Juma. Ralf Lothar Knop

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Название Juma
Автор произведения Ralf Lothar Knop
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753191225



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verderbt und nur durch die Gnade Gottes, so wie es auch bei ihm selbst geschehen war, konnte er sich zu einem guten Menschen wandeln. Nur wenn der Mensch seinen eigenen Willen aufgab, konnte er Gottes Willen erfüllen.

      Nachdem Karl alias Augustinus den ganzen Aufsatz gelesen hatte, war ihm klar, dass es sich bei Nietzsche um einen Menschen voller Verachtung für die Menschen und die Welt und vor allem auch für Gott handle; er war ein Anwalt des Teufels und ein Feind Gottes, den man zum Schweigen bringen musste, seine Schriften sollten einfach verboten werden.

      Karl alias Augustinus war nun bereit mit Carl über diese Schrift zu diskutieren und er würde ihm in aller Deutlichkeit sagen, dass er ihn in Zukunft bitte mit solchen gotteslästerlichen Schriften verschonen solle.

      Feuerbach

      Kaum hatte Karl alias Augustinus wieder in Carls Arbeitszimmer Platz genommen, wurde Carl wegen einer wichtigen Angelegenheit aus dem Zimmer gebeten. Während Karl alias Augustinus sich im Zimmer umschaute, entdeckte er eine Mappe mit der Aufschrift „Karl Marx“ auf dem Schreibtisch und natürlich konnte er seine Neugier nicht zügeln, er ging um den Schreibtisch herum und schlug die Mappe auf.

      Diagnose:

      Dissoziative Identitätsstörung verbunden mit wesentlichen Anteilen einer Schizophrenie (endogene Psychose, Realitätsverlust, Wahnvorstellungen)

      Bei Herrn Marx zeigte sich in der Vergangenheit eine rücksichtslose Männlichkeit und damit verbunden der Ehrgeiz, nach höchsten Zielen zu streben. Dies äußerte sich in einer Gewalttätigkeit gegenüber Dummheit, Verbohrtheit, Ungerechtigkeit und Faulheit. Er zeigte eine Opferwilligkeit für das als richtig Erkannte, die an Heroismus grenzt. Weiterhin konnte ich bei ihm beobachten Ausdauer, Unbeugsamkeit und Zähigkeit des Willens, Neugier, die auch die Welträtsel nicht schrecken und schließlich einen revolutionären Geist, der seinen Mitmenschen ein neues Haus baut oder der Welt ein anderes Gesicht aufsetzt.

      Aufgrund eines traumatischen Erlebnisses, das in der Therapie bislang noch nicht identifiziert werden konnte, versuchte Herr Marx sich zu erlösen, indem er zeitweilig eine andere Identität annimmt, diese andere Identität ist der Kirchenlehrer Augustinus von Hippo, der sich dadurch auszeichnete, dass er sich von einem Saulus in einen Paulus verwandelte, sodass Herr Marx nun die Möglichkeit hat, sich selbst in einem positiven Licht zu betrachten.

      Augustinus hatte einen Mutterkomplex, durch den er unbewussterweise die Mutter in jedem Weibe suchte. Er hatte sehr viele sexuelle Beziehungen zu vielen verschiedenen Frauen und schließlich eine fünfzehn Jahre dauernde uneheliche Beziehung zu einer Frau, mit der er auch einen Sohn zeugte. Durch ihre Beharrlichkeit und ihr intrigantes Vorgehen erwirkte die Mutter die Trennung von dieser Frau, sorgte dafür, dass ihr Sohn sich taufen ließ und schließlich ein anerkannter Bischof wurde.

      Es ist noch nicht eindeutig, ob Herr Marx sich lediglich in der Frömmigkeit des Augustinus als Gegenpol zu seinem eigenen Leben spiegelt oder ob auch Herr Marx an einem Mutterkomplex leidet.

      Therapie:

      In diesem Moment öffnete sich die Tür des Arbeitszimmers, sodass Karl alias Augustinus nicht weiterlesen konnte, er machte die Mappe schnell wieder zu und ging auf seinen Platz zurück. Carl tat so, als hätte er nicht bemerkt, dass Karl alias Augustinus in seinen Unterlagen geblättert hatte, schließlich konnte es nicht schaden, wenn er seine Diagnose kannte.

      „Ich bitte diese Verzögerung zu entschuldigen. Es war mal wieder eine dieser impertinenten Personen am Telefon, die sich einfach nicht von meiner Sekretärin abwimmeln ließ. Eine gewisse Ellis Wogel bestand darauf, mich persönlich sprechen zu müssen, da es außerordentlich dringend sei. Sie könne ihre Homosexualität einfach nicht länger ertragen und außerdem dulde ihre Partei, die AfS, keine lesbische Frau an ihrer Spitze, deshalb müsse sie unbedingt sofort bei mir eine Therapie machen.

      Ich habe ihr klargemacht, dass Homosexualität keine Krankheit sei und dass ich der Überzeugung bin, dass Nazis absolut untherapierbar seien, woraufhin sie einfach den Hörer auflegte. Ich hoffe, dass sie nicht mehr anruft, aber ich muss jetzt natürlich damit rechnen, dass sie mich wegen sexueller Diskriminierung anzeigt. Es ist doch erstaunlich, dass diese Nazis, deren einzige Politik darin besteht, andere Menschen zu diskriminieren, so empfindlich sind, wenn es sie selbst betrifft.

      Aber jetzt wollen wir endlich von ihnen reden, mein lieber Herr Augustinus. Haben Sie den Text von Nietzsche gelesen?“

      „Wer ist Augustinus? Mein Name ist Marx, Karl Marx. Ich habe die Welt in Angst und Schrecken versetzt vor allem durch meine Werke ‚Manifest der Kommunistischen Partei‘ und ‚Das Kapital‘. Die Menschen sind so erschrocken, dass sie sogar sagten ‚Ein Gespenst geht um in Europa‘. Dabei habe ich nur unser politisches und ökonomisches System ganz sachlich analysiert und bin dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die große Mehrheit der Menschen in unserer Gesellschaft von einer Minderheit ausgebeutet wird und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Mehrheit sich von diesem Joch befreit. Die Expropriierten müssen sich von der Expropriation durch die Expropriateure befreien, damit sie endlich ein freies und menschenwürdiges Leben führen können.

      Diese Minderheit, die sich auf Kosten der Mehrheit bereichert, wird von einer solchen Angst um ihren Reichtum getrieben, dass sie sogar die Kirche in ihren Dienst gestellt hat, um die Menschen von ihrem Elend abzulenken und sie auf ein Jenseits zu vertrösten, in dem sie dann glücklich werden.

      Ich nehme an, dass ich ja deshalb den Aufsatz von Friedrich Nietzsche lesen sollte, denn er sagt vollkommen richtig‚ dass ‚die Menschen selber sich ökumenische, die ganze Welt umspannende Ziele stellen‘ müssen, wobei sie möglicherweise im Interesse der Bedürfnisse der Menschheit unter Umständen sogar böse Aufgaben erfüllen müssen.

      Mein Freund Ludwig Feuerbach hat zu diesem Zweck zum Beispiel die Religion als das entlarvt, was sie in Wirklichkeit ist, wenn er darauf hinweist, dass das angebliche Bewusstsein Gottes nichts weiter ist als das Selbstbewusstsein des Menschen und dass die Erkenntnis Gottes nichts weiter ist als die Selbsterkenntnis des Menschen. Übrigens war Feuerbach bei weitem nicht der Erste, der diese Erkenntnis hatte, sondern schon der Vorsokratiker Xenophanes hat bereits fünfhundert Jahre vor Christus darauf hingewiesen, dass die religiösen Götterbilder durchaus nichts anderes seien als Projektionen menschlicher Erfahrungen, Hoffnungen und Befürchtungen. Schon Xenophanes hat sehr deutlich gesagt, dass die Menschen Gott nach ihrem eigenen Bild formen, während sie das Gegenteil behaupten.

      Das Christentum selbst hat ja Gott zum Menschen erniedrigt und dadurch den Menschen zu Gott gemacht. In der Religion offenbart sich die Liebesfähigkeit des Menschen, seine Liebe ist fatalerweise jedoch auf ein vermeintlich anderes Wesen gerichtet, er liebt also sich selbst als ein anderes Wesen. Der Mensch hat Gott nach seinem Ebenbild geschaffen, wenn ein Mensch also Gott erkennt, dann erkennt er sich selbst in seiner Vollkommenheit. Ein Gott ohne Liebe, Weisheit und Gerechtigkeit ist kein Gott und diese Eigenschaften sind nicht göttlich, weil Gott sie hat, sondern Gott hat sie, weil sie göttlich sind, ohne diese Eigenschaften wäre Gott ein mangelhaftes Wesen, daraus folgt, dass der Mensch ohne diese Eigenschaften nicht vollkommen ist.

      Die Religion macht nun den fatalen Fehler, dass sie behauptet, Gott könne nur allmächtig sein, wenn der Mensch ohnmächtig ist, der Mensch muss also alle positiven Eigenschaften an sich verneinen, um sie Gott zuschreiben zu können. Gott ist alles und der Mensch ist nichts, obwohl sich doch Gottes Handeln nicht vom Handeln des Menschen unterscheidet. So wie ich gezeigt habe, dass der Mensch durch die moderne Produktionsweise von sich selbst entfremdet wird, so hat Feuerbach gezeigt, dass die Religion die Entfremdung des Menschen von sich selbst ist, da er sich Gott als ein fremdes Wesen gegenübersetzt, sodass er sich von sich selbst entzweit. Es ist endlich an der Zeit, dass wir die an den Himmel verschleuderten Güter wieder auf die Erde zurückholen.

      Seitdem der Mensch denken kann, ist er auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, also nach einer letzten Ursache, die durch nichts Anderes verursacht wird oder wie schon Aristoteles es vor über zweitausend Jahren formuliert hat, da alles, was bewegt wird und bewegt, immer ein Mittleres ist, sucht der Mensch nach etwas, das bewegt, ohne selbst bewegt zu werden. Den Grund für diese letzte Behauptung ist Aristoteles