Leben und die menschliche Kulturgestaltung verneinende Mystik der Vergangenheit, sei es in östlichen Religionen oder im westlichen Christentum, das durchaus eine „Verachtung der Welt“ kennt, muß überwunden werden, damit die mystische Vereinigung des Menschen mit dem unendlichen Sein in einen kulturschöpferischen Prozeß einmünden kann. Menschen, die in christlicher Spiritualität und in der „Ehrfurcht vor dem Leben“ den Sinn ihres Lebens sehen, ist die Bitte des Vaterunsers „Dein Reich komme“ das zentrale Herzensanliegen, das nach Verwirklichung in der Gegenwart drängt und nicht als Hoffnung auf einen „Jüngsten Tag“ vertagt werden kann.
Albert Schweitzer hat deshalb das Vaterunser (Mt 6.7-15) den „Polarstern des christlichen Glaubens“ genannt und darin das wesentliche und umfassende christliche Glaubensbekenntnis gesehen: „Das Bekenntnis, in dem die Christen aller Konfessionen sich zusammenfinden können? Jesus hat es verfaßt in Form eines Gebetes, das wir alle gemeinsam haben: das Vaterunser. Hier ist ein Bekenntnis, das von sich aus alles Wesentliche enthält. ... Das Erwarten des Reiches muß für uns zum Wollen des Verwirklichens desselben in dieser Welt werden. Gerade dadurch werden wir Christen im ursprünglichen Sinn. ... Man wirft dem neuzeitlichen Glauben vor, daß er zu sehr Diesseitsreligion sei. Es gibt aber nichts Diesseitigeres als das Vaterunser. Alle seine Bitten gehen ja auf das Reich Gottes, das auf Erden Gestalt gewinnen soll.“
Natur und Schöpfung als „göttliches Milieu“
Hier begegnen sich die geistigen Wege des mystischen Ethikers Albert Schweitzer und des Mystikers der Schöpfung Pierre Teilhard de Chardin: Beide sind prophetische Wegweiser in unserer Epoche eines menschheitsgeschichtlichen Wandels. Und beide sind glühende Zeugen für ein kulturschöpferisches Christentum, das die vielfältige Problematik der Welt nicht nur passiv erduldet, sondern aktiv und kreativ an praktischen Lösungen arbeitet aus dem Geist des Gottesreiches, das auf allseitige Ergänzung und Gemeinschaft allen Lebens ausgerichtet ist. Für den Jesuitenpater und Naturforscher Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955) geht es darum, daß wir Menschen uns an die in der Evolution der Schöpfung bereits wirksame göttliche Energie anschließen und mit ihr auf eine zunehmende Einigung allen Lebens hinwirken. Seitdem der Mensch in der Evolution des Lebens auftritt, fällt ihm die Verantwortung zu für diesen Fortschritt allen Lebens zur Einheit. Die große geistige Tat des Jesuitenpaters liegt darin, daß er die Schöpfung und die Natur nicht mehr als totes oder belebtes Material oder als einen biochemischen Mechanismus sieht, wie es unsere moderne Naturwissenschaft zu tun pflegt. Er versteht sie vielmehr als ein „göttliches Milieu“ , als einen Ort der Gegenwart und des Wirkens Gottes, einen Ort der „Diaphanie“, des „Durchscheinens“ Gottes. Teilhard de Chardin legt ein glühendes Bekenntnis dafür ab, daß „die Transparenz Gottes im Universum das große Geheimnis des Christentums sei.“ Anders ausgedrückt: Der innerste lebendige Kern der Schöpfung und aller Geschöpfe, einschließlich des Menschen, ist Gott selbst. Pierre Teilhard de Chardin spricht vom „Geist der Materie“ und vom „Herzen der Materie“, er spricht von der vom Geist Gottes durchströmten Lebendigkeit der Materie und der Schöpfung. Auch für Albert Schweitzer „steht fest, daß sie (die Evolution des Lebendigen) sich unter dem Einfluß eines uns unvorstellbaren Geistigen vollzieht.“
Teilhard de Chardin sieht die gesamte Evolution durch Jahrmillionen hindurch gekennzeichnet von einem Weg zunehmender Komplexität, Verinnerlichung, Vergeistigung und Einigung, eine Dynamik, die man auch in der Entwicklung der Geistes- und Religionsgeschichte der Menschheit und selbst in ihren Krisen- und Zerfallserscheinungen erkennen kann: Lebensformen und Entscheidungen, die einer weiteren Entwicklung des Lebens nicht mehr dienen können, führen in der Menschheitsgeschichte früher oder später in eine Sackgasse und in kulturellen Zerfall.
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