Ihre Lungen brannten und ihr Kopf schmerzte noch mehr als zuvor. Doch zu lang sollte sie nicht die Anspannung verdauen. Schließlich könnte die Wache wieder zurückkommen und sie doch noch erwischen. Also verließ sie leise die Eingangshalle durch die Hintertür hinaus in den Hof. Kurz ließ sie noch ihren Blick über diesen, mit seinem gepflasterten Boden, schweifen, um sicher zu gehen, dass nicht gerade ein Rekrut oder gar ein Soldat in der Nähe war, der sie hätte sehen können. Doch die Luft war rein, so dass sie die Mauern wieder über die kleine Pforte verlassen konnte. Schnell setzte sie ihre Kapuze auf und huschte mit wachsamem Blick die Wälle hinunter zum Waldrand. Doch diesmal nahm sie nicht den kleinen Pfad zur Lichtung, sondern schlich den Waldrand entlang. Angestrengt behielt sie die Mauer im Blick, während sie im Schatten der Bäume in Richtung der großen, gepflasterten Straße eilte. Diese führte durch das westliche Tor der großen Mauer, die die Stadt Lubea schützend umgab. Es zog sich ein ganzes Stück hin, eh sie diese endlich erreichte und das Treiben in greifbare Nähe rückte. Im Schutz der Bäume hielt sie inne und schaute sich die Straße aus der Finsternis des Waldes genau an. Der Waldrand hatte sie ein wenig weiter weg von der Mauer geführt, so dass sie nicht direkt am Tor herausgekommen war. Doch das war gar nicht schlimm. Schließlich konnte sie sich so besser zwischen die Leute schummeln und würde weniger auffallen. Bis hierhin hatte sie es geschafft. Jedoch begann nun der schwierigste Teil, denn sie musste sich nun auch unauffällig unter die Menge mischen und an den Stadtwachen vorbei in die Stadt hineingelangen, in der sie ebenso unbemerkt bleiben musste. Aufgeregt schob sie das Tuch bis über ihre Nase, so dass die Hälfte ihres Gesichtes versteckt war und eilte im Schatten eines Karrens auf die breite Straße. Dieser war zu Maxillias Glück gerade ebenso auf dem Weg in die Stadt hinein und ratterte mit quietschenden Rädern über die groben Steine. Das war schon mal geschafft. Und der Plan schien bislang aufzugehen, denn die anderen Leute nahmen nicht viel Notiz von ihr. Scheinbar war es auch keine Besonderheit, dass eine vermummte Person in dunkler Kleidung über die Straßen lief, so dass es niemanden zu interessieren schien. Aufgeregt schaute Maxillia sich um und beobachtete, wie die anderen sich am Tor verhielten. Die meisten gingen einfach hindurch und beachteten die Wachen gar nicht, die mit ihren Speeren bewaffnet den Eingang zur Stadt sicherten. Andere grüßten wiederum den ein oder anderen der Soldaten, die dann freundlich zurück grüßten. Sicher waren dies Personen, die beinahe jeden Tag den Weg in die Stadt nahmen. Vielleicht waren es auch Bauern, die außerhalb des Waldes um Lubea herum lebten und die Felder bewirtschafteten. Doch nun kam auch Max der Stadt allmählich näher und würde auch gleich an den Wachen vorbeimüssen. Vor Aufregung pochte ihr Herz bis in den Hals und ihr Kopf dröhnte und pochte. Sicher wurden die Schmerzen durch ihren hohen Puls verstärkt, was der Aufregung geschuldet war. Schwer atmend versuchte Maxillia unauffällig zu bleiben und schlenderte auf das Tor zu. Nun war der Moment der Wahrheit gekommen. Würden die Wachen sie nun erkennen? Oder würde sie es schaffen unerkannt hindurch zu gelangen? „Einfach hindurch gehen“, sagte Maxillia zu sich selbst und versuchte Blickkontakt mit den Wachen zu vermeiden. Ganz starr schaute sie geradeaus und lief einfach an den bewaffneten Männern vorbei. Erleichtert stellte sie fest, dass die Männer nicht einmal Notiz von ihr zu nehmen schienen und trat ohne einen Zwischenfall auf die große Hauptstraße, die direkt zum Marktplatz führte. Kurz atmete Max durch und warf einen Blick zu den Wachen zurück, die sich nicht anders verhielten als zuvor. Ihre Verkleidung hatte offensichtlich bislang funktioniert. Nun durfte auch keiner von den vielen Leuten, die sich in der Stadt herumtrieben, sie erkennen. Mit einem Lächeln wandte sie sich wieder der Stadt zu, in der sie noch nie zuvor einfach durch die Gassen hatte schlendern können. Schon hier auf der Hauptstraße drangen die verschiedensten Gerüche und Geräusche an Maxillia heran, die sie nun das erste Mal vernahm. Interessiert schaute sie in die Schaufenster der vielen verschiedenen Geschäfte, die die Straße säumten, in dessen Auslagen die herrlichsten Dinge lagen. Sogar edle Holzschnitzereien wurden von den Läden angepriesen und üppige Mengen an Blumen waren zum Verkauf vor einem Geschäft drapiert. Maxillia bewunderte die schönen gemauerten Häuser mit ihren reichen Verzierungen und Bemalungen, die den Wohlstand der Stadt und des Reiches gar widerspiegelten. Sie brauchte eine halbe Ewigkeit, um überhaupt zum Marktplatz zu gelangen, da an jeder Ecke die tollsten Dinge zu sehen waren. Für die meisten der Leute war es nichts Ungewöhnliches und sie liefen einfach an den vielen Dingen vorbei, für die sich Maxillia so begeisterte. Sie fühlte sich beinahe wie ein kleines Kind, das die Herrlichkeiten zum ersten Mal wahrnahm, was im Grunde ja auch fast so war. Nur dass sie kein kleines Kind mehr war. Dann endlich erreichte sie auch den großen Marktplatz und Max kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es herrschte buntes Treiben, an den vielen Läden und Ständen, wo die Händler ihre Waren lautstark anpriesen und mit Frauen und Männern feilschten. Bunte Stoffe, glitzernder Schmuck und glänzende Waffen, sowie duftende Lebensmittel, Kräuter, Tränke und vieles mehr lagen in großer Fülle auf den Tischen, die sich unter ihrer Last schon gefährlich bogen. Auch die Schaufenster der Läden waren noch mehr gefüllt und noch schöner geschmückt als die Geschäfte auf der Hauptstraße. Noch nie war Max auf dem Marktplatz gewesen, ohne dass sie sich aufgrund einer Feierlichkeit mit ihren Eltern zusammen dem Volk zeigte. Dann war der Platz immer geputzt und schön hergerichtet, dass man kaum erahnen konnte wie es sonst dort zu ging. So im normalen Treiben der Stadt, erkannte man ihn kaum wieder, Maxillia gefiel das aber sehr. Besonders die Geräusche faszinierten sie, da sie diese zuvor noch nie gehört hatte. Es war das Klirren eines Schmiedehammers auf Metall, das Quietschen der Schilder im Wind und lautes Gelächter, Gekreische und Rufen, die die Ohren schon fast zu betäuben schienen, während die Nutztiere neben den Ständen seelenruhig auf ihrem Heu herumkauten. Sie schienen sich gar nicht daran zu stören und starrten trüb in der Gegend herum, während Kinder vergnügt um sie herum jagten. Weiter gedrängt von den Massen ließ sich Max einfach von Stand zu Stand mittreiben und schaute kurz über die Ware, die dort lag, bevor sie einfach weiter geschoben wurde. Irgendwann landete sie am Rand, in dem Schatten der Häuser, wo ein Paar Kinder miteinander vor einer Schmiede standen und mit Holzschwertern spielten. Neugierig betrat Max den kleinen Laden, der vollgestopft mit sämtlichen Arten von Waffen war, die teils kunstvolle Muster und Formen schmückten. „Willkommen in der Amell-Schmiede. Kann ich ihnen weiterhelfen?“, fragte eine blonde Frau hinter dem Tresen mit einem freundlichen Lächeln. „Ich wollte mich nur ein wenig umsehen“, antwortete Max heiser und wandte sich von ihr ab. Unter dem genauen, misstrauischen Blick der Frau schaute sich Max die Waffen an, mit denen sie wohl nie umgehen können würde. Schließlich schaffte sie es gerade mal ihren Zauberstab für ein paar Minuten hoch zu halten, ehe ihre Muskeln versagten. Maxillias Blick blieb an einem Dolch hängen, der hinter dem Tresen auf einem Gestell präsentiert wurde. Der Griff war weiß und hatte ganz grazile Rankenmuster hineingearbeitet, die mit Goldeinlagen hervorgehoben wurden. Die silberne Klinge glänzte leicht rötlich, in der ebenso ein dezentes Muster zu sehen war. „Wie viel kostet der Dolch hinter ihnen?“, fragte Max und deutete auf das scheinbar schönste Kunstwerk des Schmiedes. „Eigentlich ist er nicht zu verkaufen“, antwortete die Frau etwas betrübt. „Warum denn das?“, wollte Max wissen und runzelte verwundert die Stirn. „Den hat unser jüngster Sohn gefertigt, als er zehn war“, erklärte die Frau mit schwerem Herzen, aber großen Stolz. „Oh. Dann hat er viel Talent. Aber wieso möchten sie ihn denn nicht verkaufen? Ist er gestorben?“, hakte Max unsicher und vorsichtig nach, die nicht ganz die Reaktion der Frau einordnen konnte. „Naja so ähnlich. Er ist vor vier Jahren Rekrut geworden und seitdem haben wir ihn nicht mehr gesehen“, antwortete sie mit einem betrübten Lächeln. „Oh. Das tut mir leid“, entgegnete Maxillia, die sich irgendwie direkt schuldig fühlte. Schließlich lernten die Rekruten am Hofe der Burg, mehr oder weniger unter der Aufsicht ihres Vaters. „Schon gut. Es war sein Wunsch. Aber der Dolch ist so ziemlich das Einzige, das wir noch von ihm haben“, lächelte die Frau, deren Gesicht durch tiefe Falten gezeichnet war. „Aber sind Sie nicht stolz darauf, dass er sich entschieden hat zu den Rekruten zu gehen? Ich meine er lässt sich dazu ausbilden das Reich einmal zu schützen und für seine Königin zu kämpfen“, hakte Max nach, die ihr Leben lang dachte, es sei eine Ehre als Rekrut angenommen zu werden, auch wenn sie schon bemerkt hatte, dass dies auch zu Problemen in der Familie ihres Vaters geführt hatte. Dieser war nämlich auch einmal Rekrut gewesen und stellte trotz der Schwierigkeiten, die er gehabt hatte, das Rekrutendasein immer als große Ehre dar. „Ich weiß nicht so recht. Man hört nichts von ihm. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt. Es tut einfach nur weh zu wissen, dass ich ihn wohl nie wiedersehen werde und auch nie wissen werde, ob er am Leben ist“, entgegnete