Tod des Helden. Volkmar Kuhnle

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Название Tod des Helden
Автор произведения Volkmar Kuhnle
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753186979



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rief der andere und zog sein Schwert aus der Scheide. „Lässt du wieder Schmuggler aus der Stadt? Ich habe dich gewarnt, dass ich kein Auge mehr zudrücken werde.“

      „Ach komm schon, Garron. Das sind Freunde von mir. Du kannst doch dieses eine Mal darüber hinwegsehen, oder?“

      „Ganz bestimmt nicht. Ihr werdet mich alle zur Hauptwache begleiten, und …“

      Der Mann stutzte.

      „Das sind keine Schmuggler. Das sind die kowarischen Gefangenen.“

      Er blickte Olaf etwas verwirrt an. „Du bist also nicht nur käuflich, sondern auch ein Verräter.“

      Seine Stimme wurde hart. „Übergib mir dein Schwert, dann werde ich dafür sorgen, dass du einen fairen Prozess bekommst.“

      „Ich störe ja nur ungern“, mischte sich Mischka ein. „Aber wir haben keineswegs vor, mit euch zu kommen. Vergesst, was ihr hier gesehen habt, und ich werde euch dafür entlohnen.“

      „Das hättet ihr wohl gerne.“ Garron lachte und machte einige Probeschwünge mit dem Schwert. „Ich werde euch töten. Die Gefangenen werden wie geplant aufgeknüpft, und der gute Olaf wird ihnen Gesellschaft leisten.“

      „Das kann ich leider nicht zulassen.“ Auch ihr Befreier zog sein Schwert. Er bewegte sich nicht, sondern wartete darauf, dass der Wachmann näherkam.

      Er tat ihm den Gefallen und drang mit seinem Anderthalbhänder auf ihn ein.

      Lori zog scharf die Luft ein, als sie sah, mit welcher Wucht der Wachmann angriff.

      Alles ging sehr schnell. Ihr Befreier blockte zwei der Hiebe ab, drehte sich unter einem dritten hindurch. Er bewegte sich elegant und tödlich, sein Schwert blitzte auf, und der Wachmann blickte ungläubig auf die Klinge, die in seiner Seite unter seiner Achsel steckte.

      Mischka drehte die Klinge mit einem Ruck. Garron stöhnte, bäumte sich noch einmal auf und brach dann zusammen.

      Dann drehte sich Mischka zu Olaf um und rammte ihm das Schwert ebenfalls in die Brust.

      „Es tut mir leid. Ist nichts Persönliches. Aber Geschäft ist eben Geschäft.“

      Er nahm den Beutel mit seiner Bezahlung wieder an sich und wandte sich an die anderen.

      „Kommt jetzt“, rief er. Wir müssen hier endlich weg. Zum Fluss.“

      Als sie außer Sichtweiter des Stadttors waren, dachte Lori, dass sie nun wirklich eine Chance hatten, zu entkommen.

      Zumindest, bis sie den Hufschlag hörte, der sich von hinten näherte.

      „Runter von der Straße“, rief Mischka und drängte die befreiten Gefangenen seitlich über die Böschung. Doch Lori wollte sehen, was passierte. Sie kauerte sich an die Kante und sah zu.

      Es waren drei Reiter, die auf Mischka zukamen und offensichtlich kein Interesse daran hatten, die Flüchtigen lebend zu fangen, denn der erste der Reiter hielt mit vollem Tempo auf ihn zu und schwang sein Langschwert.

      Mischka wich dem eher plumpen Schlag aus und führte stattdessen einen Hieb gegen die Beine des Pferdes, das wiehernd stürzte, sich überschlug und seinen Reiter unter sich begrub.

      „Das war nicht sehr ritterlich.“

      Die anderen beiden hatten ihre Pferde angehalten und stiegen gerade ab. Der Sprecher trug die Uniform eines Hauptmanns.

      „Warum sollte ich ritterlich handeln?“ Mischka ging langsam auf die beiden zu.

      „Weil ich nur zu gut weiß, wer Ihr seid. Was ich nicht verstehe, ist, warum Ihr das tut. Einfache Gefangene befreien. Korrupte Minister.“

      „Für Geld natürlich. Auch ich muss leben.“

      „Dann werde ich wohl einen Schlussstrich unter Eure Laufbahn setzten, Sir. Und da Ihr auf Ritterlichkeit verzichtet habt, werden wir das auch tun.“

      Er bedeutete dem andern Soldaten, sich einige Schritte zu entfernen. „Wir nehmen ihn in die Zange. Auf meinen Befehl hin angreifen.“

      Einige Augenblicke lang umkreisten die beiden Mischka, dann verlor der zweite Soldat die Fassung und schwang seinen Streitkolben mit beiden Armen.

      Der Hauptmann brüllte vor Wut auf und drang mit seinem Schwert ebenfalls auf Mischka ein. Zu spät für seinen Untergebenen.

      Mischka riss das Schwert gerade noch rechtzeitig aus der Brust des sterbenden Soldaten, um den Hieb des Hauptmanns abzublocken. Der Schlag prellte ihm jedoch das Schwert aus der Hand, das klappernd davonschlitterte. Mit einem Fluch rollte er sich ab, und der nächste Schlag ließ Funken aus dem Kopfsteinpflaster fliegen.

      „Halt still und stirb wie ein Mann!“, brüllte der Hauptmann.

      Lori griff in den Gürtel und zog den Dolch hervor, den ihr Mischka gegeben hatte.

      Dieser rettete sich gerade mit einem verzweifelten Sprung von einem weiteren Angriff.

      „Mischka, hier!“, rief Lori und warf dem Krieger die Waffe zu.

      Ihr Wurf war schlecht gezielt, und der Dolch prallte eine Manneslänge neben ihm auf den Boden.

      Doch der Aufprall lenkte den Hauptmann der Wache ab, der einen Moment aufsah. Zeit genug für Mischka, den Dolch aus der Scheide zu reißen und zu werfen.

      Der Hauptmann erstarrte und drehte sich halb herum. Aus seinem linken Auge schien ein Horn gewachsen zu sein.

      Dann brach er zusammen.

      Mischka erhob sich, riss den Dolch aus dem Auge, wischte ihn an der Kleidung des Toten sauber und gab ihn Lori zurück.

      „Danke. So war es einfacher.“

      Dann holte er sich sein Schwert und übernahm wieder die Führung.

      Als sich das Floß in Bewegung setzte, nahm Lori all ihren Mut zusammen.

      „Ihr heißt nicht Mischka.“

      Der Mann, der sich ihnen gegenüber als Mischka vorgestellt hatte, wandte sich ihr zu.

      „Sondern? Wie heiße ich?“

      „Ich denke, Euer wahre Name ist … Botharogas.“

      Der Mann zuckte mit keiner Wimper.

      „Und wenn dem so wäre?“

      „Dann sind wir Euch zu großem Dank verpflichtet. Obwohl …“

      „Was?“

      „Obwohl ich mich dann schon fragen würde, warum ein Held, der dem Hochkönig von Rusonir auf den Thron verholfen, die Nord-West-Passage von Seedrachen befreit und dafür gesorgt hat, dass die Zwillingsprinzen ihre große Liebe heiraten durften, weitgehend unwichtige Gefangene aus einem winzigen Gefängnis befreit.“

      „Das habe ich doch schon gesagt. Des Geldes wegen.“

      „Aber Ihr müsst doch reich sein. Unzählige Menschen stehen in eurer Schuld.“

      „Reich? Hast du eine Ahnung, was das Leben als Held so kostet? Man reist von einem Ende der bekannten Welt zum anderen. Die meisten sind der Meinung, dass es genug wäre, einen Helden zum Ritter zu schlagen. Oder eine Parade zu veranstalten. Oder ihm ein Schwert mit goldenem Griff oder ein besonders edles Pferd zu schenken.“

      Er verzog verächtlich das Gesicht.

      „Erstaunlich, wie leicht man dann am Schwertgriff erkannt wird oder wie schnell das Pferd aus dem nächsten Stall verschwindet. Manche versprechen einem dann, bei den nächsten Steuereinnahmen zu zahlen. Dann ist die Ernte schlecht oder der Schatzmeister weiß nichts von den Anweisungen. Und da hat man dieses Kastell, dass einem irgendein Fürst geschenkt hat, mitsamt Personal und Bauern, das auf regelmäßiges Einkommen angewiesen ist. So landet man dann auf einem Floß, um einen kleinen Minister zu befreien, der angeblich die Steuereinnahmen von zwei Jahren … in Sicherheit gebracht hat. Für ein Zehnt davon.“