Ich wollte nie Kaiserin werden. Carina Zinkeisen

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Название Ich wollte nie Kaiserin werden
Автор произведения Carina Zinkeisen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754179765



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Gräfin Esterházy konnte ich schon am 22. April, dem Tag vor meiner Hochzeit, nicht leiden. Sie ist alt und verkniffen und immer mürrisch, ich habe sie jedenfalls noch nie lächeln sehen. Sie führt sich auf wie eine Gouvernante und langweilt mich mit dem Hoftratsch zu Tode. Alles, was ich falsch mache und das ist in ihren Augen fast alles, meldet sie sofort der Tante Sophie. Gestern haben wir uns über das Schuh Thema gestritten. Ich darf jedes Paar nur einmal tragen. Ich finde das seltsam, weil viele arme Menschen nur ein Paar Schuhe besitzen und meine in Possenhofen mit viel Aufwand und Mühe gefertigt worden waren. Wenn ich mit dem Stallmeister ausreite, mit wem soll ich denn sonst ausreiten, wenn ich alleine nicht darf, schelten sie mich als schamlos und wenn ich mich von den Hofdamen nicht ankleiden oder gar auskleiden lassen will, weil mir das peinlich ist, dann bin ich prüde.

      Was für ein Schmäh!

      Zudem bin ich die Kaiserin, weder Sophie noch die Esterházy haben mir irgendwas zu befehlen!

      Und vom Kaiser kann ich keine Hilfe erwarten. Er hat Angst vor ihr, der jämmerliche Feigling, dabei müsste er mich vor ihr beschützen. Wahrscheinlich nimmt er immer noch an, dass die Sophie wie eine Mutter mir nur helfen will, weil ich so jung und unerfahren bin. Und, dass sie mich ermahnen muss, wenn ich Fehler mache, dabei war er genauso mit von der Partie wie ich und hat jetzt keine Anstalten gemacht, mir zu helfen.

      Mehr Vertrauen als zur Esterházy habe ich zu meinem Oberhofmeister, dem Fürsten Lobowitz, und zu meinen jungen Hofdamen Bellegarde und Lemberg, gerade die Bellegarde ist mir recht sympathisch, hier hat mir die Tante aber zu vertrauliche Beziehzungen untersagt.

      Komisches Volk hier!

      PS: Die einzigen, die ich leiden kann, sind Franzls Bruder Maximilian, Baron Weckbecker und Graf Grünne, des Kaisers väterlichen Freund und Adjutant. Letzterer ist öffentlich sehr unbeliebt, gar der am meisten gehasste Mann der Monarchie, aber ich mag ihn gerne und vertraue ihm. Er strahlt eine gute Ruhe aus und hört mir zu, was wohltuend ist, weil er mich ernst nimmt. Noch viel besser: Er ist ein absoluter Pferdekenner und ein sehr guter Reiter, der jeden Tag auf dem Prater ausreitet. Mit mir reitet er natürlich auch aus, ein Highlight in der trüben Misere. Macht auch mehr Freude als mit meinen Hofdamen, die sehr ängstlich sind und nicht so gut reiten können wie ich.

      „Wie man es macht, macht man es falsch“, sage ich zu Baron Weckbecker. „Ich war doch nur in Wien an meinem Platz an der Seite des Kaisers. Ist es denn so falsch, dass ich mich für die Agenden des Kaisers und die Politik in den Kronländern interessiere? Selbst der Kaiser meinte, ich hätte mich tadellos benommen.“

      „Mir hat der Auftritt Ihrer kaiserlichen Majestät sehr imponiert. Ich bin der Meinung, dass die Kaiserin über die Politik in den Kronländern informiert sein sollte.“ Er zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Leider sehen das die meisten Staatsmänner anders und sind der Meinung, dass der Platz der Kaiserin ein Waisenhaus oder ein Armenspital ist und nicht die Politik.“

      „Aber wie soll ich eine gute Landesmutter sein, wenn ich nicht weiß, was in meinem Land vor sich geht“, sage ich stur und blicke den Baron trotzig an.

      Kapitel 3 – die Erzherzogin

       20. Mai 1854

      Sophie hält sich immer noch für die wahre Kaiserin und mich hält sie an Ketten wie ein dressiertes Pferd. Am schlimmsten ist, dass der Kaiser nie da ist, um mich zu beschützen. Er steht schon um vier Uhr morgens auf und fährt nach Wien zu seinem Schreibtisch in der Hofburg. Ihm ist es egal, dass ich in Laxenburg nur die schreckliche Gräfin Esterházy und Tante Sophie zur Gesellschaft habe und mir Flitterwochen irgendwie anders vorgestellt habe.

      Ich will heim zu meinen Eltern und zu meinen Geschwistern. Die haben mich lieb wie ich bin und ich muss kein dressiertes Pferd sein. Apropos Pferd, gut geht es mir, wenn ich ausreite, aber auch das sieht Tante Sophie nicht gerne. Ich habe Husten und bin krank, sollte mich schonen und im Bett bleiben und nicht ausreiten. Aber warum habe ich Husten? Doch nur, weil dieses verdammte Schloss so feucht ist.

       26. Mai 1854

      Wie eine Gefangene bin ich hier. Um mich herum eine Schwadron von Frauen, die mir dienen, mich in Wahrheit aber bewachen. Sie sind immer um mich herum, egal was ich tue. Nur, wenn ich schreibe, bin ich alleine und ich schreibe meistens nachts. Und wie gut tut mir das tut. Manchmal träume ich, dass die schreckliche Gräfin Esterházy und Tante Sophie mein Tagebuch finden und meine Gedichte lesen. Ich darf ja die Tür nie zu machen und alle Damen haben ständig Zutritt zu mir.

      Dabei wäre es so schön hier. Endlich kommt die Sonne raus und Laxenburg erscheint mir märchenhaft. Ich füttere so gerne die jungen Schwäne, die durch den Schlossteich schwimmen. Sie sind so reizend wie mein Papagei.

       03. Juni 1854

      Endlich eine Ablenkung. Franz und ich fahren nach Böhmen und Mähren. Ich lerne böhmisch, eine Sprache, mit der ich mich schwertue und die ich nicht besonders wohlklingend finde.

      Viel lieber würde ich ungarisch lernen!

      Franz freut sich natürlich auf Olmütz, da er dort Kaiser geworden ist, weil sein Onkel, Kaiser Ferdinand I., der kinderlos geblieben war, nach der Märzrevolution 1848 aus gesundheitlichen Gründen die Regierung zu Gunsten Franz Josephs niedergelegt hatte. Franz Josephs Vater, Franz Karl verzichtete insbesondere durch Einfluss seiner Gattin auf die Nachfolge. Franz Karl war nämlich sowohl körperlich als auch geistig von schwacher Konstitution und galt daher für eine Regentschaft als kaum geeignet. Aus diesem Grund wurde Franz bereits von frühester Kindheit an von seiner ehrgeizigen Mutter konsequent für die Nachfolge als Kaiser aufgebaut, weswegen er ihr ja immer noch dafür dankbar ist und nichts gegen sie sagt, wenn sie mich ungerecht behandelt. Franzens Familie fand damals in Olmütz Asyl und er schwärmt von der schönen, goldenen Stadt, die immer im Schatten Prags steht.

       05. Juni 1854

      Nicht einmal auf einer Reise habe ich meinen Franzl für mich alleine, sondern muss ihn mit dem gesamten Gefolge teilen. Selbst die Esterházy ist dabei. Eisenbahnfahren macht mir aber große Freude und Grünne erzählt recht lebhaft von den ungarischen Pferden.

       07. Juni 1854

      Gestern haben wir ein Waisenhaus und ein Armenspital besucht. Es hat mir viel Freude bereitet, mit den armen Kindern zu reden. Sie sind mir so viel lieber als diese Hofschranzen, sie sind ehrlich und offen und sie mögen mich. Die Armut der Menschen macht mich tief betroffen.

       08. Juni 1854

      Wir sind jetzt im Prag, eine sehr schöne alte Stadt, aber sie erinnert mich leider an Wien. Wir wohnen im Hradschin, dem alten Sitz der böhmischen Könige. Ich muss lange Audienzen über mich ergehen lassen, Franz ist dies von klein auf gewöhnt, mich ermüdet es jedoch furchtbar. Allerdings war das Ritterfest im Palais Waldstein mit den feurigen Reitern in ihren prächtigen Kostümen wirklich schön.

       10. Juni 1854

      Heute war eine Delegation aus dem Erzgebirge da. Mein Gott, sind das arme Menschen! Ich musste fast weinen, als ich von ihrer Armut hörte. Mir sind diese einfachen Menschen um vieles