Название | Tod des Helden |
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Автор произведения | Volkmar Kuhnle |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753186979 |
Rerik starrte den Fremden an und fragte sich verzweifelt, wie dieser es nur wagen konnte, so mit einem König zu reden. Aber er war kein König mehr. Konnte man es dem Mann verdenken, dass er nur einen verdreckten Jungen sah? Mit allerweltsbraunen Haaren und zerschlissen genug gekleidet, um nirgendwo anders hin als auf die Straße zu gehören.
Der Mann hingegen trug ein Wams aus Leinen und eine saubere Hose. Sein breitkrempiger Hut schützte ihn vor dem Wetter, und sein Bart war ordentlich gestutzt – alles im Gegensatz zu Rerik.
Er holte tief Luft. „Was soll ich nicht tun?“
„Der Wald ist verflucht“, sagte der Mann.
Der türkisfarbene Schein sah nicht bösartig aus. Ganz anders als das Glutlicht des Thronräubers. Rerik deutete auf die Nebelschwaden. „Was ist das?“
Der Mann blickte nur kurz hinüber. „Der Wald der Seelen. Mächtige Magie ist dort am Werk.“
„Welche Art von -“
„Welche Art? Wann hat uns Magie jemals etwas Gutes gebracht?“ Der Fremde schüttelte den Kopf. „Was auch immer du vorhast, lass es bleiben. Auf meinem Hof gibt es keine Magie, dafür ehrliche Arbeit.“
Als er Hof hörte, musste Rerik lachen. Hatte es an seinem Hof auch ehrliche Arbeit gegeben? Er hustete gegen das Kratzen in seinem Hals. Wie ein Bauer sollte er arbeiten, dabei war er doch ein König. Gewesen.
Rerik nickte langsam. „Vielen Dank.“ Seine Stimme war ein Krächzen.
Er sah noch einmal zu den Bäumen hinüber, doch der leuchtende Nebel war verschwunden. Der Fremde atmete hörbar aus und murmelte etwas, das Rerik nicht verstand. Als er zurück zu seinem Wagen ging, folgte ihm Rerik.
Die Arbeit trieb ihm Schweiß auf die Stirn und ließ seinen Rücken schmerzen. Während er das Feld von Derias Vater pflügte, vergaß Rerik oft, dass er eigentlich ein König war. Erst abends, wenn er der Straße bis zum Waldrand folgte, dachte er wieder daran, dass die Magie auf ihn wartete.
Leider hatte er den blauen Schein seit dem Tag vor drei Jahren nie wieder gesehen. Genauso wenig wie die Soldaten seines Palastes, seine Berater oder den Thronräuber. Niemals hatte er das Küchenmesser, das er immer bei sich trug, zur Verteidigung ziehen müssen. Das war vermutlich gut so, aber wenn er die Kneipe des Dorfes aufsuchte und kein einziges Gerücht über seinen Sturz hörte, schmerzte seine Bedeutungslosigkeit wie ein Stich in die Eingeweide. Sie sprachen zwar vom „König“, nannten ihn aber nie beim Namen, kannten diesen vermutlich auch gar nicht. Ein fremder Fürst sollte letzten Monat vor ihm gekniet haben.
Rerik schirrte das Pferd ab und führte es zurück in den Stall. Im angrenzenden Haus brannte Licht. Derias Mutter hatte das Abendessen vorbereitet. Rüben, vermutlich. Oder Kohl. Rerik schloss die Tür ab und lief zur Straße. Es dauerte nicht lange, bis er den Stein erreichte, auf dem er damals gesessen hatte, frierend und schmutzig. Die Hügel wölbten sich wie zuvor, und die Bäume raschelten im Abendwind. Der Schein der untergehenden Sonne durchdrang ihr Laub. Sonst nichts.
Rerik war schon oft hineingegangen. Ein Wald wie jeder andere. Das spektakulärste, was er gefunden hatte, war ein verrostetes Schwert in der Erde. Ansonsten nur einen vermodernden Wegweiser, dessen Schrift unleserlich geworden war, und ein leeres Fass, das irgendjemand zwischen Baumwurzeln zurückgelassen hatte. Rerik rieb sich fröstelnd die Oberarme. Was war damals anders gewesen als jetzt? Warum hatte er auf Derias Vater gehört?
„Schon wieder hier?“
Rerik zuckte zusammen und wandte sich um. Derias Augen waren blau wie der verborgene Schein. Ihr Lächeln zauberte Grübchen in ihre Wangen. Rerik schluckte und spürte, wie ihm Blut in die Wangen schoss. Er hatte noch nicht einmal ihre Schritte gehört.
„Ich wollte nur -“
„Die Bäume anstarren, wie immer.“ Deria verschränkte die Arme. Sie lächelte noch immer, aber die Grübchen waren verschwunden, und ihre Augen blickten ernst.
Rerik holte Luft und deutete auf die Bäume. Sie ragten gerade auf, und keine Spur von Nebel oder Licht schwebte zwischen ihnen. Ein Eichhörnchen sprang einen Stamm hinauf. Vögel zwitscherten. „Ich weiß, dass dort der Wald der Seelen liegt.“
Deria rollte mit den Augen. „Und was willst du dort? Selbst der mächtigste Magier, der jemals gelebt hat, ist im Wald der Seelen gestorben.“
Rerik rieb sich die Hände. „Es heißt, König Karyan wäre unsterblich.“
Deria zuckte mit den Schultern. „Aber er ist nicht mehr hier, oder? Sonst würde er noch immer über Zenbara herrschen.“
Die Sonne war am Horizont untergegangen und hatte einen Streifen roten Lichtes am Himmel zurückgelassen. Rerik blickte auf das Gras zu seinen Füßen. Ein Windzug schaukelte die Halme. Er hatte nicht oft auf Wiesen gestanden, als er noch König gewesen war. Oder er hatte es nicht zur Kenntnis genommen. Er hatte noch keine Angst vor rotem Leuchten gehabt. „Ein anderer Magier regiert nun Zenbara“, sagte er.
Deria trat neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ist doch egal. Solange er sich nicht um uns schert. Könige kommen und gehen.“
Wenn er doch nur wieder gehen würde. Wohl kaum. Er baute ein gewaltiges Viadukt, eine halbe Tagesreise entfernt. Die Menschen fanden das wunderbar. Rerik schüttelte den Kopf. „Was könnte den mächtigsten Magier, der jemals gelebt hat, töten?“
„Die Magie im Seelenwald ist anders“, sagte Deria. Ihre Nägel krallten sich in sein Fleisch. „Rerik ...“, sagte sie in einem Tonfall, der ihn aufschauen ließ. Derias Augen fixierten ihn, als wollten sie ihn einfrieren. „Dein Leben findet nicht in irgendwelchen alten Geschichten statt. Die bringen uns nicht weiter.“
„Der Wald der Seelen ist Realität. Ich habe ihn gesehen“, sagte Rerik rau. „Und Karyan war auch real.“
„Ich habe den Seelenwald noch nie gesehen. Wahrscheinlich will er meine Seele nicht.“ Deria lächelte schief und zog ihre Hand zurück. „Vielleicht ist sie zu glücklich für ihn.“
Sie wandte sich um und ging zurück zur Straße. Natürlich erwartete sie, dass er ihr folgte. Also warf er noch einen letzten Blick zum einsamen Waldrand und schloss dann zu ihr auf.
Ein weiterer Abend senkte sich finstergrau auf die Landschaft. Wind peitschte über die Hügel und verwirbelte Reriks Haar. Er weilte auf seinem Stein und blinzelte mit tränenfeuchten Augen zum Wald hinüber. Als Deria kam, setzte sie sich neben ihn, obwohl kaum Platz auf dem Felsen war. Ihr Körper war warm und könnte vielleicht die Kälte vertreiben. Rerik faltete die Hände und zwang sich zu einem Lächeln, doch Deria sah ihn nur ernst an.
„Ich hatte gehofft, du würdest mich irgendwann fragen, ob ich dich heiraten möchte“, sagte sie nach einer Weile.
Rerik schluckte. „Das werde ich auch.“
„Aber wann denn?“ Auf Derias Stirn erschienen zornige Falten. „Ich warte seit drei Jahren.“
„Ich muss vorher etwas erledigen“, sagte Rerik matt.
Deria sprang auf. „Vergiss den verdammten Seelenwald! Vergiss Karyan und die Legenden.“
„Du verstehst nicht“, sagte er.
Deria schnaubte laut. „Du denkst, wenn du deine Seele und dein Blut für ein Königreich verkaufst, bist du glücklicher? Was ist mit deinem Leben hier? Ist das so schlecht?“
Rerik starrte sie an. Ihr Gesicht war auch im Zorn noch hübsch, und ihre blauen Augen blickten so klug, dass es wehtat. „Seit wann weißt du es?“
Deria verschränkte die Arme und holte tief Luft. Dann war ihre Stimme wieder ruhiger. „Es ist das mindeste, wenn man jemanden liebt. Du hättest es mir selbst sagen sollen.“
Rerik fixierte die Grashalme. Im Dämmerlicht verloren sie ihre Farbe. Er hatte immer gewusst, was sie sagen würde. Dass er sein altes Leben vergessen solle. Aber das konnte er nicht. Der Magierkönig