Schwur auf Rache. Carola Schierz

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Название Schwur auf Rache
Автор произведения Carola Schierz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738049206



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dafür ausgewählt hatte. Schon wieder eine sinnlose Machtdemonstration des neuen Herrschers. Jeder hätte erwartet, dass Pater Johannes, als Beichtvater und Freund der Familie, die Predigt halten würde ... Danach sollten die Toten in der Familiengruft ihre letzte Ruhe finden. Doch bis dahin blieben noch ein paar Stunden Zeit.

      Als Gernot das Zimmer des Jungen betrat, saß der schon angekleidet auf der Bettkante. Man konnte deutlich erkennen, dass ihn neben den seelischen auch körperliche Schmerzen plagten. Eine Hand fest auf seine Wunde gepresst, erhob sich Falko tapfer.

      „Guten Morgen, Hauptmann - können wir gehen?“

      „Wenn du so weit bist?“ Gernot stützte den Jungen, so gut er konnte und sofern der es zuließ.

      Falko schien diesen Gang mit einem Stolz und einer Würde zu bewältigen, die man von einem Zehnjährigen eigentlich nicht erwarten konnte. Als sie den Raum betraten, in dem die vier offenen Särge der Fürstenfamilie aufgebahrt waren, ging ein Ruck durch den Leib des Kindes. Besorgt wollte der väterliche Freund den Jüngeren in die Arme nehmen, doch beließ es bei dem Vorhaben, als Falko abwehrend die Hand ausstreckte. Ohne ein Wort zu sagen, trat der Junge mit versteinertem Gesicht an jeden einzelnen Sarg. Zuletzt blieb er bei seinem Vater stehen. Seine Lippen bebten und die grauen Augen verschleierten sich, als er sein Gelübde wiederholte: „Ich schwöre dir, Vater, dass ich dein Erbe zurückfordern werde und das Verbrechen gesühnt wird!“ Dann brach seine Stimme. Nun ließ er sich doch von Gernot in den Arm nehmen und fand so den nötigen Halt, um nicht zusammenzubrechen. Plötzlich fiel sein Blick auf einen fünften Sarg in einer Ecke des Raumes. Seine Größe ließ darauf schließen, dass es sich um einen Kindersarg handelte.

      „Was ist damit?“, fragte Falko ohne die Augen davon zu lösen.

      Der Hauptmann ging auf die Knie, um so mit dem Jungen auf Augenhöhe zu gelangen.

      „Falko, du weißt, dass dich alle für tot halten müssen. Also ist es notwendig, einen fünften Sarg vorzuzeigen. Deinen!“

      Wenn den Jungen dieser Sachverhalt erschreckt haben sollte, zeigte er seine Gefühle nicht. Ganz im Gegenteil! Es schien kurz so etwas wie Genugtuung über sein Gesicht zu flackern.

      „Das ist also der erste Schritt – nicht wahr? Wir führen Siegmund an der Nase herum. Er fühlt sich in Sicherheit und ich habe Zeit, zu wachsen und meine Rache vorzubereiten! Gut!“

      Der Hauptmann atmete tief durch. Da würde eine Menge Arbeit auf ihn zukommen! Er wollte nicht zulassen, dass dieses wunderbare Kind von Kummer und Hass aufgefressen würde.

      „Gernot?“, wurde er aus seinen Gedanken gerissen. „Wer liegt denn dann in meinem Sarg?“

      „Nun, zuerst wollten wir nur Steine hineinlegen. Doch da wir nicht sicher ausschließen können, ob Fürst Siegmund nicht doch eine Kontrolle durchführen lässt, haben Pater Johannes und ich beschlossen, einen Knaben, aus dem Waisenhaus unten im Tal, darin zu bestatten.“

      „Wieso ist er tot?“, fragt Falko rasch.

      „Er hatte eine Lungenentzündung! Er war so alt wie du und sah dir sogar sehr ähnlich. Ich bin sicher, deine Eltern werden sich um ihn kümmern, da wo er jetzt ist.“

      Falko hatte den Blick ins Leere gerichtet. „Ja - das glaube ich auch!“

      In diesem Moment trat Pater Johannes ein. Er strich Falko sanft über den Kopf und sagte an Gernot gerichtet: „Es wird Zeit! Wir müssen die Särge verschließen. Siegmunds Gefolge kann jederzeit eintreffen! Bringt den Jungen wieder zurück und verfahrt weiter wie besprochen.“

      Falko warf noch einen letzten Blick auf seine Familie und ließ sich dann bereitwillig von Gernot aus dem Raum führen.

      „Wie geht es jetzt weiter?“, fragte er später den Hauptmann.

      „Ich muss dich leider für ein paar Tage allein lassen. Zunächst reite ich zum Schloss zurück! Jedem würde es sofort auffallen, wenn ich nicht bei der Trauerfeier erscheine. Und wir müssen jegliches Aufsehen vermeiden.“

      Falko nickte. „Schon gut! Ich verstehe das! Ich warte hier auf Euch!“

      „Auf 'dich', Falko! Gewöhne dich schon mal daran!“

      Der Junge nickte. „Bis bald, Onkel Gernot!“

      Sie umarmten sich noch einmal ganz fest und trennten sich für unbestimmte, aber nicht allzu lange Zeit.

      Falko blieb an diesem Tag nicht alleine. Der Abt hatte einen Plan aufgestellt, nach dem die Brüder sich abwechselnd um das Kind kümmerten. Da alle Mönche des Klosters den kleinen Gast in ihr Herz geschlossen hatten, kamen sie der Aufgabe gern nach.

      Gernot dagegen hatte das schwerere Los gezogen. Als er zum Schloss zurückkehrte, hatte er gerade noch Zeit, seine Festuniform anzulegen und seinen Leuten noch einmal die Instruktionen für heute zu wiederholen. Dann bezogen sie ihre Positionen vor der Schlosskapelle und erwarteten die Ankunft des Trauerzuges.

      Zunächst betraten einige geladene Gäste das Gotteshaus. Auch Fürstin Dora und ihre Tochter Luise näherten sich ihnen in Begleitung eines Dieners. Gernot musterte die Fürstin genau. Zu seiner Überraschung schien Dora ihre Trauer nicht zu spielen. Sie sah elend und schwach aus. Der Diener musste sie stützen. Das sonst so fröhliche Gesicht der Frau, war zu einer starren Maske gefroren. Sollte sie vielleicht gar nichts von der Intrige ihres Mannes wissen? Dann fiel sein Blick auf etwas, das die kleine, tieftraurige Luise mit der linken Hand an ihr Herz drückte. Erst meinte er sich zu irren, doch dann erkannte er eindeutig einen von Falkos Soldaten. Schließlich hatte er ihn einst selbst geschnitzt. Falko musste Luise sehr gern haben, wenn er ihr eine der Figuren überlassen hatte. Als Dora an Gernot vorbeilief, blieb ihr Blick einen Moment an ihm hängen. Sie wusste, wie eng die Beziehung zwischen dem Hauptmann und der Familie gewesen war. Es sah kurz aus, als wolle sie ihn ansprechen. Doch dann senkte sie den Blick wieder und ging wortlos an ihm vorbei. Nachdenklich runzelte Gernot die Stirn und blickte ihr nach. Er musste unbedingt jemanden damit beauftragen, die Fürstin zu beobachten. Vielleicht gab es ja etwas Interessantes in Erfahrung zu bringen ...

      In diesem Augenblick bekam er die Meldung, dass der Trauerzug gleich eintreffen würde und er schob die Gedanken zunächst beiseite.

      Abends in seinen Räumen fragte er sich immer wieder, wie er diesen Tag überstanden hatte, ohne Siegmund die Kehle durchzuschneiden.

      Der Fürst hatte eine herzerweichende Rede zu Ehren der Verstorbenen gehalten, die jeden Zuhörer, der die Wahrheit nicht kannte, zu Tränen rührte. Gernot machte so viel Heuchelei fast wahnsinnig. Also konzentrierte er sich wieder auf Dora und stellte fest, dass es ihr ähnlich zu gehen schien. Oder bildete er sich das nur ein?

      Beim anschließenden Trauermahl sprach die Fürstin kein Wort und entschuldigte sich noch vor dem Dessert mit der Bitte, sich nun zurückziehen zu dürfen. Scheinbar besorgt gab ihr Siegmund die Erlaubnis dazu. Doch in seinen Augen war noch etwas anderes zu erkennen – eine Warnung! Ohne ihren Gatten auch nur eines Blickes zu würdigen, verließ Dora den Saal.

      Irgendetwas stimmte da nicht zwischen dem Paar, da war Gernot sich sicher. Er hatte die beiden immer als sehr liebe- und respektvoll miteinander erlebt. Man konnte erwarten, dass sie gerade in der jetzigen Situation zusammenhielten. Es sei denn …, es sei denn, die Fürstin wusste Bescheid, war aber keineswegs damit einverstanden, was ihr Mann getan hatte. Dann würde sie eines Tages sicher zu eine guten Waffe im Kampf für Falkos Rechte werden! Doch im Moment waren das alles nur wilde Spekulationen, die ihm nicht weiterhalfen.

      Dora hatte sich gerade für die Nacht zurechtgemacht, als ihre Zimmertür aufgerissen wurde.

      Mit wütender Miene trat Siegmund ein. „Willst du mir offiziell den Kampf ansagen oder was hatte dein Auftritt zu bedeuten! Ich warne dich, Dora, wage es nicht, dich öffentlich gegen mich zu stellen, dann lernst du mich kennen.“

      Sie sah ihn nur voller Abscheu an und kehrte ihm den Rücken zu. Wütend drehte er sie zu sich herum. „Du bist meine Frau und hast mir zu gehorchen!“ Als sie sich von ihm freimachen wollte, hielt er sie nur noch fester. „Du willst dich mir verweigern? Dazu