Название | Dann stirb doch selber |
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Автор произведения | Dagmar Isabell Schmidbauer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783746794990 |
„Ich kann’s immer noch nicht fassen, der hat den einfach an den Pfeiler klatschen lassen!“ Obermüllers Körper wurde von einem Schauer geschüttelt. Vorsichtig nippte ich an meinem Kaffee. Der Automat hatte es mal wieder zu gut mit mir gemeint.
Wegerbauer war ganz auf seinen Kollegen fixiert. „Eigentlich müssten wir noch einmal zu der Freundin, ich hab richtig Angst, die war ja so was von fertig. Wenn ich an ihren Schrei denke, kriege ich eine Gänsehaut!“
Obermüller nickte. Er war schon ewig hier, wie er mir kürzlich bei einem Bier im Hemingway´s erzählt hatte. Als geographische Einführung hatte er mich an alle wichtigen Punkte der Stadt geführt und versucht, mich unter den Tisch zu trinken. Aber so leicht, wie sich das manche Männer vorstellen, ist es bei mir nicht.
„Ich weiß nicht, was ich täte, wenn einer meine Frau so an einen Betonpfeiler drücken würde.“
Mit einem schmalen Plastiklöffel rührte ich den Zucker um, trank erneut und musste husten.
„Ah, Kollegin Eibel!“, begrüßte mich Obermüller und schenkte mir ein gefälliges Grinsen. Dabei könnte ich schwören, dass nichts zwischen uns passiert war.
„Frau Fertigmann!“, ergänzte Wegerbauer und nickte mir zu. Für Doppelnamen hatten die beiden ebenso wenig übrig wie für Gesetzesbrecher. Obermüller war bekannt dafür, dass er nach einer Schlägerei auch schon mal zwei auf einen Streich zur Vernehmung brachte. Fein ging er dabei nicht vor, aber das verdienten sie seiner Meinung nach auch nicht. Ich konnte mir also gut vorstellen, was er wohl mit dem Autofahrer machen würde.
„Guten Abend Kollegen, gibt’s Probleme?“
Obermüller reckte sich. „Nun ja, eigentlich nicht, aber wir überlegen gerade, ob unser Fall nicht viel besser in den Händen einer Frau aufgehoben wäre!“
Er warf Wegerbauer einen beschwichtigenden Blick zu. In die Hände einer Frau gehörten eigentlich nur schmutzige Kaffeetassen, Schreibarbeiten und ein unbefriedigter Willi, aber das meinte er sicher nicht. Abwartend schaute ich ihn an. Der Kaffeeduft reizte mich. Langsam trank ich noch einen Schluck und hakte mich dann mit meinem freien Arm bei Obermüller unter. Er hatte einen Körper wie ein Kleiderschrank, bestimmt würde sich, wenn er dabei war, keiner trauen, seiner Frau auch nur ins Gesicht zu husten.
„Na, dann schildert mir mal die Fakten!“, forderte ich, während wir in sein Zimmer zurückschlenderten.
Wegerbauer schlüpfte vor uns hinein und suchte auf seinem Schreibtisch herum. „Der Unfall passierte gestern Abend gegen 21 Uhr auf der Straße von Passau nach Regen. In Höhe Patriching fuhr ein blauer Van gegen einen Betonpfeiler. Die Kühlerhaube wurde völlig eingedrückt, der Fahrer muss sofort tot gewesen sein. Wir haben einen Zeugen, der aussagte, dass ein grüner Sportwagen direkt hinter dem Verunglückten herfuhr und ihn kurz vor dem Pfeiler von der Straße abgedrängt hat.“
Wegerbauer sah Obermüller erwartungsvoll an. Der nahm ihm das Blatt aus der Hand und fasste weiter für mich zusammen.
„Es gibt keine Hinweise, dass etwas gestohlen wurde, und der Zeuge schien mir auch nicht wirklich glaubwürdig. Er sagte, er hätte es ja nur von hinten gesehen, aber da sei der Sportwagen wirklich geil hergerichtet gewesen.“ Obermüller sah auf das Blatt mit der Zeugenaussage: „...ausladende Kotflügelverbreiterungen, einen großen Heckflügel, Heckenschürze mit weiß laudierten Alugittern und einem Doppelrohrauspuff. Das Nummernschild hat er sich leider nicht gemerkt!“
Ich hatte schon davon gehört, konnte es aber nicht verstehen. Ausgerechnet im ländlichen Bereich, wo so viele Bodenunebenheiten sind, motzen sich die Kerle ihre Autos auf. Sie investierten ihre ganze Kohle in die Schlitten und würden nie auf die Idee kommen, sie freiwillig zu demolieren.
Ich nahm das Blatt und las alles noch einmal selbst durch. Der Zeuge gab an, dass der Wagen richtig brutal von der Straße abgedrängt worden sei, er hielt es für Vorsatz. Warum sollte das jemand tun, noch dazu auf einer so befahrenen Straße, er musste doch davon ausgehen, gesehen zu werden? Ich legte das Blatt zurück.
„Was habt ihr bis jetzt unternommen?“
„Die Leiche ist bei der Obduktion, das Auto bei der Spurensicherung, und die vage Beschreibung ging als Fahndung raus!“
„Auf jeden Fall sollten wir mit der Freundin reden. Wenn es aus Rache geschah, dann hat sie das Auto ja vielleicht schon mal irgendwo gesehen!“
Obermüller sah mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. „Aus Rache, wie kommst du denn darauf?“
„Ein anderes Motiv für eine solche Tat fällt mir momentan leider nicht ein.“
„Aus Rache!“, wiederholte Wegerbauer ungläubig und sah Obermüller an. „Natürlich, sie hat recht!“
Sonntag 18. 8.
5. Szene
Magdalena
Benommen schreckte ich hoch, es hatte an der Wohnungstür geklingelt, und obwohl die Vorhänge zugezogen waren, sah ich, dass es bereits hell war. Sylvia war gestern noch einmal da gewesen, um mich mit Tabletten zu füttern, die mir die Nacht erträglich machen sollten. Sie wirkten wirklich wunderbar, aber sie machten mich auch träge und nahmen mir die Wahl meiner Gedanken. Ich beschloss, sie nicht mehr zu nehmen. Noch einmal klingelte es an der Tür. Verschlafen sah ich auf den Wecker. Wer mochte mich so früh an einem Sonntagmorgen sprechen? Ich schwang die Beine aus dem Bett und fiel beinahe über einen großen braunen Pulli. Harrys Pulli, und er roch einfach wunderbar nach ihm. Schwerfällig hob ich ihn auf und drückte ihn kurz an mich. Er war selbstgestrickt und Harry hatte ihn die Kratzbürste getauft, nachdem er endlich fertig war. Trotzdem trug er ihn oft und gern. Ich legte ihn aufs Bett und schlurfte zur Tür. Harry hatte im Traum gesagt, ich solle gut auf mich aufpassen. Warum träumte ich so etwas?
Im Gang warf ich einen kurzen Blick in den Spiegel. Mein Anblick war fürchterlich und in meinem ganzen Bekanntenkreis gab es nur eine Frau, die wohl niemals in einem solchen Zustand an die Tür gegangen wäre. Julia. Ihre Wohnung lag zwischen Sylvias und unserer. Sie war sozusagen die Pufferzone. Sonst wären zwei völlig konträre Welten aufeinander gestoßen. Julia imponierte mir, weil sie die vorurteilsfreieste Frau war, die ich kannte, und vollkommen tolerant gegenüber allen Andersartigkeiten ihrer Mitmenschen. Wir hatten keine Geheimnisse voreinander, und außerdem war Julia gestern schon einmal hier gewesen. Und gestern sah ich bestimmt keinen Deut besser aus als heute. Es läutete abermals.
„Ich komme!“, rief ich und kämmte mir die Haare eilig aus dem Gesicht. Während ich die Bürste hinlegte, öffnete ich mit der freien Hand die Tür. Ich erblickte eine Frau, die ganz sicher nicht Julia war, obwohl Julia wirklich sehr wandlungsfähig sein konnte. Die Frau trug eine weite Palazzohose und ein weißes Shirt, vermutlich aus Seide. Ihre Haare waren kinnlang und gewellt. Über der Schulter hing eine Handtasche. Verlegen strich ich meine Haare hinter die Ohren. Sie sah so taufrisch aus.
„Hauptkommissarin Klara Eibel-Fertigmann!“ stellte sie sich vor und hielt mir einen Ausweis entgegen. „Frau Morgenroth, ich würde gerne noch einmal mit Ihnen über den Unfall sprechen!“ Abwartend blieb sie im Türrahmen stehen.
Ich nickte. „Gehen Sie nur durch!“ bat ich und versuchte, während ich ihr folgte, vergebens, mein ausgebleichtes Nachthemd ein wenig in die Länge zu ziehen.
Sie mochte Mitte Vierzig sein und ging sehr aufrecht. Ob sie sich vorstellen konnte, dass ich vor lauter Sehnsucht nach Harry mit seinem dicken kratzigen Pulli ins Bett gegangen war?
Auf dem Esstisch lagen einige Fotoalben herum, die ich hastig schloss. Es ging sie nichts an.
„Entschuldigen Sie bitte das Durcheinander!“, sagte ich schlicht und räumte die Sachen ins Regal zurück, dann bot ich ihr einen der Tigersessel vor dem Kamin an.
„Geht es Ihnen heute wieder etwas besser?“, fragte sie und sah mich abschätzend an. Um sie zufrieden