Название | Von alten und neuen Bürowelten |
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Автор произведения | Maik Marten |
Жанр | Зарубежная деловая литература |
Серия | |
Издательство | Зарубежная деловая литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752926736 |
Dass sich unser Verständnis von Zusammenarbeit über die Zeit ändert, konnte ich im Herbst 2019 wieder einmal selbst erleben. Damals interviewte ich einen ehemaligen Geschäftsführer der Metaplan Unternehmensberatung, die ursprünglich aus dem Quickborner Team hervorgegangen war, das in den 1960er Jahren das Konzept der Bürolandschaft entwickelt hatte. Zu jener Zeit war die Bürolandschaft sehr in Mode, nicht weniger „hipp“ als die heutigen Begriffe: New Work, agiles Arbeiten oder hybrides Bürokonzept. Kam es Ende der 1960er Jahre zu einem gesellschaftlichen Veränderungsprozess (man denke an die 68er Jahre), läutete die Bürolandschaft zu jener Zeit die Ära der hierarchielosen Zusammenarbeit und offenen Kommunikation ein. Das glaubte ich zumindest nach meinen ersten Recherchen. Erst in einem persönlichen Gespräch bei Metaplan musste ich meine voreilig gefasste Annahme korrigieren. Unter interprofessioneller Zusammenarbeit und reibungsloser Kommunikation verstand man damals nämlich hauptsächlich die formale Kommunikation zwischen Mitarbeitern, bzw. zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten. Sämtliche relevanten arbeitstechnischen Prozesse sollten ungehindert zwischen den Menschen, ohne jegliche störende Wände, in einem einzigen riesigen open space ablaufen können, aber immer in zuvor genau festgeschriebenen Arbeitsanweisungen und -abläufen, an die sich jeder zu halten hatte. Nichts sollte aus dem Bauch heraus entschieden werden, sondern immer planbar und berechenbar sein.
Heute verstehen wir unter offener Kommunikation etwas anderes. Wir meinen damit vor allen Dingen informelle Gespräche. Mehr noch: In der informellen Kommunikation sehen wir wirtschaftlichen Erfolg begründet. Wer heute an den Produkten und Dienstleistungen von morgen arbeiten möchte, legt deshalb auch größten Wert auf ein möglichst vielfältiges Angebot an unterschiedlichen Arbeitssettings, die es den Mitarbeitern ermöglichen, auf formelle wie informelle Art und Weise in Kontakt zu treten. Gerade der interprofessionellen Zusammenarbeit, die aus ungezwungenen, oft zufälligen Begegnungen entsteht, wird große Bedeutung zugesprochen. Entsprechende Implikationen ergeben sich für die Raumgestaltung.
Das wohl heute am häufigsten verwendete Schlagwort in der Arbeitswelt lautet New Work. In dem Streben anders arbeiten und leben zu wollen als früher, ist es einerseits eine ausgerufene Parole, die dazu auffordert, unsere Einstellung zum Leben und Arbeiten zu überdenken, andererseits ist es für einen wachsenden Teil unserer hochqualifizierten Fachkräfte mittlerweile zu einem Selbstverständnis geworden. Unter ihnen gibt es nicht wenige, die sich als Selbstoptimierer sehen und zur Generation Wir oder Now zugehörig fühlen. Ich freue mich natürlich über ihr Selbstbewusstsein und ihre offensichtliche Unbeschwertheit, ich erkenne darin aber auch ein egozentrisches Weltbild. Ohne Zweifel ist es sehr erfreulich, dass ein wachsender Teil von uns nicht mehr von der Last oder der Bürde der Arbeit sprechen muss, sondern vielmehr von sich behaupten kann, Arbeit als Mittel zur Selbstverwirklichung und Sinnstiftung zu erleben. Zu verdanken haben wir dieses Privileg aber zu einem großen Teil den vorangegangenen Generationen. Ihre Leistungen, ihre kleinen und großen Anstrengungen haben dazu beigetragen, dass sich viele von uns heute nicht mehr so sehr abmühen müssen wie früher, dass wir satt und gesund sind, dass wir uns überhaupt erst selbstverwirklichen können und den Freiraum haben, uns stärker denn je mit der Sinnfrage zu beschäftigen. Dass einige von uns ein privilegiertes Leben führen können, ist der Vorarbeit unserer Eltern und ihrer Eltern zu verdanken. Nicht zuletzt auch aus diesem Grunde wende ich mich im ersten Teil des Buches der Geschichte der Büroarbeit zu, bevor ich mich dann stärker der aktuellen Entwicklung und der Bedeutung der Arbeit für die Zukunft widme. Das Wort New Work impliziert ja letztendlich auch, dass es ein Old Work gegeben haben muss oder noch gibt. Sich damit auseinanderzusetzen und das Vergangene lebendig zu halten, ist mir ein Bedürfnis.
Ich habe in dem Buch die wichtigsten Meilensteine der Geschichte der Büroarbeit erfasst. Dennoch mag an der ein oder anderen Stelle eine Lücke entstanden sein, denn nicht alles, was an Bürogeschichte noch erwähnenswert und lesenswert gewesen wäre, konnte in diesem Buch seinen Platz finden. Auch sei bemerkt, dass viele der hier dargestellten Entwicklungen und Konzepte Hauptströmungen waren, die sich nicht auf alle BüroarbeiterInnen gleichermaßen auswirkten. Natürlich gab es zu jedem Trend und zu jeder Zeit immer auch entsprechende Ausnahmen, Gegenströmungen und Subkulturen.
Der Text ist weitestgehend geschlechtergerecht formuliert. Dies zu erreichen, war ein nicht immer leichtes oder eindeutiges Anliegen, da es sich besonders im ersten Teil des Buches um einen historischen Rückblick handelt und sich die Geschlechterrolle gerade in dieser Zeit stark gewandelt hat. Ich habe demnach auch versucht, den historischen Kontext mit zu berücksichtigen. Aus diesem Grund kommen insbesondere in der Phase zwischen der Mitte des 19. und der Mitte des 20. Jahrhunderts bewusst seltener geschlechtergerechte Formulierung vor, es sei denn Männer und Frauen wurden hier explizit angesprochen.
Unter dem Begriff Büro kann zunächst einmal vieles fallen: Die Geschäftsräume eines Unternehmens, die Verwaltungen von Betrieben und Behörden, das heimische Arbeitszimmer, selbst der Arbeitsplatz am privaten Schreibtisch kann damit gemeint sein. Die Minimalbedingung ist manchmal nicht mehr als ein Laptop, Handy und eine geeignete Sitzgelegenheit. Konzentrieren will ich mich in diesem Buch aber ausschließlich auf Arbeitsstätten, an denen mehrere Menschen zusammenarbeiten. Denn gerade darum geht es mir: die wechselseitigen Einflüsse zwischen Raumgestaltung und den Formen der Zusammenarbeit aufzuzeigen.
Immer wieder haben sich Wissenschaftler und Gelehrte mit der Frage beschäftigt: Wie entstehen gute Idee? Beruhen sie eher auf der Genialität einzelner Menschen oder sind sie das Resultat von Teamarbeit? Beides scheint richtig: Eine Idee mag oft auf einer plötzlichen Eingebung oder auf der vagen Vorstellung eines Einzelnen beruhen; in unserer zunehmend komplexen, technisierten Welt bedarf es aber fast immer gleich einer ganzen Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Kenntnissen, um daraus neue Produkte und Lösungen zu kreieren. Das ist sofort einleuchtend wenn es beispielsweise um die Entwicklung eines neuen Autos geht oder ein Spielfilm produziert werden soll. Hier geht es nicht ohne eine enge Zusammenarbeit von sehr vielen Menschen. Aber auch in jenen Berufen, in denen Kreativität bedeutet, sich über Tage, Wochen oder Monate allein in sein geistiges und räumliches Reich zurückzuziehen, wie es beispielsweise bei Schriftstellern oder Musikern oft der Fall ist, wechseln „stille“ Perioden des Schaffens mit Phasen des Austauschs mit Anderen. Da nun aber die Entwicklung des Büros im Mittelpunkt dieses Buches steht, beschäftige ich mich hier hauptsächlich mit jenen Gegebenheiten und Orten, an denen Menschen zusammenkommen, um sich gegenseitig zu inspirieren, auszutauschen und an gemeinsamen Zielen zu arbeiten.
Maik Marten
Berlin im September 2020
Einleitung
… die Form folgt immer der Funktion,
und dies ist das Gesetz. Wo die Funktion sich
nicht ändert, ändert sich auch die Form nicht.
(Louis Sullivan, Architekt) 1
Von dem wohl bekanntesten Gestaltungsgrundsatz in Design und Architektur hat vermutlich jeder schon einmal gehört. Die meisten haben zumindest eine vage Vorstellung davon, was er besagt. Die Rede ist von form follows function. Vermutlich geht das Designparadigma, welches sich in Gebäuden, wie dem Guggenheimmuseum in New York oder der Berliner Philharmonie in Berlin widerspiegelt, und dem wir Produkte, wie den stromlinienförmigen Chrysler Airflow oder die minimalistischen Elektrogeräte der Firma Braun, zu verdanken haben, auf den amerikanischen Bildhauer Horatio Greenough zurück, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte. Einem größeren Publikum bekanntgemacht, hat ihn aber der amerikanische Architekt und Hauptvertreter der Chicagoer Schule, Louis Sullivan. In seinem im Jahr 1896 erschienenen Essay mit dem Titel The Tall Office Building Artistically Considered hatte er sich an den Versuch gewagt, um Verständnis für seine Bürogebäude zu werben. Dies war bitter nötig gewesen. Zu jener Zeit wurden überall riesige Bürogebäude auf den Sonnenplätzen aufgestellt, die die geschäftigen