Название | Piraten, Gouda und Genever |
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Автор произведения | Claus Beese |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742745620 |
»Und warum hast du die Wände mit blass orangefarbener Schaumstofftapete beklebt? Ist die etwa maritim?«, fauchte mein Bootsmaat.
»Nicht direkt, dafür isoliert sie aber gut, und es war die einzige im Laden!«
»Also, wenn sie mich fragen, ich würde sagen, zu einem maritimen Blass-Orange passt immer wieder ein maritimes hellbraun«, überraschte uns die Herrin über tausend Stoffballen mit unerwarteter Fachkenntnis. Donnerwetter! Es geht doch nichts über geschulte Fachkräfte. Zielsicher griff die Verkäuferin einen Ballen mit relativ nichtssagendem Muster in bräunlicher Färbung aus dem Stapel. Er rief zwar keine Begeisterungsstürme bei uns hervor, aber er verursachte auch keinen Brechreiz, war bezahlbar und schön flauschig. Dazu gab es passende Reißverschlüsse in allen nur denkbaren Längen und Kilometerweise passendes Nähgarn. Was also wollte der kleine Heimwerker mehr?
Als nächstes wurde der Wagen ausquartiert und die Garage zu einer Schneiderei umgestaltet. Zuschneide-Tische wurden installiert, Nähmaschinen in der Verwandtschaft eingesammelt und aufgestellt, Scheren und Teppichmesser gewetzt und Unmengen an Nadeln bereitgestellt. Mit Elan stürzten wir uns auf die Arbeit, frei nach dem Motto: wenn für andere eine Herausforderung zum Problem wird, machen wir aus dem Problem eine Herausforderung. Nichts würde uns stoppen. Die Vorstellung, dass bald Schluss mit den Tagestouren sein könnte, war verlockend. Nie wieder für eine Mütze voll Schlaf abends zurück an den Steg um dann nach Hause zu fahren. Die Zeiten waren vorbei, wenn wir erst einmal unsere Betten an Bord hatten.
Wir nahmen gehörig Maß, rechneten hin und her und waren überrascht, dass nach mehrmaligem Abschneiden der Stoff immer noch zu kurz war. Na, was sollte es? Ein bisschen Schwund gibt es immer. Aber man lernt ja auch aus den Fehlern und schon nach den ersten paar verschnittenen Quadratmetern wussten wir, worauf es ankam. Der Ballen Stoff, von dem wir großzügig abschnitten, wurde eigenartigerweise kaum kleiner. Waren denn zwanzig Quadratmeter wirklich so viel? Oder hatte ich mich irgendwie vertan? Na ja, in Mathe war ich nie wirklich gut gewesen, und jetzt hatten wir eben den Vorteil, dass trotz des Verschnitts noch ausreichend Material da war. Mein holdes weibliches Schneiderlein saß an der Maschine und ratterte die ersten Nähte herunter. Ich war stolz auf sie. Hach, dieses Frauenzimmer war einfach ein Hans Dampf in allen Gassen. Es gab kaum etwas, was sie nicht fertig brachte. Auch die zehn Nähnadeln, die sie am ersten Tag benötigte, brach sie nicht etwa einfach nur entzwei. Nein! Sie zerbröselte sie sauber in viele kleine Teile!
Richtig Spaß hatten wir, als sie versuchte, den ersten Reißverschluss einzusetzen. Die Stofflagen waren nun so dick geworden, dass die Nadel kaum mehr hindurch drang. Ich Schnitt gerade ein weiteres Bezugteil zu, als mir ein eigenartiger Geruch in die Nase stach. Donnerwetter! Das roch ja, als ob …! Ja, wirklich, als ob hier irgendetwas brannte. Im gleichen Moment sprang meine Nähmaschinen-Pilotin mit einem Schreckensschrei auf und flitzte aus der Garage. Die Nähmaschine, vor der sie gesessen hatte, hauchte soeben ihre Seele in Form von kleinen weißen Wölkchen aus. Aha! Klarer Fall von „Ich ergebe mich freiwillig!“, oder, wie ich es eher interpretieren würde: „Feigheit vor dem Feind!“ Kleine lustige Flämmchen schlugen aus dem Chassis und leckten an der Kunststoffverkleidung empor.
Im nächsten Moment flog die Tür wieder auf und mein unerschrockener weiblicher Feuerlöscher trat in Aktion. Ein Zehn-Liter-Eimer voll Wasser löschte den Brand, machte aber zu allem Überfluss aus unserer Schneiderei einen Swimming-Pool. Ich schaute mir die Sauerei schweigend an, dann warf ich meinem holden Weib einen strafenden Blick zu.
»Du bist immer ein wenig drastisch in deinen Maßnahmen!«, tadelte ich kopfschüttelnd und duckte mich rechtzeitig vor dem im Anflug befindlichen Wassereimer.
»Houston, wir haben ein Problem«, ulkte meine bessere Hälfte, als wir den Löschteich wieder in den Eimer zurück feudelten. »Wir haben zwar noch einige Nähmaschinen hier stehen, aber hast du dir die mal angesehen? Ich glaube, die Maschine, die ich eben um die Ecke gebracht habe, war die mit dem stärksten Motor. Die anderen könnte ich ebenso gut gleich anstecken. Mit denen brauche ich gar nicht anzufangen.«
Ich inspizierte unseren Maschinenpark. Mein Gott, stellte ich erschüttert fest, ich war von armen Leuten umgeben. Niemand aus der Verwandtschaft schien genug Geld zu haben, um sich eine wirklich vernünftige Nähmaschine leisten zu können. Eine, die man sich ganz und gar ohne schlechtes Gewissen ausleihen konnte um notfalls auch mal Persenningstoff nähen zu können. Dabei wussten alle ganz genau, dass sie nunmehr Freizeitskipper in der Familie hatten! Da musste man doch einfach damit rechnen, dass die eine solche Maschine mal benötigen würden. Aber das war wieder typisch. Jeder dachte nur an sich, und keiner an uns!
»Dann nähen wir eben zu Fuß!«, entschied ich leichthin. Früher, als es noch keine Maschinen gab, hatten die Menschen so etwas ja auch hingekriegt. Mein holdes Weib machte sich seufzend an die Arbeit und stellte dabei überrascht fest, dass ihr Daumen weit weniger belastbar war, als sie angenommen hatte. Die Nadel ging den Weg des geringsten Widerstandes und bohrte sich in ihr Fleisch anstatt in den Stoff. Als ausgebildeter Sanitäter besah ich mir den Schaden an ihrem Finger, und als sie von mir forderte, ich solle ihr die Nadel aus demselben ziehen, griff ich beherzt zu …und fiel in Ohnmacht. Wutschnaubend versorgte sie erst mal ihren schlimmen Daumen, um dann mit einem kurzen Seitenblick auf mich wieder nach dem Zehn-Liter-Eimer zu greifen. Erneut setzte sie die Näherei unter Wasser, was sie anscheinend als Erste-Hilfe-Maßnahme bei Ohnmacht verstand. Gurgelnd und prustend kam ich zu mir.
»Muss das sein?«, fragte ich anklagend. »Du bist immer gleich so drastisch in deinen Maßn…!« Diesmal war ich zu langsam. Der Eimer traf und in Zeitlupe und mit erhobenem Zeigefinger kippte ich wieder hintenüber.
»Schlaffi!«, schnaubte sie verächtlich und fing an, um mich herum die Wasserlachen aufzuwischen.
Ich kaufte Fingerhüte en gros, schnitt aus dickem Leder Handballenschützer und griff schließlich sogar zum äußersten Mittel: Nachdem die Hände meines holden Weibes zu fast nichts mehr zu gebrauchen waren, begann ich selber zu nähen. Ja, wirklich! Man musste schon bereit sein Opfer zu bringen. Meter um Meter kämpfte ich mich durch den Stoff, und wenn auch die Nähte nicht unbedingt die schönsten waren, so würden sie doch für die Ewigkeit halten. Zwischendurch steckte ich die verpflasterten Finger immer wieder in den Zehn-Liter-Eimer mit Eiswasser, den mir mein treusorgendes Eheweib hingestellt hatte.
Dann kam der große Moment. Mit Freudentränen in den Augen und Händen, die aussahen als hätte ich mit einem Stachelschwein gerungen, machte ich den letzten Stich am letzten Polster.
»Jjjjja! Geschafft!«, jubelte ich und fühlte mich unendlich gut. Die Tür flog auf und meine beiden Meerjungfrauen stürmten herein.
»Hurra, hurra, hurra!« rief unser Leichtmatrose und schwenkte die Gläser, während mein holdes Weib den Draht vom Hals der Sektflasche tüddelte. Mit lautem Knall flog der Proppen aus der Flasche, sauste als Querschläger durch die ganze Garage und traf… mich!
»Ohhhh! Nich schon wieder…«, säuselte ich und verdrehte die Augen. »Ndu mist immer scho drassssdischhhhh…!« Es hieb mir die Beine unter dem Achtersteven weg und die Bootspolster bestanden ihre erste Bewährungsprobe. Sanft bremsten sie meinen Fall, als ich mitten in sie hineinschlug.
»Mama! Ich glaube, Papa verträgt keinen Sekt. Der fällt ja schon um, bevor er was getrunken hat!«
»Muss wohl an der Marke liegen!«, murmelte mein weiblicher Barmixer erstaunt. »Reich mir mal den Eimer Wasser da rüber, Claudia!« ......
Spuklichter und Podderaale
»Irgendwie bin ich froh, dass euch die Polster auf eurem ersten Kahn damals denn doch noch gelungen sind«, meinte Heinz und schob die Kirchentür hinter sich zu. »Ohne die Dinger wären wir doch damals nie zum Poddern rausgefahren und die ganze Sache wäre katastrophal ausgegangen.«
Der Verdener Dom war schon ein imposantes Bauwerk und auch die Innenarchitektur des Gotteshauses konnte sich sehen lassen. Wir hatten beschlossen, uns die Innenstadt ein wenig näher anzusehen. Als unsere Frauen zum Generalangriff auf den Verdener Einzelhandel geblasen hatten, war