Mirabella und die Neun Welten. Isabelle Pard

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Название Mirabella und die Neun Welten
Автор произведения Isabelle Pard
Жанр Языкознание
Серия Mirabella
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754172490



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sie merkte selbst, dass sie einsilbig war. Sie sah zu ihm auf. „Ich vermisse den täglichen Unterricht, dich und die anderen zu sehen. Ich habe das Gefühl, ich komme mit einem rein menschlichen Leben gar nicht mehr zurecht. Ich habe sogar fast schon Mars vermisst!“

      Nikolaos lachte. „Das will was heißen!“ Er kannte Mirabellas Abneigung gegenüber dem Kriegsgott Mars, der sie alle in verschiedenen Kampftechniken schulte. „Latein auch?“

      „Sowieso, ich fand es viel cooler als gedacht!“, gab sie zu.

      Er nickte zustimmend. „Ich habe das hier auch vermisst, aber wahrscheinlich werden wir bald wünschen, man würde uns in Ruhe lassen. Hab‘ durch Zufall beim Tauchen eine Tochter Neptuns kennengelernt, die vor ein paar Jahren aufgenommen wurde. Ist ganz schön stressig, was sie erzählt hat. Neptun hat ständig kleinere Aufträge für sie.“

      „Kennt sie Delphine?“ Eine jüngere Tochter des Meeresgottes Neptun war zusammen mit den Jupiterkindern in einer Klasse gewesen.

      „Klar, sie konnte nur zur Initiationsfeier nicht kommen, da sie ein paar Seeungeheuer aus der Zwischenwelt einfangen musste.“

      „Neptun hat so sein ganz eigenes Reich, scheint mir.“

      Ihr Bruder nickte erneut. „Alles unter Wasser ist seins, da würde Jupiter auch nicht dazwischenfunken. Neptun berichtet aber an ihn.“

      „Na, da bin ich ja schon gespannt, was die Monsteramazonen von mir erwarten!“ Mirabella hatte sich entschieden, den drei Göttinen Minerva, Diana und Vesta bei der Kontrolle der Monster und anderer Zwischenweltwesen zu helfen. Die Zwischenwelt war eine Parallelwelt zur irdischen; Schnittstellen, so genannte Portale, verbanden die Welten miteinander. Wenn sich Zwischenweltwesen in die irdischen Gebiete verirrten, mussten sie zurückgebracht, manchmal bekämpft werden. Mirabella konnte von Geburt an mit Tieren reden und hatte feststellen müssen, dass sie die Monstersprache ebenfalls beherrschte. Sie hatte von Diana, der Göttin der Jagd, ein Armband mit einem Mondgestein erhalten, mit dessen Hilfe sie sich zu einem der drei Heiligtümer der Göttinnen teleportieren lassen konnte. Minerva war die Göttin der Weisheit und Freundin von Diana. Vesta war die jungfräuliche Göttin des Herdfeuers und der Familieneintracht und die dritte im Bunde.

      „Hoffentlich ist der Vestalinnendienst nicht zu anstrengend!“, fügte die junge Halbgöttin stirnrunzelnd hinzu. In Vestas Heiligtum wurde eine der Zwillingsstatuen aufbewahrt, die Mirabella gedanklich so viel beschäftigte und im Orakelspruch von zentraler Bedeutung zu sein schien. Die Statue schien Mirabella als neue Hüterin erwählt zu haben, was auch immer das genauer bedeuten sollte. Die zweite Zwillingsstatue war vor langer Zeit geraubt worden, wahrscheinlich von den Nordischen Gottheiten. Laut Vesta konnte nur eine Vereinigung der Statuen zu einem dauerhaften Frieden in der Götterwelt führen.

      Als Nikolaos leicht besorgt aufsah, forderte sie ihn auf, vom Urlaub zu erzählen, was sie nicht schon via Nachrichten erfahren hatte. Sie selbst sprach ein bisschen von Antonia und Lukas, die er schon im Skiurlaub und an Ostern kennengelernt hatte, und von der Geburt des ersten kleinen Beos. „Wenn du kommst, werden alle geschlüpft sein!“

      „Cool, aber sind die nicht sehr laut?“

      „Mal schauen, sonst müssen sie im Gästezimmer schlafen.“

      „Und wo schlafe ich dann?“

      „Ich besitze gute Ohrenstöpsel“, neckte Mirabella.

      Nikolaos lachte kurz, sah sie dann einen Moment an. „Ich habe auch vermisst, mit dir zu trainieren. Wollen wir Jupiter fragen, ob wir hier nächste Woche trainieren dürfen?“

      „Gerne!“ Sie hatten sich beide für den Kampfsport Aikido entschieden, Mirabella vor allem, da er hauptsächlich auf Verteidigung ausgelegt war. Wenn sie konnte, vermied sie es, Gegner, selbst die Hologramm-Gegner im Olymp, zu verletzen, und hatte mit Nikolaos zusammen die Technik der Star Trek-Vulkanier erlernt, humanoide Wesen mittels schmerzlosem Handgriff am Hals in die vorübergehende Bewusstlosigkeit zu schicken. Das funktionierte tatsächlich.

      Im nächsten Moment tauchte Johanna vor ihnen auf, eine Jupitertochter mittleren Alters, die in Basel lebte. Sie trug Jeans und ein T-Shirt, das muskulöse Oberarme nur teilweise bedeckte. „Gruezi mitanand!“

      Die Jugendlichen standen auf und grüßten zurück. Nikolaos erkundigte sich, was Johanna denn treiben würde, als in dem Moment der Greis Georg aus München dazu stieß und alle mit einem Nicken begrüßte. Er und Mirabella hatten schon festgestellt, dass sie nicht weit voneinander entfernt wohnten und lose verabredet, sich einmal zu besuchen.

      „Ich kletter‘ a bisserl“, meinte Johanna lässig.

      Georg lachte kurz. „Das Hannerl is so bescheiden. Klettert a weng!“ Er schüttelte indigniert den Kopf. „Sie zählt zu den besten Bergsteigern der Welt! Sie klettert die schwierigsten Routen ohne Seil und hat schon alle 8000er erklommen. Einschließlich die der Zwischenwelten!“

      „Da fehlen mir noch ein paar“, gab sie zu.

      Die Jugendlichen sahen sich amüsiert an. „Und du, Georg?“, fragte Mirabella neugierig. Georg trug eine leicht ausgebeulte dunkle Stoffhose, ein kurzärmeliges weißes Hemd ohne Kravatte und einen dünnen dunkelroten Pollunder.

      „Ich bin Professor für Altphilologie und Archäologie, eigentlich bin ich emeritiert, aber gebe noch Vorlesungen und darf noch ein bisschen mitforschen.“

      „Cool!“, rief sie spontan aus, „wo buddelt ihr denn gerade nach Schätzen?“

      „Ich beschäftige mich hauptsächlich mit der römischen Antike…“, er konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Derzeit in Südfrankreich.“

      Nach und nach trudelten die anderen ein. Josef aus Slowenien, Jana aus Kroatien, Élodie aus Belgien, Karim aus Tunesien und zuletzt ein junger athletischer Mann in schwarzer Biker-Hose, T-Shirt, Sonnenbrille und einer grünen Wollmütze. Alle bis auf diesen Halbgott-Rapper hatten sie schon bei der Aufnahmefeier kurz kennengelernt, er war damals auf Mission gewesen. „Ciao!“, grüßte er lässig, bis sein Blick bei Mirabella hängenblieb. „Ah, unsere Jüngste. Eine tizianische Schönheit!“ Mirabella riet, dass er auf ihre Haare anspielte, sie hatte schon von Tizianrot und der Vorliebe des Malers für Rothaarige gehört. Gegen ihren Willen errötete sie leicht. Ihr charmanter Halbbruder reichte Mirabella seine Hand. „Timo - aus Rom.“

      „Freut mich, Mira aus München“, antwortete sie förmlich und entzog ihm ihre Hand, suchte seine Augen hinter der Sonnenbrille.

      „Oh, wie unhöflich“, Timo nahm die Brille ab, ein paar dunkler, fast schwarzer Augen blickten sie belustigt an, er wirkte nicht unsympathisch. Es entschlüpfte ihr ein Lächeln „Schon wieder auf Mission gewesen?“

      Timo schüttelte den Kopf. „Nur eine kleine Spritztour mit meinem Motorrad.“ Jetzt entdeckte er das fremde Gesicht neben Mirabella.

      „Du musst Nikolaos sein, Jupiter erwähnte dich neulich.“

      Der so angesprochene nickte. „Hi, nenn mich ruhig Nick.“

      „Aus Griechenland?“

      „Meine Mutter.“

      Mittels Ohrnymphen war die Kommunikation trotz unterschiedlicher Sprachen im Olymp problemlos möglich.

      Jupiter war unbemerkt auf seinem Thron eingetroffen, dieses Mal in seiner Gestalt als römische Gottheit mit weißer Toga über dem weißen Unterkleid, der Tunika. Sein Vollbart war wie sein Haupthaar gepflegt gelockt, auf dem Kopf trug er einen Eichenlaubkranz.

      „Schön, dass ihr euch nun alle vorgestellt habt.“ Seine Kinder fuhren herum und verbeugten sich leicht zur Begrüßung. Mirabella und Nikolaos hatten ihn schon begrüßt, ohne Verbeugung, aber taten es nun den anderen gleich, während sie sich gegenseitig leicht belustigte Blicke zuwarfen. Jupiter machte eine wegwerfende Handbewegung und neun Schemel im Halbkreis um den Thron erschienen, jeder Spross nahm auf einem Platz und sah Jupiter erwartungsvoll an.

      Jupiter