Название | Sonnenkaiser |
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Автор произведения | Dirk Meinhard |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754172469 |
Endlich gelangten sie über eine großzügig ausgebaute Abfahrt auf eine mehrspurige Straße. Wenige Minuten später fuhren sie an einem Ortsschild Strausberg vorbei.
Daniel war irritiert, als die Schnellstraße direkt wieder aus dem Ort hinausführte, vorbei an einigen einfach wirkenden Wohnhäusern, und auf einen Wald zuhielt. Die mehrspurige Straße teilte den Wald und verlief geradeaus mit ihrer Breite von gut zwanzig Metern zwischen den hohen und dicht gewachsenen Bäumen, die ihren Schatten auf den Asphalt warfen. Der Wagen wurde langsamer, als er auf ein Bauwerk zuhielt, das sich über die Fahrbahn spannte. Breite stählern glänzende Säulen ragten aus der Fahrbahn und verhinderten die Durchfahrt.
Mittig auf der Wand des Gebäudes prangte eine hellgraue Silhouette eines Schlosses, darauf ein Schriftzug in dunklem Blau, mit einem goldfarbenen Rand, Residenz Strausberg. Auf beiden Seiten des Gebäudes, eigentlich ein imposanter Torbogen, schloss sich eine gut sechs Meter hohe Mauer an, die in den Wald hineinführte. Eine abgerundete Krone verhinderte, dass Klettergerät dort oben Halt finden konnte. Kameras ergänzten den Eindruck von hohem Sicherheitsbedürfnis.
Hinter dem Torbogen ragten hohe massive Stahltore, die auf einer Schiene zusammengefahren werden konnten, ein Stück auf den Weg. Mindestens ein Dutzend SecGuards in schwarzen Uniformen, alle mit Pistolenhalfter und kurzen automatischen Waffen an der Schulter, patrouillierten an der Toranlage, hinter der auf einem Platz ein paar schwarze SUVs und ein Mannschaftswagen standen. Das Ganze machte den Eindruck einer Kaserne und nicht den einer Wohnanlage für bestens Situierte.
Sie hielten neben einem Posten und die Identifikationsprozedur wiederholte sich.
>>Schalten Sie jetzt jedes Mobiltelefon, das Sie bei sich haben, ab. Wenn Sie die Anweisung nicht befolgen, findet Ihr Termin nicht statt! Fotografieren ist ebenso verboten<<, warf der Fahrer scharf nach hinten. Daniel nickte und deaktivierte Smartphone und Smartwatch.
Ihm wurde zum ersten Mal in seinem Leben erlaubt, eine Residenz zu betreten, in der Menschen lebten, die sich diesen besonderen Luxus erlauben konnten, Ihren hauptsächlichen Lebensbereich auf besondere Weise schützen zu lassen. Es gab eine für die Öffentlichkeit nicht genau bekannte Anzahl an Residenzen im Land. Einige waren recht groß, hatten eine Ausdehnung ähnlich einer Kleinstadt, andere umfassten nur wenige Hunderttausend Quadratmeter und lagen versteckt in wenig besiedelten Gebieten. Aber eins war ihnen allen gemein. Es waren streng abgeschottete Bereiche, zu denen normale Menschen kaum Zugang hatten, es sei denn, sie gingen hier einer Arbeit nach.
Meistens stammten die Flächen aus ehemaligem Staatsbesitz und waren im Rahmen der Staatsrefinanzierung nach dem Bankrott an Investoren übergeben worden. Scheinbar hatte es einen großen Bedarf an solchen Residenzen für wohlhabende Menschen gegeben. Wer sich die horrenden Preise leisten konnte, erwarb große Grundstücksflächen, auf denen er dann nach seinem Geschmack ein Haus, eine Villa oder etwas noch Größeres errichten konnte. Man genoss hier nicht nur die Annehmlichkeiten, sich frei von gesetzlichen Rahmenbedingungen verwirklichen und sich vor Paparazzi, Einbrechern und Randalierern absolut sicher fühlen zu können. Eine ausreichende Anzahl von Bediensteten sorgte in den Residenzen für alle Annehmlichkeiten eines umsorgten Lebens. Fahrdienste, Putzkolonnen und Servicedienste sorgten dafür, dass man eine Residenz im Prinzip nicht verlassen musste. Selbst Schulen für den Nachwuchs wurden in größeren Residenzen betrieben. Landeplätze für Hubschrauber erlaubten schnelle Transfers zu Flughäfen oder luxuriösen Shoppingmalls.
Hier versammelte sich die Elite und nicht nur die dieses Landes. Das Argument der umfassenden Sicherheit in einem Land mit einer stabilen politischen Lage lockte Millionäre und deutlich reichere Personen aus vielen anderen Ländern an.
Der Wagen setzte sich wieder in Bewegung und passierte das Tor. Langsam rollte er mit lässig grummelndem Motor die Straße entlang, tiefer in den Wald hinein. Daniel schaute neugierig nach draußen, gespannt darauf, zu sehen, was sich hinter den hohen Mauern verbarg. Schnell lichtete sich der Wald innerhalb der Residenzgrenzen und verschwand dann völlig, gnadenlos abgeholzt, um Platz für die Bedürfnisse seiner Bewohner zu schaffen.
Durch die Frontscheibe eröffnete sich der Blick auf ein weiträumiges Gelände, auf dem nur vereinzelt noch kleine Baumgruppen übrig geblieben waren. Stattdessen zog sich die Straße wie mit dem Lineal gezogen zwischen riesigen Grundstücken hindurch, auf denen Häuser standen, deren Erbauer es offensichtlich darauf angelegt hatten, sich gegenseitig zu übertrumpfen. In großzügigen Abständen standen Gebäude, für die nicht einmal die Bezeichnung Villa angemessen schien. Größe war hier nur eine Eigenschaft der Gebäude, die in unterschiedlichsten Baustilen Eindruck schindeten, von der Gründerzeit nachempfundenen Prunkbauten mit Türmchen und Balkonen über großflächige Bungalows bis zu exotischen Baustilen schien hier alles irgendwie Platz gefunden zu haben, umrahmt von breiten Zufahrten und großen gepflegten Gartenanlagen, voneinander abgegrenzt durch Mauern, um die Territorien ihrer Eigentümer zu markieren.
Daniel ließ sich von dem Anblick, der sich ihm bot, beeindrucken. Hinter schmiedeeisernen Zäunen oder hohen Mauern erhoben sich Häuser, die er bisher nur aus dem Fernsehen kannte, groß, mit Dachterrassen, Türmen, verglasten Fronten, repräsentativen Haustürbereichen, Säulen und anderen architektonischen Besonderheiten. Wie es schien, hatte die Oberschicht in der Nähe von Berlin einen geeigneten Platz von der Größe einer Stadt gefunden, um sich niederzulassen und ihrer Neigung zur Selbstdarstellung ungehemmt nachgehen zu können.
Die langsame Fahrt dauerte etwa weitere zehn Minuten, bevor der Wagen in Richtung eines kleinen Sees abbog und auf ein Grundstück zuhielt, das von einer endlos erscheinenden hohen Hecke abgegrenzt wurde.
Der Wagen rollte von der Straße auf die Grundstückszufahrt. Unter den Rädern knirschte heller Kies. Zu beiden Seiten des Weges bot sich der Anblick eines Parks im viktorianischen Stil mit einem intensiv grünen makellosen Rasen, Rosenhecken, Blumenbeeten und Bäumen. Daniel vermochte nicht, abzuschätzen, wie viele Bedienstete erforderlich waren, um die gewaltige Fläche in diesem nahezu perfekten Zustand zu halten. Der Rasen sah aus wie ein Teppich. Nirgends war auch nur der Verdacht auf das Vorhandensein von Unkraut zu erahnen. Die Bäume ebenso wie die Sträucher waren in Form geschnitten. Lediglich ein einzelnes Blatt lag nahe der Zufahrt neben einem Baum am Boden und störte den Eindruck von Perfektion.
Die Zufahrt zog sich nach Daniels Schätzung gut einhundert Meter hin, bevor sie in einen kreisförmigen Platz mündete, hinter dem sich eine zweistöckige überdimensionierte Villa ausbreitete, aus weißen Steinen gemauert, mit umlaufendem Balkon in der oberen Etage, der von einem ausladenden Dach überschattet wurde. Zu beiden Seiten flankiert von zweistöckigen Anbauten, die den Stil des Hauptgebäudes ohne Balkone in einer weißen Holzverschalung aufnahmen, deutlich schlichter. Daniel kam prompt das Wort Gesindehaus in den Sinn.
Der Zugang zur doppelflügeligen Haustür führte über eine breite Treppe auf eine ausladende Veranda. Die Breite des Hauses zwischen den Anbauten schätzte Daniel auf mindestens dreißig Meter. Dem Abstand der Fenster in den beiden Etagen nach war die Deckenhöhe der Etagen spürbar über dem normalen Maß. Der Grundriss erschien in etwa quadratisch, was eine bemerkenswerte Fläche für das Gebäude ergab, in der sich vermutlich der halbe Wohnblock unterbringen ließ, in dem Daniel wohnte.
Der rechte Anbau fiel besonders auf. Sechs große Tore auf der Frontseite mit großen Glaseinsätzen ließen vermuten, dass es sich bei diesem Gebäude um eine großzügige Garage handelte. Ein Tor war geöffnet und gab den Blick auf einen mindestens achtzig Jahre alten Wagen frei, dessen kühn nach vorne schwingende Kühlerfigur ihn als Rolls Royce identifizierte. Zwei Angestellte waren damit beschäftigt, die geschwungenen Formen des grau lackierten Fahrzeugs zu putzen.
Der Fahrer hielt den Wagen vor der Treppe und drehte sich zu Daniel um.
>>Aussteigen!<<