Название | Homunkulus Rex |
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Автор произведения | S. G. Felix |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753184456 |
»Ich verstehe. Jetzt will ich ihn mir ansehen.«
»Sicher.«
Robert ging leise auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer, bis ihm auffiel, was er gerade tat. Wieso glaubte er, sich anschleichen zu müssen? Als er seinen Klon dann sah, musste er sich beherrschen, um nicht zurückzuweichen. Es war, als wäre er aus sich selbst herausgetreten und würde sich nun von außen betrachten. Der schlafende Robert2 hatte noch eine gewisse Eigenständigkeit ausgestrahlt - so jedenfalls war es Robert vorgekommen (Vielleicht hatte er es sich auch eingebildet). Aber der wache Robert2 war absolut identisch mit seinem Original. Nichts, gar nichts unterschied ihn mehr. Auch nichts, das Robert sich einbilden könnte. Das auf der Couch vorm Holoprojektor war er.
Robert2 bemerkte ihn und drehte seinen Kopf zu ihm. »Hallo«, sagte er freundlich und wartete Roberts Reaktion ab. Seine Stimme war, wie erwartet, ebenfalls absolut identisch mit seiner.
»Hallo«, erwiderte Robert, schwer darum bemüht, cool zu bleiben. »Wie geht es dir?«
»Danke, gut. Und selbst?«
»Ein wenig müde noch. Aber ich bin OK.«
»Schön. Willst du mit schauen? Die Sendung hat erst vor einer Viertelstunde angefangen. Da ist schon wieder einer von den Sprung-Evolutionären in der Talk-Runde. Der redet ohne Punkt und Komma.«
Robert sah fragend zu Hendrik. Der nickte und sagte: »Kann nicht schaden, wenn Sie sich beide ein wenig 'kennenlernen'. Sie werden immerhin noch einige Zeit miteinander verbringen. Ich muss jetzt sowieso los.«
»Sie gehen?«
»Wir haben noch einen Berg Arbeit vor uns. Ihre Ausreise muss minutiös vorbereitet werden. Und Ihr neuer Chip muss noch programmiert werden.«
Robert sah unsicher zu seinem Klon, der sich wieder der Talk-Show widmete. Er hatte Angst, allein mit ihm zu sein, auch wenn es dafür eigentlich keinen rationalen Grund gab.
»Keine Sorge. Das Schlimmste haben Sie überstanden, Herr Mester. Ich komme morgen wieder vorbei. Dann besprechen wir mit Robert2 noch alles für seinen ersten Arbeitstag am Montag. Ich habe Ihnen meine Nummer hinterlassen, wenn Sie mich kontaktieren möchten. Wundern Sie sich nicht, wenn es etwas länger dauern wird, mich zu erreichen. Die Nummer ist nicht auf meinen Namen zugelassen, so dass Ihr Anruf ein paar Umwege machen muss, um mich zu erreichen.«
»Klar«, sagte Robert. »Muss ich noch an etwas denken - ihn betreffend?«
»Nein, er ist kein kleines Kind. Er ist Sie. Er kann alleine zur Toilette gehen und muss nicht zum Schlafengehen zugedeckt werden. Lassen Sie ihn einfach machen. Er wird sich ganz unauffällig verhalten.«
»Natürlich.« Robert grinste unsicher.
»Bis morgen dann.«
»Gut. Und danke.«
Robert ließ Hendrik aus seiner kleinen Wohnung und schloss die Tür ab. Er ging zurück zum Wohnzimmer und setzte sich in einigem Abstand auf die Couch. Robert2 saß auf seinem Lieblingsplatz. Auf seinem Lieblingsplatz. Sollte er ihm das sagen?
Als hätte er seine Gedanken gelesen, fragte Robert2 plötzlich: »O, ich sitze auf deinem Platz. Soll ich mich woanders hinsetzen?«
»Nein, nein. Es macht mir nichts aus. Mir egal, wo ich sitze.«
Robert2 wusste ganz genau, dass es ihm etwas ausmachte, und dass es ihm nicht egal war, wo er saß.
»Sicher?«
»Ja. Bleib ruhig sitzen.« Robert saß steif da und faltete seine Hände. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.
»Stimmt was nicht?«, fragte sein Klon.
»Nein. Ich sitze nur neben meinem eigenen Klon. Alles ganz normal.«
Robert2 lächelte milde. »Hey, für mich ist das auch merkwürdig.«
»Ach ja?«
»Na sicher. Ich meine, ich weiß, dass ich nicht du bin. Aber dennoch bin ich es. Es fühlt sich jedenfalls so an. Es ist ein wenig verwirrend, findest du nicht auch?«
»Ja, ziemlich verwirrend.«
»Das Einzige, was uns beide voneinander unterscheidet, ist, dass du gehen wirst und ich bleiben werde. Das ist alles«, sagte sein Klon.
»Stimmt. Und das ist in Ordnung für dich?«
»Ja, ist es. Ich kenne deinen Wunsch auszuwandern und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Ich teile diesen Wunsch sogar, weil ich genauso denke wie du. Aber ich bin dafür gemacht, zu bleiben und dein altes Leben zu übernehmen.«
»Weil du so..., wie soll ich es sagen, programmiert wurdest?«
»Ich denke schon. Ja.«
Schweigend schauten sie beide zum dreidimensionalen holographischen Fernsehbild. In der Diskussionsrunde ging es wieder einmal um die angebliche Diskriminierung genetisch aufgewerteter Menschen durch Menschen ohne genetische Aufwertung - also durch Menschen wie Robert. Dieser Vorwurf wurde von Parteimitgliedern der Sprung-Evolutionären immer wieder ins Feld geführt. Die Wahrheit war aber eine andere: Genetische Aufwertungen waren mittlerweile in vielen Bereichen möglich. Leistungsfähigkeit des Menschen, Auffassungsgabe, Intelligenz, Stärke, Ausdauer, seelische Belastbarkeit, verbesserte Immunabwehr, soziale Kompetenz - all das und noch viel mehr war durch aufwändige genetische Optimierungen für die Geburt eines Kindes möglich. Allerdings war sie auch noch extrem teuer. Der Staat übernahm nur im Bereich Gesundheit vereinzelte Maßnahmen zur Veränderung des Genoms des Wunschkindes der Eltern. Der Rest war eine Frage des Geldbeutels.
Eltern, die keine hohen Summen in komplizierte Genveränderungen investieren konnten, um ihrem Kind im späteren Leben Vorteile und Erleichterungen zu verschaffen, mussten sich entweder damit abfinden und im besten Fall ein normal begabtes Kind zur Welt bringen. Doch wer wie Robert oder auch Hendrik genetisch nicht optimiert wurde, hatte es insbesondere in der Arbeitswelt sehr schwer, sich gegen die aufgewerteten Menschen zu behaupten. Neben den finanziellen Aspekten war auch dies ein weiterer Grund, warum so wenige Menschen der B-Gesellschaft Kinder haben wollten.
Immer wieder wurde daher darüber debattiert, ob genetische Aufwertungen nicht allen zur Verfügung stehen müssten, oder niemandem. Denn das System, so wie es jetzt war, sei ungerecht. Die Sprung-Evolutionären nahmen diese Kritik immer wieder zum Anlass, ihre Klientel - die genetisch Aufgewerteten - als diskriminiert zu betrachten. Es sei eine reine Neid-Debatte, so auch der Vertreter jener Partei, den die beiden Roberts gerade im Holoprojektor sahen.
Die Sprung-Evolutionären waren zunächst als reine Populisten abgestempelt worden, gewannen jedoch über die Jahre hinweg immer mehr Befürworter und einflussreiche Gönner. Bei den letzten Wahlen waren sie bereits drittstärkste Kraft, obwohl ihre Zielgruppe quantitativ klein war. Die Grundthese der Partei der Sprung-Evolutionären war, dass die aufgewerteten Menschen mittlerweile so weit 'optimiert' waren, dass sie quasi einen Sprung in der Evolution gemacht hatten; daher der Parteiname.
Ihre Kritik am jetzigen politischen System und der Gesellschaft richtete sich vornehmlich gegen die angebliche Besserstellung und Bevorzugung nicht optimierter Menschen, die sich hauptsächlich in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen befänden und durch ihre zahlreichen Beschränkungen das Land und seine Wirtschaft in ihrer Entwicklung hemmen würden.
Sie forderten mehr oder weniger die weitgehende Kontrolle wesentlicher Funktionsbereiche in Politik und Wirtschaft durch genetisch optimierte Menschen. Einige besonders radikale Vertreter der Partei schreckten auch nicht davor zurück, nicht aufgewertete Menschen als genetisch behindert zu bezeichnen. Stoff für harte Auseinandersetzungen und eine idiotensichere Methode, als Partei immer im Gespräch zu bleiben.
»Ich hasse diese Sprung-Evolutionären«, sagten Robert und Robert2 auf einmal wie aus einem Munde, nachdem sie der Diskussion eine Weile zugehört hatten. Erstaunt sahen sie sich an. Sie hatten dasselbe gedacht, zur gleichen Zeit.
»Das ist irgendwie