Ich wollte nie Kaiserin werden. Carina Zinkeisen

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Название Ich wollte nie Kaiserin werden
Автор произведения Carina Zinkeisen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754179765



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      „An was denkst du gerade“, reißt mich Franz aus meinen Gedanken.

      „An nichts Besonderes“, schwindle ich „Ist es nicht herrlich, spazieren zu gehen. Wir haben eine gemeinsame Leidenschaft, die Natur, ist das nicht wunderbar?“

      Franz nickt und zieht mich mit sich fort.

      Keiner von uns beiden verschwendet einen Gedanken an Tante Sophie. Sophie, die erzürnt ist, dass die Mädchen nicht mehr in ihrer Nähe untergebracht sind. Sie hat gar gedroht, die Hofburg zu verlassen und ihre Stellung bei Hofe aufzugeben (herrlich!), wenn wir nicht augenblicklich nach Hause kommen und unser Leben weiter unverantwortlicherweise beim Bergwandern aufs Spiel setzen. Wir sollen die Kinder in ihre Obhut zurückbringen.

       18. September 1856

      Zurück in Wien!

      Meine Töchter sind bei mir und Franz untergebracht. Der Kaiser hat noch einmal einen sehr direkten Brief an seine Mama geschrieben, dass ich eine selbstlose Gattin und Mama bin und sie mich mit Nachsicht behandeln soll. Zudem hat er ihr auch klar gemacht, dass es für uns ein Unding ist, lange Wege auf uns zu nehmen, um unsere eigenen Kinder zu sehen und dann dort wildfremde Menschen vorzufinden.

      Ich werde im November nach Italien fahren. Ich freue mich ganz besonders auf das Meer. Ich war noch nie am Meer. Ich werde reisen und glücklich sein. Die kleine Sophie nehmen wir mit, gottseidank nicht die große. Die große ist natürlich dagegen, dass die Kleine mitfährt, weil sie zart ist, sich viel erbricht und oft kränkelt. Ich denke, der Winter im Süden tut ihr gut, das Klima soll dort sehr milde sein. Und auch mir wird es gut gehen. Sobald ich die Hofburg verlasse, habe ich keinen Husten und kein Kopfweh mehr.

       21. November 1856

      „Blau“, sagte Sophie und strahlte mich an. Das Meer ist blau, ein wunderschönes, leuchtendes Blau, viel schöner als das dunkle Wasser des Starnberger Sees. Die Adria gefällt mir viel besser, ich habe noch nie so etwas schöneres gesehen, nicht einmal in den Bergen. Ich würde gern hier ein Haus haben, weg aus Wien ziehen. So ganz utopisch ist das eigentlich gar nicht, da Italien zur Monarchie gehört.

      Ich schaute von den dalmatinischen Bergen hinunter auf das Meer, ein herrlicher Anblick, die Hafenstadt Triest breitete sich zu unseren Füßen aus.

      „Ja, blau“, sagte ich zu Sophie und strich über ihren Kopf, „das Meer ist blau, es ist wirklich ein Traum.“

      Die Stimmung in Italien ist allerdings feindlich. Man hat versucht, uns schon gestern in Triest umzubringen. Wir wollten auf das Meer rausfahren, worauf ich mich sehr gefreut hatte. Kurz bevor das Schiff anlegte, war jedoch eine, zwischen zwei Schiffsmasten aufgehängte, Kaiserkrone aus Kristall auf das Deck gestürzt und in tausend Splitter zersplittert, sodass wir nicht fahren konnten. Ich dachte zuerst an einen Schuss und riss die kleine Sophie aus den Armen der Gräfin Esterházy, so sehr hatte ich mich erschrocken. Es wurde zwar gottseidank niemand verletzt, es war aber wahrscheinlich ein Attentat, uns hat man versucht zu beruhigen und die Ursache des Unglücks auf den Bora, den Wind, der aufgekommen war, zu schieben, was wir nicht recht glauben konnten. Während des Empfangs im Triester Rathaus brach auch noch ein Feuer aus.

      Es war wie Grünne mir sagte: Ablehnung und Hass, unser Leben in Gefahr und wir müssen den Mut und die Entschlossenheit der Dynastie unter Beweis stellen.

      Die Italiener können uns, ihre Besatzer, genauso wenig leiden wie die Ungarn und wollen nicht mehr zu Österreich gehören. Sie wollen ihre Freiheit haben, was ich verstehen kann.

       24. November 1856

      Wir sind heute in Venedig angekommen!

      Eine bezaubernde Stadt mit herrlichen Bauwerken und weiten, lichtdurchfluteten Plätzen und das Meer fließt durch die Stadt hindurch. Überall ist das herrlich blaue Meer und Sophie ruft die ganze Zeit begeistert „blau“. Leider sind die Menschen sehr unfreundlich und ich sehe keine lächelnden Gesichter. Sie hassen uns und zeigen es uns deutlich. Wir sind auf einer Galeere in die Stadt eingefahren, es wäre schön gewesen, wenn nicht am weiten Markusplatz bei San Marco die schweigende Masse gewesen wäre. Kein einziges „Evviva“, nur vereinzelte, verzweifelte Hochrufe der österreichischen Soldaten, die „Hoch“ und „Hurra“ riefen. Der venezianische Adel war erst gar nicht erschienen, sondern blieb auf seinen Landsitzen. Eine zum Zerreißen gespannte Stimmung, es riecht förmlich nach Krieg.

      Und dennoch konnten Sophie und ich unsere Blicke nicht vom Meer losreißen. Das wunderbar blaue Meer. Ich hätte so gerne hier ein Haus. Es wäre so leicht, diese Stadt zu lieben, bis zum Wahnsinn zu lieben.

      Nur von meinen Hofdamen begleitet werde ich die Stadt zu Fuß erkunden. Die Venezianer werden meine Schönheit und meinen Charme rühmen.

       30. November 1856

      Gestern haben wir einen Empfang im Dogenpalast gegeben. Die vornehmen Familien waren fast alle nicht da und haben uns gezeigt, wie sehr sie uns hassen. Ich spürte den Eiseshauch, viele Logen blieben leer, kaum jemand grüßte.

       02. Dezember 1856

      Der Kaiser ist zur Tat geschritten. Die Venezianer geben sich nicht mit einem freundlichen Lächeln und einem Festakt zufrieden. Franz hat heute das beschlagnahmte Vermögen der im Exil lebenden Italiener wieder frei gegeben, den gedemütigten italienischen Adel rehabilitiert und das Allerwichtigste, den politischen Gefangenen eine Generalamnestie erlassen.

       03. Dezember 1856

      Heute haben wir beim Spazierengehen einen armen, alten Mann getroffen, der Franz Joseph angesprochen und ihm erzählt hat, dass ihm seine Offizierspension gestrichen worden sei, weil er an der Revolution von 1848 teilgenommen hat. Franz wollte schon weitergehen und hat ihm nur kurz angebunden mitgeteilt, dass er seinen Bittbrief im Palais abgeben soll. Mir aber tat der alte Mann, der so verzweifelt aussah und schon einmal vergebens im Palais vorgesprochen hatte, leid und ich habe auf meinen Franzl eingeredet. „Gib ihm doch einen deiner Handschuhe, dann werden wir Befehl geben, dessen Besitzer hereinzulassen.“ Am Nachmittag ist der Mann dann in unseren Palais gekommen und Franzl hat ihm die Offizierspension zugesichert. Ich bin so stolz auf meinen Kaiser.

      Und das beste: Sophie wird sich totärgern! Einem Revolutionär Geld zu geben, undenkbar in ihren Augen!

       15. Dezember 1856

      Ich fühle mich nicht gut. Ich spüre einen starken Drang, mich zu bewegen, aber das geht nicht, weil der kleinste Spaziergang einen Menschenauflauf auslösen würde.

      Nachts stehe ich oft auf, ganz leise, um Franz und die kleine Sophie nicht zu wecken, stehe am Fenster und schaue raus, male mir aus, was die anderen Reisenden machen würden. Was ich auch tun wollen würde, wenn ich reisen könnte, wie ich wollte. Was ich mir anschauen wollen würde.

       15. Januar 1857

      Wir haben Weihnachten in Venedig verbracht, Sophie hat mit den Kerzen am Weihnachtsbaum um die Wette gestrahlt, der direkt aus dem botanischen Garten in Wien kam. Es war ein richtig schönes Fest und der Weckbecker und selbst die Esterházy waren guter Laune.

      Heute sind wir in Mailand angekommen. Die Polizei hat die Landbevölkerung in die Stadt getrieben, damit sie uns mit Ovationen begrüßen. Dennoch haben die meisten geschwiegen wie ja auch schon in Venedig.

      Am Abend waren wir in der Scala. Hier gab es einen Affront, da die Aristokraten Mailands ihre Dienstboten in feine Kleider gesteckt