Название | Dann stirb doch selber |
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Автор произведения | Dagmar Isabell Schmidbauer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783746794990 |
„Es war kein Zufall, dass Harry Kaufmann an diesem Brückenpfeiler starb!“ Entsetzt sah ich sie an. Wie konnte sie mir das so ruhig an den Kopf werfen. „Wir haben einen Zeugen, der aussagte, dass das Auto hinter Ihrem Freund sehr dicht aufgefahren ist und ihn von der Straße abgedrängt hat. Das Auto war ziemlich markant, und ich dachte mir, Sie würden es vielleicht kennen.“
Die Kommissarin lehnte sich zurück und ließ ihre Hände bewundernd über die hölzernen Pranken gleiten. Dann erzählte sie mir etwas von Alufelgen und Heckschürzen.
„Was soll das sein?“, fragte ich irritiert.
„Das Auto war hergerichtet, und da jeder, der etwas fürs Herrichten übrig hat, sein Auto ganz individuell verschönert, ist es fast so gut wie ein Nummernschild!“
„Tut mir Leid, ich kenne niemanden, der sein Auto herrichtet!“
„Schade!“
Ja, schade, dachte ich. Harry war von einer blonden Frau abgelenkt worden, deshalb ist er an einen Brückenpfeiler gefahren, aber das werde ich ihr um nichts in der Welt sagen.
Wieder strich sie über die Holzpranken.
„Sie sind wunderschön!“ Ich nickte, ihre Nägel waren mit einem leichten Rosaton gestrichen und fein gefeilt.
„Gibt es vielleicht jemand, der sich an ihm rächen wollte? Wie war das Umfeld, in dem er sich bewegte, ist er womöglich in schlechte Gesellschaft geraten?“
Jetzt reichte es mir aber. Was wollte diese Frau eigentlich von mir? Ohne zu antworten ging ich ins Schlafzimmer, wollte mich anziehen, wollte meine Ruhe dabei haben.
Auf dem Fliesenboden folgten mir ihre Schritte; kalt und hart.
Ich ergriff das erstbeste Sweatshirt und zog es mir über den Kopf. Als ich durch den Ausschnitt war, stand sie ganz dicht vor mir. Ich roch ihr Parfum und ich roch den kalten Rauch, den sie aus allen Poren verströmte. Sie war aufgeregt, sie schwitzte!
„Hatte Harry Kaufmann Geheimnisse vor Ihnen? Versuchte er etwas zu verbergen, benahm er sich ungewöhnlich, war er vielleicht über etwas besorgt?“ Heftig bombardierte sie mich mit ihren Fragen.
„Besorgt?“
„Oder erfreut? Ja, hatte er in letzter Zeit besonderen Grund zur Freude? Gab es irgendetwas, das Ihnen merkwürdig vorkam?“
Natürlich hatte er Grund zur Freude, natürlich war er manchmal besorgt; nur ging sie das nichts an! Ich sagte es ihr, vielleicht um eine Spur freundlicher. Dann ging ich ins Bad, um mich zu kämmen. In dem Moment spürte ich zum ersten Mal ein heftiges Jucken in der Kniekehle. Verstohlen begann ich zu kratzen, aber es wurde dadurch nur noch schlimmer.
„Sie haben einen verdammt tollen Ausblick von hier oben!“ Sie stand schon wieder hinter mir und sah aus dem Fenster. Von unserer Wohnung aus konnte man die ganze Stadt überblicken. „Das ist sicher nicht ganz billig.“ Sie ließ ihren Blick über die in Marmor gefasste Badewanne wandern.
„Nein!“, sagte ich und überlegte, wie viel so eine Kommissarin wohl verdiente. Sollte ich sie danach fragen? Vielleicht steckte sie ja in Zahlungsschwierigkeiten und wollte Harry jetzt etwas andichten, um eine Gehaltserhöhung durchzusetzen!
„Wir fahnden bereits nach dem grünen Sportwagen, aber wenn Sie etwas wissen, wäre es wirklich besser, Sie sagen es uns!“
Für eine zierliche Frau hatte sie ganz schön große Ohren. Damit ich dich besser hören kann! Ich nickte ihr zu; die Grundvoraussetzung für gute kriminalistische Arbeit war ein gutes Gehör. Man musste in der Lage sein, Feinheiten herauszuhören.
„Frau Morgenroth!“, begann sie erneut, aber ich blieb störrisch, was sollten diese ganzen Fragen, Harry war beliebt, es gab niemanden, der ihm etwas zuleide tun wollte.
„Wenn Ihnen noch etwas einfällt, dann rufen Sie mich doch bitte an!“ Auf ihrer Karte stand: Klara Eibel-Fertigmann, ihre Adresse und die Durchwahlnummer ihres Büros. Dann ging sie allein Richtung Wohnungstür. Wir hatten nur eine, sie würde sich also nicht verlaufen, und ich hatte sowieso nicht die Kraft, ihr zu folgen. Reglos blieb ich am Waschbecken und wartete auf das Zuschlagen der Tür, das Zeichen, dass sie endlich weg war. Doch stattdessen stand sie plötzlich wieder vor mir und fragte: „Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wo Harry Kaufmann an diesem Abend hin wollte?“
6. Szene
Magdalena
Hatte ich nicht! Obwohl ich mir diese Frage in den letzten Stunden immer wieder gestellt hatte. Nun saß ich am Esstisch, den Kopf in die Hände gestützt, starrte auf die Obstschale und dachte über Harrys letzte Fahrt nach. Hatte er mit ihr im Hof Halt gemacht oder war sie erst dort eingestiegen? Blond war eine Haarfarbe, die Millionen von Frauen trugen.
Am Morgen war Harry wie immer in sein helles Sakko geschlüpft und hatte sich noch einmal im Spiegel gemustert. Wie sehe ich aus, hatte er gefragt, und ich hatte ihm lachend bestätigt, dass ich keinen besser aussehenden Mann kennen würde.
„Auch nicht deinen Chef?“
„Auch den nicht.“ Es war rührend, wenn er den Eifersüchtigen spielte.
Mit dem silbernen Koffer war er davongefahren; wie immer, alles wie immer, und doch ... Ich nahm einen Apfel und warf ihn von einer Hand in die andere. Wie beim Tennis, von rechts nach links, von links nach rechts, von rechts nach links. Harry hatte am Wochenende an dem großen Tennisturnier in seinem Club teilnehmen wollen.
Das Klopfen an der Tür erschreckte mich. Der Apfel fiel aus meiner Hand, knallte mit einem satten Plopp auf den Boden und rollte weiter bis zum Kamin. Zweimal lang, zweimal kurz, Sylvias Zeichen. Mühsam erhob ich mich, seit Freitag fühlte ich mich nur noch müde und ausgelaugt. Hatte keine Kraft mehr, um irgendetwas sinnvoll anzupacken.
„Hast du deine Tabletten genommen?“ Es war tatsächlich Sylvia, und sie hatte noch nicht mal die Tür hinter sich zugemacht. Ich schüttelte den Kopf, sie verdrehte die Augen und zupfte nachdenklich an ihrem Hals. „Warum nicht?“, fragte sie schließlich.
„Sie machen mich matschig.“ Ich sah zu dem Apfel, der immer noch vor dem Kamin lag, „und sie nehmen mir die Möglichkeit, sinnvoll zu denken!“
„Es geht nicht immer alles logisch zu im Leben!“ Sylvia rieb sich die Arme, sie schien zu frieren. Ich hob den Apfel auf und legte ihn in die Obstschale zurück. Harry hatte sie gern gegessen, mir waren sie zu sauer.
„Warum hast du ihn hergebracht, er ist Urologe und hat überhaupt keine Ahnung!“
Sylvia setzte ihr Krankenschwesterlächeln auf.
„Was glaubst du wohl, was wir auf der Urologie so den ganzen Tag erleben? Da kommen nicht nur alte Herren, die Probleme beim Pinkeln haben, da geht es wirklich lebensnah zu, viel interessanter als auf der Gyn!“ Die alte Leier!
„Schon!“, antwortete ich vorsichtig, um mir nicht auch noch die neueste Geschichte irgendeines Sexbesessenen anhören zu müssen, der es mit dem Staubsauger versucht hat und sein bestes Stück anschließend wie Wackelpudding zum Verbinden bringen musste.
„Aber ich wollte auch keinen Gynäkologen! Ich wollte einen Menschen, der alles wieder ungeschehen macht!“
Sylvia ging zielstrebig ins Schlafzimmer. Verwundert schaute ich ihr nach. Die hellrote Radlerhose, die sie sich an diesem Tag auf die Hüften gezwängt hatte, saß ein wenig straffer als sonst, was natürlich auch an unserer Gemeinschafts-Waschmaschine liegen konnte, denn auch das T-Shirt hatte enorm an Farbe verloren und ließ nur noch schwer die einst bunten Blockstreifen erahnen. Ich sollte mit meiner Wäsche in nächster Zeit vorsichtiger umgehen, vielleicht war ja der Thermostat kaputt. Als sie zurück kam, hielt sie das kleine braune Glas mit den bunten Pillen in der Hand, die schon die letzte Nacht neben meinem Bett zugebracht