Das ungeteilte Vertrauen. Norbert Johannes Prenner

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Название Das ungeteilte Vertrauen
Автор произведения Norbert Johannes Prenner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738082258



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politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben zu führen.“ „Oh, welch später Wandel!“ ätzte Erich und trank von seinem Bier. „Genau! Man soll die Hoffnung nie aufgeben, sag´ich immer. Ist ja auch unser wichtigster Faktor in diesem Land, so wie wir dastehn.“

      „Und das, Erich, kannst du denen morgen in der Sitzung mitteilen, dass erwartet wird, nur Mitglieder zuzulassen von denen erwartet werden kann, dass sie an diesem Kampf rückhaltlos teilnehmen, wenn sie brauchbare Mitglieder dieser Gesellschaft sein wollen!“ „Darauf trinken wir!“ lachte Erich und sie hoben die Gläser. Die Amerikaner hoben die Köpfe und schauten mit ernsten Mienen zu ihnen herüber. „Sind wir schon eine Versammlung, oder was?“ brummte Carl und zwinkerte Erich verschmitzt zu. „Hoffentlich fangen sie in den eigenen Reihen an.“ meine Erich nachdenklich. Carl nickte. „Geh´, Herr Franz, bringen Sie uns zwei Virginier? Und Zünder täten wir auch brauchen,“ orderte Carl. „Auf alle Fälle kommt es darauf an, wer im Vorstand ist, oder?“ fragte Erich. „Warum, es gibt doch Richtlinien, die erst beschlossen worden sind. Einer der wenigen Vereine mit Grundsätzen!“ stellte Carl klar. „Mit ehrenhaften, hoffentlich.“ Sie schwiegen eine Zeit lang. Der Ober brachte die Virginier auf einem silbernen Tablett. „Nobel, was?“ lachte Carl.

      Nachdem sie die Zigarren angezündet und dichte Wolken in den Raum geblasen hatten, meinte Erich:“ Nein, kommt nicht in Frage. Es darf niemand aufgenommen werden, wer etwas zu verbergen hat. Das müssen wir durch-setzen. „Und? Was passiert mit den Privilegierten?“, fragte Carl? „Gibt es die?“ „Hast du eine Ahnung! Na schön, es mag Ausnahmefälle geben, wenn schwerwiegende Fälle vorliegen.“ „Mein ich ja, Erich!“ „Etwa dann, wenn außerordentliche Verdienste um die Befrei-ung unseres Landes vorliegen oder so?“ „Wirst schwer finden in diesen Kreisen, glaubst nicht?“ antwortete Carl amüsiert. „Ist ja egal. Denk´ zum Beispiel an die Eva Müller und an den Erwin Javorsky, die beiden Schmierfinken. Solchen Leuten darf man einfach keine Chance geben. Sie war Schriftführerin, er hat die Beiträge geliefert – fest steht auf alle Fälle, wer je in diesem Bereich tätig war, wer jemals für den Nationalsozialismus eingetreten ist oder seine Verlängerung gefordert hat, soll als Journalist in einem demokratischen Land nichts zu melden haben!“ „Dein Wort in Gottes Ohr. Prost, Erich“, lachte Carl und fügte hinzu, „aber eines kannst du glauben, die werden alle ordentlich unter die Lupe genommen, verlass´ dich drauf.

      Erinnere dich, sie haben auch alle Polizisten entlassen, die im Naziarbeitseinsatz als Lohnempfänger verwendet worden sind. Warum soll´s bei den Journalisten anders sein, frag ich mich? Ich sage dir, du machst dir keine Vorstellungen, welche Phantasien so manche ‚Kollegen‘ entwickelt haben, um ihre publizistische Tätigkeit für das Nazi-Regime zu recht-fertigen, um eine Berufserlaubnis zu erhalten. Ich weiß das, weil es mir Paul erzählt hat. Unglaublich, sag´ ich dir“. Erich nickte verständnisvoll. Carl, der aus vollem Halse lachen musste, fuhr fort:“ Du kennst doch auch den Zeller, nein? Der soll sich vor dem Reichsverband der deutschen Presse nur deshalb auf seine vor 1938 geschriebenen pronazistischen Artikel berufen haben, um zusätzliche Gut-punkte für seine Beförderung zum Redakteur vorweisen zu können. Was sagt man dazu?“

      „Manchen ist wirklich nichts zu blöd, um eine weiße Weste vorzutäuschen, in der Tat.“ „Warte, das Beste kommt noch, weil ihm der Untersuchungsausschuss nämlich diese Argumente abgenommen hat und – du wirst es nicht glauben, sie haben seinem Antrag um Aufnahme in die Gewerkschaft zugestimmt. Bummsti!“ Carl hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen. Erbost drehte sich ein älterer Herr mit Nickelbrille an dem kleinen runden Tisch hinter ihnen um und warf Carl strafende Blicke zu. „Ja, wenn das so auch geht?“ staunte Erich. „Natürlich, alles geht, wenn du einen guten Schmäh hast bei uns in Österreich, alles, Erich, alles!“ Carl zündete die erloschene Virginier abermals an. „Was die alles im Ausschuss zu hören kriegen, da stellt´s dir die Haare zu Berge, das kannst´ mir glauben. Ein Regimekonformer, im Reichsverbandsakt eindeutig registriert, mit Punkt und Komma, bestreitet seine NSDAP-Mitgliedschaft und hat echte Dokumente vorgelegt, die ihn als Widerstandskämpfer ausweisen. Den haben sie auch aufgenommen. Na, da sagst nix mehr, was?“

      Erich schüttelte nur ungläubig den Kopf und schaute zum wiederholten Male auf seine Uhr. „Oder, der, der – dieser Wilfinger, genau“, fügte Carl hinzu, „ hat nach dem 11. März 38 nur mehr im braunen Hemd geschrieben. Der war weder Chef-redakteur noch sonst irgendwas Bedeutendes, das Würschtl, und trotzdem waren alle von seiner Gunst abhängig. Jud´ möcht´ ich bei dem nicht gewesen sein, ehrlich, auf die war er ganz besonders scharf, weil von denen alle was können haben und er keinem von ihnen das Wasser reichen konnte. So war das, hmm!“ „Ja, den kenn´ ich auch“, erwiderte Erich, „ der hat doch in dem Rekursverfahren damals den journalistischen ‚Goldfasan’ herauskehren wollen, dass er 1938 ‚getarnt’ agiert hätte. Nur hat er leider vergessen, wovor er sich mit seiner Tarnung hatte schützen wollen, und dann haben sie ihn abgelehnt.“ Die beiden brachen in schallendes Gelächter aus.

      Im gleichen Augenblick vernahm man das Klirren zerschlagenen Porzellans aus der Küche. „Na alsdann, jetzt hamma´s!“ schimpfte Herr Franz und stürmte durch die Schwingtür in die Küche, um nach dem Rechten zu sehen. „Was ist denn das für eine Aufregung?“, empörte sich der ältere Herr am runden Tischchen, „hier kann man nicht einmal mehr in Ruhe seine Zeitung lesen!“ Indessen war die Unbekannte am Fenster aufgestanden. Sie schien wirklich hoch gewachsen, nicht nur wegen der Stöckelschuhe die sie trug, und sie war gertenschlank. Carl und Erich verrenkten sich beinahe die Hälse nach ihr. Sie schlüpfte in einen dunklen Pelz, in den ihr Herr Franz aufmerksam geholfen hatte, und trat grußlos aus dem Café auf die Straße. „Nicht schlecht, würd´ ich sagen, was, mein Lieber?“ Carl paffte an seiner Virginier. Erich dämpfte die seine im Aschenbecher aus. „Ich bin schon neugierig, was die in Moskau wieder ausverhandelt haben“, fuhr er fort, „der Marshall hat gesagt, dass die Verhandlungen über den Staatsvertrag restlos gescheitert sind.“

      „Ich hab´ gehört, dass die UNO im September die Verhandlungen fortführen soll.“ „Bitte, jetzt haben wir April. Glaubst du, die bringen bis dahin mehr zusammen? Wenn du mich fragst, ich nicht. Der Karren ist doch total verfahren.“ „Außerdem wollen sich die alle in Genf treffen.“ „Als ob´s dort was anderes wär´, lächerlich!“, ärgerte sich Carl. „Der Molotow wird eine Kommission einsetzen, hört man.“ „Was für eine Kommission?“ fragte Carl. „Na, zur Beratung vom Vertrag eben“, antwortete Erich. „Ah ja. Is´ mir langsam auch Wurscht. Ich mein´, wir können ja eh nix ändern, oder?“ In der Zwischenzeit hatten die Amerikaner die x-te Runde Bier bestellt. „Ich glaub´, ich bin im falschen Land geboren worden, Erich“ seufzte Carl, und blickte traurig in sein leeres Glas, hob es hoch, drehte es um und ließ die letzten Tropfen auf den am Tisch liegenden Bierdeckel fallen. „Ich komm´ zu spät, Carl, wenn ich jetzt nicht geh´. Ich danke dir schön für die Einladung. Ruf mich am Abend in der Redaktion an, dann sag´ ich dir Bescheid wegen der Sitzung.“ „Nix zu danken, und – bleib sauber!“ rief dieser Erich nach.

      Kapitel 2

      Stephansplatz, 17 Uhr 10 Erich völlig außer Atem: „Maria, es tut mir Leid, ehrlich. Carl hat mich so lange aufgehalten.“ Sie umarmten sich innig und küssten sich leidenschaftlich. „Mach dir keine Gedanken, ich bin selber erst seit zwei Minuten hier. Die Franzi hat mir gesagt, wir könnten übers Wochenende ins Strandhotel am Wallersee fahren. Sie möchte´ uns gerne einladen, du .... mein Gott, hast du dich heute schon in den Spiegel gesehen, also ... wie du ausschaust – blass, Ringe unter den Augen! Heute wird aber geschlafen, hörst du? Du rührst mir die Schreibmaschine nicht mehr an vor morgen früh, verstan-den?“ „Ja, mein Schatz, alles mein Schatz. Nur, weiß deine Franzi überhaupt, ob es noch freie Zimmer gibt am Wallersee? Hast du eine Ahnung, was dort los ist in letzter Zeit! Lauter erholungsbedürftige Journalisten! Und denkst du an die verlausten Decken voriges Jahr?“ „Geh, sei nicht so zimperlich, Erich. So schlimm waren die auch nicht. Ein bisserl gekratzt haben sie halt. Das was alles. Aber vielleicht ist heuer schon wieder alles anders, besser.

      Lassen wir uns einfach überraschen, und die Franzi ruft ohnehin vorher an, hat sie gesagt.“ „Vielleicht hast du Recht. Weißt du noch wie Carl damals in letzter Minute ein