Название | Der Weg nach Afrika |
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Автор произведения | Helmut Lauschke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753185613 |
Dr. Ferdinand trug seine Beobachtungen in die Krankenblätter ein. Dann ging er zur Intensivstation, um den Totenschein für Kristofina auszufüllen. Beim Ausfüllen des Totenscheins erinnerte er sich an die Psalme, die er ihr gelesen hatte, um ihr Mut zu machen, wobei er den letzten Psalm ihr hinterherschickte, weil sie bereits über die letzte Brücke gegangen war und das Leben hinter sich gelassen hatte.
Dr. Ferdinand betrat den Raum der Morgenbesprechung. Der Superintendent sass in gebügelter Majorsuniform hinter dem Schreibtisch und kritzelte auf einem Papier irgendwas herum. Dr. Ferdinand nahm seinen Platz an der fensterlosen Seite ein. Er musste den Kopf nach rechts drehen, wenn er das verbissene Gesicht des Superintendenten sehen wollte. Vor der militärischen "Machtübernahme" sass der zivile und gedanklich oft zerstreute Superintendent auf der linken Seite. Die Tür ging häufiger auf und zu, je näher es auf halb acht zuging. Die jungen Kollegen in den Leutnantsuniformen kamen pünktlich, setzten sich an der Fensterseite unter die ratternde Klimaanlage. Ihre Baretts steckten zusammengefaltet unter den rechten Schulterklappen mit den roten Längsstreifen und dem kleinen Goldstern. Sie betrachteten den Superintendenten in der Majorsuniform mit dem grossen Goldstern auf der Schulterklappe wie harmlose Jungens mit Respekt, wenn sein Blick über die eingenommenen und leeren Stühle streifte. Besonders artig blickte der "Leutnant des Teufels" ihm ins Gesicht. Der liess sein Auge nicht vom Major ab, als könne er ohne ihn nicht leben. Beide kannten sich im Teufelsspiel aus, der mit dem grossen Stern besser als der mit dem kleinen. Die pretorianische Schule hatte viele willige Schüler.
Die schwarzen Kollegen kamen spat und setzten sich neben Dr. Ferdinand an die fensterlosen Seite. Die beiden Matronen, die eine weiss und die andere schwarz und die Apothekerin sassen dem Majorsuperintendenten gegenüber, also dort, wo vor dem "Machtwechsel" Dr. Witthuhn hinter dem Schreibtisch sass. Sie schauten dem neuen Superintendenten geradeaus ins Gesicht, verfolgten das bedeutungsvolle Mienenspiel, sahen ihm auf und zwischen die breiten Schulterklappen mit dem grossen Stern auf jeder Klappe und verglichen es womöglich mit den zivilen Schultern des Vorgängers, wo gestreift Erhabenes mit aufgesetzten Goldsternen nicht, dagegen Flecke und Einrisse am Nahtansatz der Ärmel zu sehen waren.
Doch die Gleichgültigkeit beim Betrachten der aufgesetzten Majorsmimik war damals, zu den Zeiten des letzten Zivilen, noch mit einer grösseren Aufmerksamkeit und Anteilnahme verbunden, weil damals das Hospital noch nicht so verrottet war, die Massstäbe der ärztlichen Ethik noch nicht über Bord geworfen wurden, die weisse Matrone den Teamgeist beschwor, und alle an eine Besserung der Arbeitsverhältnisse noch glaubten, und einige hart dafür arbeiteten. Dass es ganz anders kam, das hatte mit der Politik zu tun, die von der Pyramidenspitze der weissen Macht verordnet wurde, wo es für die Schwarzen immer schlechter bestellt war, bis hin zu den schwarzen Patienten, denen eine ordentliche ärztliche Versorgung nicht zugemutet, ja hinter dem Rücken der Scheinheiligkeit der aufgehobenen Rassentrennung förmlich abgesprochen wurde. Politisch gesehen sollte das Hospital untergehen, sollte badengehen, wo es nichts zu baden gab, sollte wie eine Krebsgeschwulst von innen heraus verfaulen und zerfallen.
Von aussen gab es keine Rettung, auch wenn zum Schein ständig Versprechungen gemacht und mit tödlicher Sicherheit nicht eingehalten wurden. Den Schwarzen sollte ein für allemal klargemacht werden, dass sie aus eigener Kraft nichts auf die Beine bringen, nichts halten und erhalten können. Nach den weissen Denkkategorien waren die Schwarzen nicht reif, ihre Dinge in die eigenen, schwarzen Hände zu nehmen. In der weissen Denkweise spielte es keine Rolle, dass die Schwarzen es auch nicht konnten, weil ihnen alles verboten blieb, was mit Recht und Chancengleichheit zu tun hatte. An diesem Wahnsinn, an dem das System der weissen Blindheit und Enthirnungsstarre krankte, wurde festgehalten ohne jede Rücksicht auf die Belange und Nöte der Menschen mit der schwarzen Haut. Es war ein militär-strategischer Teufelskreis, bei dem die Administration ihrer Verantwortung für das Hospital quasi enthoben war, obwohl die Arschlöcher in der Verwaltung noch nie die Verantwortung ernsthaft ins Auge gefasst und wahrgenommen hatten.
Im Gegenteil, durch die militärische Besetzung des Hospitals fühlten sich die Schreibtischtäter mit Erleichterung enthoben, weil sie nun ungestörter ihren Privatgeschäften nachgehen konnten, wo Gelder für Schulen und Fahrzeugersatzteile kassiert wurden, die nie gebaut wurden, beziehungsweise als Fahrzeug längst verschrottet war. Um den Krebszerfall, die Verrottung des Hospitals von innen heraus zu beschleunigen, wurden Menschen ‘eingebaut’, die in ihrer verheerenden Wirkung vorausberechnet und auf dem weissen Prüfstand getestet wurden. Da war der skrupellose Leutnant, "der Leutnant des Teufels", der in der Vertarnung eines Arztes ins Hospital gepflanzt wurde, um den Kollegen nachzuspionieren, sie mit falschen Behauptungen anzuschwärzen, damit denen, die noch das Gute im Sinn hatten, endlich das Handwerk zu legen.
Denn das ärztliche Verhalten, das sich am Kodex der ärztlichen Ethik ausrichtet, war aus militärischer Sicht untragbar. Das liess der Rassenwahnsinn nicht zu. So gab es die gemeinen Gespräche, wie die beim ärztlichen Direktor, zusammen mit Dr. Hutman und dem zivilen Superintendenten, wo die politisch anrüchige und verdreckte Niedertracht in das scheinheilige Gewand der verblödeten Bürokratie eingehängt und mit dem treuherzig-verschlagenen Augenaufschlag des Draufhauens bis zur galligen Widerwärtigkeit vermakelt wurde. Sie hatten es im Sinn, hinter der Tarnung des vorgetäuschten Disziplinarverfahrens die standhaften Kollegen zu verlisten, die sich nicht verpissten, weil ihnen die Not der Menschen am Herzen lag, der sie sich nicht so leicht entziehen wollten.
Wären die Weissen nur ein wenig gescheiter, sie würden das böse Spiel nicht spielen, denn die Zeichen des Umbruchs standen hoch am Horizont, und sie wussten, dass sie genug Dreck am Stecken hatten. Dennoch setzten sie weiter aufs Böse und seine gemeinen Listen, bauten das Verdorbene in jedes Gespräch ein. Das war das Hochkalkül ihres dümmlichen Denkens. Es war ihre Absicht, weil sie ausser weiss nichts anderes sehen wollten und nicht sahen. Sie waren verflucht, weil sie es taten, was "der Leutnant des Teufels" auch tat, als miese, verlängerte Ohren derjenigen hinterhältig zu fungieren, die in den höheren Etagen böse grübelnd sassen und das ihnen zugeteilte Mehrsagen hart missbrauchten. Sie alle waren skrupellos im Verdrehen der Dinge, weil sie es nicht anders konnten. Sie waren die Verräter und Charakterschweine, die sich dem System aus Gründen der leichten Bereicherung längst und blind verschrieben hatten. Sie alle waren die aufgeblasenen Bälle des Teufels, die keine Bedenken hatten, die die Menschen verachteten und, wenn es sein musste, was niemals sein durfte, totschlugen.
Diese Typen sassen stiernackig und bequem auf den erhöhten Stühlen und in den Sesseln der hochgeschraubten Ansprüche des Persönlichen, ohne dafür wirklich und hart arbeiten zu müssen. Sie sassen, je höher es ging, hinter leeren, hochpolierten Schreibtischen und hielten den vergoldeten Füllfederhalter zur Unterschrift eines weiteren Vernichtungspapiers schon in der Hand. Sie waren sich ihrer Sache umso sicherer, je weniger sie dachten, und das Weniger im Denken fiel ihnen leicht. Dann war hinter ihnen der hochgehängte, goldrahmig eingefasste Präsident im Grossformat mit dem pretorianischen Blick, der keinen Zweifel an der Kompromisslosigkeit zuliess. Da brauchte man sich im Sessel nur zu drehen. Ein Blick in das Gesicht des Höchsten genügte, und die Zweifel waren behoben. So waren sie alle Bälle des Teufels, und sie spielten sich die Bälle gegenseitig zu. Mit dem Teufel waren sie gut gefahren: sie bekamen ein hohes Gehalt für wenig Arbeit, sie bekamen Haus-, Auto- und Pensionszulagen, und jedes Jahr erhöhte sich das Gehalt mit den höheren Lagen. Sie hatten ein gutes Leben und genossen es reichlich.
Weisse Kinder besuchten die besten Schulen, dann die Universitäten, die Türen des Lebens standen ihnen weit offen wie sonst nirgends in der Welt. Die besten Krankenhäuser warteten auf weisse Patienten. Mehr gab die erste Welt in Europa und Amerika