Ich wollte nie Kaiserin werden. Carina Zinkeisen

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Название Ich wollte nie Kaiserin werden
Автор произведения Carina Zinkeisen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754179765



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Eintreten des Kaiserpaares Verdis Gefangenenchor an, um uns dazu zu bewegen, gekränkt die Oper zu verlassen. Irgendwie ist es mir gelungen, den Kaiser zu besänftigen, indem ich dem Chor applaudiert habe. Wir sind bis zum Ende der Vorstellung geblieben und ich habe mir mit großem Vergnügen Tante Sophies Gesicht ausgemalt.

      Die Musik war aber auch zu herrlich!

       20. Januar 1857

      Franz Joseph hat General Radetzky, den Gouverneur und militärischen Oberbefehlshaber von Lombardo – Venetien, all seiner Ämter enthoben. Dies war auch an der Zeit, der Name Radetzky steht in ganz Oberitalien als Synonym für Unterdrückung. Er wird von Erzherzog Maximilian von Österreich, dem Bruder des Kaisers, abgelöst. Dies begrüße ich sehr, da Maxi sehr viel liberaler als der Kaiser ist. Maxi ist auch irre klug, er spricht acht Sprachen, liebt Literatur und schreibt melancholische Gedichte wie Heinrich Heine, mein liebster Schriftsteller.

      Er reiste gestern an und wir verstehen uns prächtig. Er ist viel lockerer und umgänglicher als sein Bruder. Allerdings taucht der Name seiner Verlobten, Charlotte von Belgien, viel zu häufig in den Gesprächen auf, was mich merkwürdigerweise eifersüchtig macht.

       25. Januar 1857

      Maximilian ist jetzt Vizekönig und Gouverneur von Lombardo – Venetien. Ob das genügt, ich weiß es nicht. Die Italiener wollen uns nicht liberaler und humaner wie Maxi es zweifelslos ist, sie wollen, dass wir verschwinden. Aber das würde der Kaiser nie tun.

      Vielleicht kann man trotzdem ein kleines Evviva hören, denn Max ist als Generalgouverneur von Mailand gewiss beliebter als Radetzky, der sehr hart zu den Italienern war.

      „Mama“, sagt Sophie und zupft an mir herum. Lachend versteckt sie ihr kleines Gesicht in meinem Rocksaum. Sie ist nicht mehr so blass wie in Wien, bricht nicht mehr dauernd und hustet weniger. Ach möge der Schatten des Kränkelns, der auf ihr liegt, von ihr weichen.

       17. März 1857

      Wir sind wieder in Wien. Die kleine Gisela hat mich gar nicht erkannt und keine Miene verzogen. Gar Angst hatte sie angeblich vor mir. Das Werk der Erzherzogin. Paula Bellegarde meint jedoch, dies sei bei so kleinen Kindern durchaus normal, was ich aber nicht glaube. Sophie war ja auch erzürnt, dass wir Sophie nach Italien mitnahmen. Angeblich behaupten böse Zungen, dass der Kaiser die Kleine nur mitnahm, um sich vor möglichen Attentätern zu schützen. Welch Unsinn! Von nun an werde ich meine Kinder auf die Reisen mitnehmen. Sophie ging es im Süden gut. Kein einziges Mal war sie kränkelnd.

      Franz sitzt immerfort über seinen Akten. Und ich soll den verhassten Cercle wieder aufnehmen. In den Augen dieser hochnäsigen Adelsleute, die fast alle miteinander verwandt sind, bin ich eine dumme Göre aus Bayern, deren Ahnentafel es weder mit dem österreichischen noch mit dem böhmischen Hochadel mithalten kann. Sie verachten mich und lästern wahrscheinlich hinter meinem Rücken über mich und geben mir Schimpfnamen.

       18. März 1857

      Heute ist etwas Entsetzliches passiert!

      In meinen Privatgemächern lag ein sehr altes Buch mit vergilbten Blättern auf meinem Schreibtisch.

      Auf französisch stand da zu lesen: „Der Krone, Erben zu schenken, ist das Lebenswerk einer Königin. Der Herrscher, der seiner Frau antwortete: Wir haben Euch erwählt, damit Ihr uns Söhne schenkt und keine Ratschläge, war allen anderen ein gutes Beispiel. Das nämlich ist das Schicksal und die natürliche Bestimmung der Königinnen. Wenn sie sich nicht daranhalten, werden sie zur Wurzel allen Übels. Wie Katharina von Medici und Anna von Österreich. Wenn eine Königin schon das Glück hat, einem Staat Prinzen zu schenken, so sollten sie dafür ihren ganzen Ehrgeiz einsetzen und sich unter keinen Umständen in die Regierungsgeschäfte einmischen, denn diese sind nun einmal keine Angelegenheiten für eine Frau. Eine Fürstin, die keine Söhne zur Welt bringt, ist eine Fremde im eigenen Land, eine äußerst gefährliche Fremde sogar.“

       Ratschläge für die Königin Marie Antoinette, ausgedacht und niedergeschrieben von jemanden, der sein Land und seine Herrscher liebt.

      Sie wollen mich verletzen und mir Angst machen, für sie bin ich niemand, solange ich keinen Sohn zur Welt gebracht habe. Ich muss unbedingt einen Sohn bekommen. Ich frag mich auch, wer diesen schrecklichen Text auf meinen Sekretär gelegt hat, wer mich so sehr hasst? Gewiss Sophie oder Erzherzog Albert, denn die zürnen mir, dass der Kaiser durch mich milder und liberaler wurde und Radetzky abgesetzt hat.

      Und dennoch:

      Ich muss meine Pflichten tun!

      Dem Kaiser einen Erben schenken!

      Ansonsten bin ich für den Kaiser eine Last!

      Angeblich soll Maria Theresias Vater, Kaiser Karl VI., seiner Frau Elisabeth Christine nach dem Leben getrachtet haben, weil sie nur Mädchen zur Welt brachte. Interessanterweise starb er aber vor ihr, eventuell an einer Vergiftung mit Knollenblätterpilzen.

      Auch die erste junge Gemahlin Kaiser Leopolds I, soll eines nicht ganz natürlichen Todes gestorben sein.

      Napoleon hat seine heiß und innig geliebte Josephine verbannt, weil sie ihm keine Kinder schenkte. Und Josephine soll wie ich wunderschön gewesen sein.

      Mir graut!

      Ich brauch dringend einen Sohn!

       28. April 1857

      Wir fahren nach Ungarn, ich freue mich wahnsinnig auf diese Reise.

      Ungarn, mein Herzensland.

      Wie gerne kehre ich Wien den Rücken zu, es kommt einer Befreiung gleich.

      Natürlich steht es auch in Ungarn nicht zum Besten. Das Land ist besetzt, unterdrückt, unzufrieden und es hasst die Österreicher aus tiefster Seele. Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, liebe ich dieses Land wie kein zweites und nichts, aber auch gar nichts, kann mich davon abhalten, vor allem da Tante Sophie Ungarn hasst wie die Pest.

      Die Ratgeber des Kaisers haben in Italien gemerkt, wie gut ich auf rebellische Untertanen wirke.

      Ich erinnere mich so gerne am Janos Majlath und meine letzten Tage in Possi. Wie er von seiner schönen Heimat geschwärmt hat und ich mir ganz fest vorgenommen habe, diesem wunderbaren Land zu helfen. Jetzt kann ich es einlösen und Herr Majlath wäre stolz auf dich. Ich lerne eifrig ungarisch und hoffe, es besser zu lernen als italienisch und tschechisch. Die Italiener waren nämlich gar nicht zufrieden mit meiner Sprache. Hoffentlich werden es die Ungarn sein. Ich darf sie nicht enttäuschen.

      Seit Janos Majlath habe ich keine echten Ungarn mehr gesehen. Die Ungarn am Wiener Hof sind mir zu angepasst und durch den Umgang am Hof verdorben. Ich kann sie nicht als echte Madjaren akzeptieren.

      Wir nehmen beide Mädchen mit. Tante Sophie war nicht begeistert, da Gisela noch so klein ist, hat aber dann zugestimmt, weil Dr. Seeburger, unser Leibarzt, mitfährt. Und mit Sophie ging in Italien ohnehin alles recht gut.

      Allerdings hat sie mich damit natürlich gezankt, weil ich die Kinder mitnehme, da Sophie immer noch zahnt und gerade erst krank war.

      Wir haben aber Dr. Seeburger dabei.

      Es kann uns nichts passieren.

       04. Mai 1857

      Wir sind mit dem Schiff über Preßburg nach Budapest gefahren. Budapest ist wunderschön. Es besteht aus zwei ganz verschiedenen Städten, Buda und Pest. Buda ist