Undercover - Auftrag. Jürgen H. Ruhr

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Название Undercover - Auftrag
Автор произведения Jürgen H. Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738044966



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lernte ich dadurch, auf die Strömung zu achten.

      „Da ist der Eingang“, hörte ich Chrissi bemerken. Ich rüttelte an der Eingangstüre. Verschlossen. Damit hatte natürlich niemand gerechnet! „Verschlossen“, merkte ich überflüssigerweise an. „Das war‘s dann wohl.“ Wie lange würde es dauern, bis Heyer hier wäre? Allerdings schien der sich noch in der Kneipe aufzuhalten, denn von Sam kam ja noch keine entsprechende Meldung. Christine grinste mich an und zog einen Dietrich aus der Tasche. „Keine Sorge, Jonathan. Sam hat an alles gedacht.“ Dann öffnete sie ohne Probleme die Tür.

      Puh, der erste Teil unserer Aktion war geschafft! Den Aufzug fanden wir dank unserer Vorbereitungen direkt und rasch betätigte ich den Rufknopf. Rumpelnd setzte sich im Innern des Aufzugschachts etwas in Bewegung.

      „Sam hat sich noch nicht gemeldet“, raunte ich Chrissi zu, während wir auf den Aufzug warteten. „Ob die noch in der Kneipe sind?“ Meine Kollegin tippte auf ihr Headset am Ohr: „Ich weiß, Jonathan. Schließlich höre ich ja mit. Aber vermutlich sind die beiden wirklich noch in dem Lokal. Sonst wüssten wir ja schon etwas.“

      Plötzlich klang Sams Stimme aus dem Headset: „Die Beiden haben gerade das Lokal verlassen. Also Leute, auf eure Posten! Es dürfte nicht lange dauern, bis sie das Hochhaus erreichen.“

      Knirschend öffneten sich die Aufzugtüren. Gut, niemand drin. Rasch stiegen wir ein und ich blockierte die Tür mit meinem Fuß. Jetzt hieß es warten. Wieder fühlte ich nach dem Fläschchen in meiner Tasche. Sicher wäre es sinnvoll, das Betäubungsmittel schon einmal vorzubereiten. Chrissi stand an die Aufzugwand gelehnt und schaute mir zu.

      „Ich bereite mich am besten schon einmal vor“, erklärte ich ihr, „das würde ja dumm aussehen, wenn ich später im Beisein Heyers erst damit anfange.“ Dann stülpte ich den Lappen über das offene Fläschchen und hielt beides verdeckt an meiner Seite. Jetzt brauchte ich lediglich die Flasche umzudrehen und das Tuch dem Mann vor Mund und Nase zu halten. Ein Kinderspiel. Insbesondere für einen Jonathan Lärpers!

      „Wo bleiben die?“ Chrissi warf einen Blick auf ihre Uhr. „Das dauert doch viel zu lange!“ Ich zuckte mit den Schultern. Ja, eigentlich müssten die beiden schon da sein. Chrissi wurde unruhig. Ewig konnten wir auch den Aufzug ja nicht blockieren. Gut nur, dass bis jetzt niemand hereingekommen war.

      Chrissi überlegte einem Moment, dann meinte sie: „Ich geh‘ mal eben nachschauen. Nur zur Tür.“ Ich nickte. Das konnte ja nicht schaden. Vielleicht standen die beiden ja schon draußen. Vorsichtig drängte Chrissi sich an mir vorbei. Ich hielt ja immer noch die Tür auf. Dann sah ich sie zielstrebig zur Eingangstüre gehen.

      Ich betrachtete das kleine Fläschchen in meiner Hand. Chloroform. Wie viel davon sollte ich auf das Tuch schütten? Auf keinen Fall zu viel. Wir durften Heyer ja nicht umbringen. Wie riecht eigentlich Chloroform? Rasch drehte ich die Flasche um und spürte, wie sich das Tuch mit Feuchtigkeit füllte. Einmal kurz schnuppern konnte bestimmt nicht schaden. Ein Blick zu Chrissi bestätigte mir, dass sie ganz mit der Tür beschäftigt war. Vorsichtig führte ich das nasse Tüchlein zu meiner Nase.

      Irgendwie musste ich einen Schlag abbekommen haben - oder Ähnliches - denn plötzlich saß ich an der Aufzugwand am Boden. Merkwürdigerweise schwankte das ganze Gebäude. Verschwommen erkannte ich Christine, die gerade wieder die Eingangstüre schloss und sich zu mir wandte. Mühsam hob ich einen Arm und winkte ihr zu.

      Dann schloss sich die Aufzugtüre.

      Ich musste kurz weggetreten sein, denn als sich der Aufzug wieder öffnete, befand ich mich im sechsten Stock. Schwankend stand ein ungepflegter Mann Mitte vierzig vor mir. „Na Kumpel - auch einen zu viel getankt?“, lallte er. Mit einer Bierflasche in der Hand setzte er sich neben mich. In meinem Headset vernahm ich aufgeregte Stimmen, konnte die aber nicht so recht zuordnen. Immer noch drehte und schwankte alles um mich herum. Dann schloss sich die Türe und es wurde still in meinem Ohrhörer. Rumpelnd setzte sich die Kabine abwärts in Bewegung. Was war bloß geschehen? Mühsam versuchte ich mich zu erinnern, wurde aber von dem Ungepflegten daran gehindert. „Willste nen Schnaps?“ Hecktisch suchte er nach seiner Flasche, noch bevor ich ‚Nein‘ sagen konnte.

      „Scheiße. Die hab‘ ich oben stehen lassen!“ Umständlich rappelte er sich auf, wobei die Hälfte seines Bieres auf meiner Jacke landete. Ich musste würgen. Das stank ja widerlich! Der Betrunkene betätigte jetzt den Nothalt-Knopf. Abrupt blieb der Aufzug stehen. Dann setzten wir uns wieder in Bewegung. Nach oben.

      „Hier, nimm mal nen Schluck von meinem Bier. Du siehst aus, als wenn du den gebrauchen kannst.“ Er hielt mir die Flasche hin, zuckte aber nur mit den Schultern, als ich dankend den Kopf schüttelte. Glucksend nahm er selbst einen tiefen Zug. „Alles Scheiße.“ Dann rülpste er laut und vernehmlich. Mir schlug eine Welle aus Bier- und Schnapsdunst entgegen. Diesmal schaffte ich es nicht an mich zu halten und würgend übergab ich mich in eine Aufzugecke.

      „Ja, das hilft. Kannste gleich wieder mehr trinken“, belehrte mich der Mann und hielt mir erneut die Bierflasche hin. Dann blickte er neugierig auf mein kleines Fläschchen mit dem Chloroform.

      „Wat hasse denn da?“ Die Tür öffnete sich. Ob der Typ jetzt ausstieg? Dann könnte ich in Ruhe alleine nach unten fahren. In meinem Kopfhörer ließen sich wieder die aufgeregten Stimmen vernehmen. „Jonathan, hallo Jonathan. Hörst du mich?“ Das war Christine. Na klar, Chrissi stand ja noch unten vor der Eingangstüre. Wir wollten do...

      „Zeig doch mal. Was‘n das?“ Ungeschickt versuchte der Mann mir das Fläschchen aus der Hand zu nehmen, erwischte aber nur den feuchten Lappen.

      Knirschend schloss sich die Tür und wir rumpelten wieder abwärts.

      „Was haste denn da? Drogen? Oder Schnaps? Oh, Scheiße mein Schnaps.“ Er ließ das Tuch fallen und rappelte sich erneut auf. Jetzt landete eine Bierpfütze direkt vor meinen Füßen. Dann stoppte der Aufzug wieder und Sekunden später fuhren wir wieder hoch.

      „Wir sitzen doch alle in einem Boot.“

      „In einem Aufzug“, bemerkte ich und überlegte, ob ich den Mann nicht einfach erwürgen sollte.

      „Ja, da hasse recht, Kumpel. Jetzt brauch‘ ich aber erstmal nen Schnaps. Du kannst auch einen vertragen. Was is‘n das für‘n Gesöff?“

      Blitzschnell entwand er mir die kleine Flasche. Damit hatte ich nicht gerechnet. Schnuppernd hielt er seine Nase darüber. „Stinkt aber fürchterli...“ Seine Worte verschwammen zu einem undeutlichen Gemurmel, dann rutschte er neben mir zu Boden und blieb lang ausgestreckt liegen. Das Fläschchen kullerte aus seiner Hand und die Flüssigkeit ergoss sich auf den Aufzugboden. ‚Chloroform‘, dachte ich noch und sah aus müden Augen, wie sich die Aufzugtüre wieder öffnete. Sechster Stock. Aha. Dann wurde es schwarz um mich herum.

      „Jonathan! Jonathan!“ Irgendjemand - jemand weibliches - rief ständig meinen Namen und schlug immer wieder etwas Feuchtes in mein Gesicht. Mühsam öffnete ich die Augen. Chrissi! Im diffusen Licht konnte ich meine Kollegin erkennen.

      „Wa... was ist passiert?“, stammelte ich mühselig. Mein Schädel brummte, als hätte ich einen ganzen Schnapsladen leergetrunken. „W... wo bin ich?“

      „Noch im Hochhaus. In dem Vorraum der Eingangstür. Ihr habt da im Aufzug wohl eine wilde Party gefeiert, was?“

      Im Aufzug? Langsam, ganz langsam kehrte meine Erinnerung zurück. Der Auftrag. Der Aufzug. Der Betrunkene. Mein Chloroform. „Was ist passiert? Ich hab‘ doch nur einmal kurz geschnuppert!“

      Chrissi wischte erneut mit einem feuchten Tuch durch mein Gesicht. „Jonathan, Jonathan. Das Letzte was ich von dir gesehen habe, war als du im Aufzug auf dem Boden gesessen bist. Du grinstest blöd und hast gewunken. Sollte das ein Scherz sein?“

      „Chloroform“, erklärte ich. „Ich habe doch nur mal kurz geschnuppert, da ich auch mit der Dosis sichergehen wollte. Und dann fuhr der Aufzug einfach so nach oben!“ - „Ja, und jedes Mal wenn ich den Rufknopf gedrückt habe, bist du ein Stück heruntergefahren und dann wieder in den sechsten Stock hoch. Was sollte das eigentlich?