Homunkulus Rex. S. G. Felix

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Название Homunkulus Rex
Автор произведения S. G. Felix
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753184456



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Kind davongetragen hatte, war identisch mit dem Original.

      Die haben wirklich an alles gedacht, fuhr es Robert ehrfürchtig durch den Kopf. Man hatte von ihm vor seiner endgültigen Entscheidung einen Ganzkörperscan gemacht, und die daraus gewonnenen Daten für die Erschaffung des Klons zusammen mit seiner DNA verwendet.

      »Er hat sogar das gleiche Gewicht wie Sie«, sprach Hendrik aus dem Hintergrund.

      Robert sagte nichts, sondern starrte fasziniert sein schlafendes Ebenbild an.

      »Kann ich Ihrem Schweigen entnehmen, dass Sie zufrieden mit dem Ergebnis sind?«

      »O ja!«, hauchte Robert. Er konnte seinen Blick einfach nicht abwenden. Wenn etwas verstörend und faszinierend zugleich war, dann der Anblick seines eigenen atmenden Doppelgängers. »Das ist wirklich meisterhafte Arbeit.«

      »So soll es auch sein. Und so muss es auch sein. Schließlich wird Robert2 hier von nun an Ihr Leben übernehmen - für den Rest seines Lebens.«

      »Robert2?«

      »So nennen wir intern immer unsere Produkte. Wir hängen einfach eine 2 an den Namen an. Sie persönlich können ihn natürlich nennen, wie Sie wollen.«

      »Nein, nein. Robert2 gefällt mir. Auch wenn ich keine Ahnung habe, wieso.« Mit großen Augen betrachtete er sein Ebenbild. »Schläft er?«

      »Eigentlich nicht. Er befindet sich in einem komaähnlichen Zustand, in den wir ihn mittels seines Gehirnimplantats versetzt haben. Er steht sozusagen auf Standby, bis wir ihn erwecken.«

      »Gehirnimplantat? Soll das heißen, er hat einen Chip in seinem Kopf?«

      »Nicht nur einen. Streng genommen hat er einen leistungsfähigen Großrechner in der Größe eines Stecknadelkopfes in sich. Er ist notwendig, um seine Gesundheit für die nächsten dreißig Jahre sicherzustellen. Sämtliche geklonten Zellen, aus denen er besteht, können durch diese zentrale Recheneinheit mit Nanorobotern repariert werden, wenn Zellschäden auftreten. Außerdem dient er der Aufnahme und Speicherung sämtlicher Erinnerungen von Ihnen, Herr Mester, die wir heute Nacht noch übertragen wollen. Sein biologisches Gehirn wird jederzeit Zugriff auf diese Informationen haben, da wir nicht in der Lage sind, das Gehirn direkt mit diesen Informationen zu versorgen. Das Gehirn des Klons arbeitet also anders als das Ihrige. Es steht in ständiger Wechselwirkung mit dem Nanocomputer.«

      »Aber würde das Computerimplantat nicht entdeckt werden können?«

      »Nein, denn es ist von einem natürlich wirkenden bioelektrischen Feld seines Gehirns getarnt. Selbst Tomographien können es nicht sichtbar machen, sondern würden es nur als natürliches Gewebe identifizieren. Man würde es nur entdecken, wenn man sein Gehirn aufschneiden würde.«

      Robert betrachtete sein Ebenbild mit großen Augen. »Unglaublich.«

      »Ich will Sie ja nicht drängen, aber wir haben nicht ewig Zeit. Wir müssen mit der Chiptransplantation beginnen. Sie bekommen dafür erst einen speziellen Wirkstoff in den Nacken gespritzt. Dieser verhindert, dass der Chip registriert, dass wir ihn entfernen wollen und dass er kein entsprechendes Signal aussendet. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass der Chip nicht beschädigt oder deaktiviert wird. Danach werden wir Sie in Narkose versetzen, um den Chip zu entfernen und Ihre Erinnerungen abzugreifen. Dieser Prozess wird mehrere Stunden dauern. Wahrscheinlich bis zur Morgendämmerung. «

      »Und was dann? Ich bekomme keinen neuen Überwachungschip?«

      »Für ein paar Tage werden Sie ohne auskommen müssen. Sie müssen sich in dieser Zeit von den beiden Eingriffen erholen, erst dann können wir Ihnen einen Ersatzchip einsetzen, damit er reibungslos funktioniert und keine Problemmeldungen aussendet. In dieser Zeit werden Sie in Ihrer Wohnung bleiben und mit niemandem Kontakt haben. Ihr Klon wird, wenn alles glattgelaufen ist, am Montag zur Arbeit gehen - zu Ihrer Arbeit und mit Ihrem Chip.«

      Robert rieb sich die Hände und merkte, dass sie feucht und eiskalt zugleich waren.

      »Keine Sorge, wir werden uns um alles kümmern. Sie werden gar nichts merken.«

      Robert nickte und setzte sich auf einen Stuhl, der ihm hingestellt wurde. Eine der vermummten Gestalten stellte sich hinter ihn und begann mit den Vorbereitungen für die Extraktion des Chips. Zu seiner Überraschung stellte sich dieser erste Eingriff als simpel und harmlos heraus. Eine kleine Spritze, deren Stich er kaum spürte. Robert wurde trotz seiner Angst von Glücksgefühlen übermannt. Allein der Gedanke, diesen Chip bald nicht mehr in sich zu haben, machte ihn schon glauben, er sei von nun an ein freier Mensch.

      »Wir leiten jetzt die Narkose ein. Ich werde die ganze Zeit bei Ihnen sein«, sagte Hendrik mit einer Stimme, die Ruhe und Vertrauen ausstrahlte.

      Robert fühlte sich euphorisiert. »Gut. Ich bin bereit.«

      Hendrik nickte seinen Leuten zu. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Alles ging routiniert vonstatten, was Roberts Vertrauen in diese Organisation noch verstärkte. Während seine Narkose eingeleitet wurde, versuchte er, sich sein neues Leben vorzustellen. Sein Leben in absoluter Freiheit. Wahrscheinlich würde er dort, wo er neu beginnen konnte, Menschen treffen, die denselben Traum wie er leben wollten. Gleichgesinnte, denen genetische Aufwertungen, Materialismus und sozialer Status einerlei waren. Und alles erschien ihm in diesen Sekunden, in denen er in einen sanften Schlaf hinüberglitt, so einfach und richtig zu sein. Er fühlte sich wie der glücklichste Mann der Welt. Sein neues Leben in Freiheit und Selbstbestimmtheit war zum Greifen nah.

      Endlich habe ich einmal das Richtige getan, dachte er, kurz bevor er durch die Narkose das Bewusstsein verlor.

      Was er nicht wissen konnte, war, dass er sich noch nie in seinem Leben so fatal geirrt hatte.

       Kapitel 5: Das alte und das neue Leben

      Robert war noch nie zuvor in Narkose versetzt worden. Es hieß, man würde nicht träumen. Aber bei dieser Narkose war es ganz anders. Er träumte die wildesten Träume, ohne von ihnen emotional mitgerissen zu werden. Er träumte vergangene Episoden aus seinem Leben und nahm dabei immer nur die Rolle eines neutralen Beobachters ein, der ungerührt an den wichtigsten Weichenstellungen in Roberts Leben teilnahm. Roberts erster Schultag, seine erste eigene Wohnung, sein erster Kuss - alles durchlebte er erneut. Und eine Szene träumte er immer und immer wieder: Sein gescheiterter Versuch, Nicole von seiner Idee, das Land illegal und dauerhaft zu verlassen.

      »Würdest du so leben wollen?«, hallte ihm Nicoles Stimme in seinem Kopf nach.

      »Ja, das würde ich«, nuschelte Robert, während er langsam, fast qualvoll, aus seiner Narkose erwachte. Es fühlte sich furchtbar an. Er öffnete die Augen und alles schien sich erst zu drehen und dann zu zittern. Dabei war er es, der zitterte. Er wurde unruhig und versuchte, sich aufzurichten. Jemand hielt ihn davon ab.

      »Das geht gleich wieder vorbei. Bleiben Sie ruhig liegen«, hörte er eine Stimme, die von weit herzukommen schien, in Wahrheit aber ganz in seiner Nähe war. »Machen Sie ruhig die Augen zu. Lassen Sie sich Zeit, Robert. Alles ist gut. Es hat alles wie geplant funktioniert.«

      Erleichtert sank er wieder zurück ins Bett, wobei ihm auffiel, dass es sein Bett war. War er wieder zuhause? Er ließ die Augen geschlossen und versuchte, sich die grünen Weiten, Täler und Hügel seines Traumziels vorzustellen. Es gelang ihm aber nicht. Er schlief wieder ein.

      Ein paar Stunden später waren die unerwarteten Begleitsymptome der Narkose fast vollständig verschwunden. Robert fühlte sich etwas groggy, aber gut. Er öffnete wieder die Augen. Er war tatsächlich zu Hause. Hatte man ihn während seiner Narkose hierher gebracht?

      »Na endlich, das hat ja gedauert.« Hendrik kam ins Schlafzimmer. Er hatte irgendein technisch-medizinisches Gerät in seiner Hand und hielt es Robert an seinen Kopf. Nach ein paar Sekunden nickte er zufrieden. »Alles klar. Ihnen geht es gut. Die Narkose hat ein wenig länger gedauert, als wir eingeplant hatten. Deshalb haben wir Sie nach Hause gebracht, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, versteht sich. Alles hat wunderbar