Название | Wem gehört das Huhn? |
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Автор произведения | Alexander Laszlo |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753192796 |
Nach zwei quälend langen Tagen, in denen praktisch niemand mit uns gesprochen hatte, klopfte es am Morgen laut an der Tür. Eine kräftige afroamerikanische Frau in Zolluniform erschien. Sie war gekommen, um mich zu einem leitenden Beamten der Einwanderungsbehörde zu bringen. Aber nur mich. Rosalie und die Mädchen sollten zurückbleiben.
„Ohne meine Familie gehe ich nirgends hin. Wir werden uns nicht trennen“, protestierte ich, so energisch ich konnte, ohne dabei aggressiv zu sein.
„Beruhigen Sie sich und kommen Sie mit, Sie haben jetzt ein Interview, und wenn Sie zurückkommen, wird Ihre Familie genau hier sein. Ich verspreche es Ihnen. Doch auch wenn ich das nicht tun würde, haben Sie keine Wahl. Also gehen Sie den einfachen Weg und kommen Sie einfach mit. In zwei oder drei Stunden werden Sie wieder mit Ihrer Familie zusammen sein. Die wird in Ihrer Abwesenheit nirgends hingehen. Auch das verspreche ich Ihnen.“
Ich zweifelte nicht an ihren aufrichtigen Absichten, wohl aber an ihren Möglichkeiten, ihre Versprechen einzuhalten.
„Warum nur ich?“ Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben. Doch die Narbe an meinem Kinn zeigte mir, dass ich es ganz und gar nicht war. Sie pochte. Ich habe mir diese Narbe als Kind beim Sturz aus dem Küchenfenster meiner Großeltern zugezogen, mit fünf Stichen musste sie genäht werden. An dieser Stelle ist mein Bart nie gewachsen, und immer wenn ich nervös bin, juckt sie.
„Das weiß ich nicht. Ich mache die Regeln hier nicht, ich führe sie aus. Aber glauben Sie mir, Einzelinterviews sind ganz normal. Davon abgesehen haben Sie auch keine Wahl. Das habe ich Ihnen doch gerade erklärt.“
Die Beamtin wurde ungeduldig.
„Sie kommen jetzt entweder mit, oder ich hole ein paar Kollegen, und wir bringen Sie zu Ihrem Interview.“
Dann machte sie einen Schritt auf mich zu, lächelte und legte ihre Hand aufmunternd auf meine Schulter.
„Denken Sie daran, Sie sind zu uns gekommen, Sie sind sozusagen freiwillig hier.“
Besorgt blickte ich zu Rosalie, die mit den Mädchen auf einem der Betten saß und ein Bilderbuch in ihrem Schoß hatte. Sie rang sich ein Lächeln ab und nickte mir aufmunternd zu. „Geh mit ihr, für die Mädchen ist das bestimmt besser so. Wir werden hier sein, wenn du zurückkommst.“ Eine Träne kullerte über ihre Wange und tropfte auf das Buch. Dann schloss sich die Tür hinter mir, und ich lief, die Beamtin dicht hinter mir, einen grauen Flur entlang. In einem Punkt hatte sie ganz und gar nicht recht. Ich war nicht freiwillig hier, wir waren nicht freiwillig hier. Sicher, wir waren aus eigenem Antrieb in die USA gekommen und hatten dabei die Grenze illegal überquert, aber wenn wir eine Wahl gehabt hätten, wären wir in unserer Heimat geblieben. Doch hätten wir das getan, dann wären wir jetzt wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Ich hoffte, dass auch der Beamte der Einwanderungsbehörde, der mich zu dem Interview erwartete, dies einsehen würde.
Ich war nicht mit meiner Familie in die USA gekommen, weil wir hier ein besseres Leben suchten. Unser Leben in Mexiko war perfekt. Nein, wir waren hier, weil wir keine andere Wahl gehabt hatten. Leider hatte das zu diesem Zeitpunkt, nach achtundvierzig Stunden in den USA, noch niemanden interessiert. Im Umgang mit den amerikanischen Behörden hatten wir schnell gelernt, dass man als Flüchtling erst mal nur ein Flüchtling ist. Ein Fall, eine Nummer. Solange bis irgendjemand dir zuhört. Erst dann wirst du wieder von einer Nummer zu einem Menschen. Wenn du Glück hast.
„Wir sind da.“ Die Worte der Beamtin holten mich aus meinen Gedanken zurück in die Realität. Wir standen vor einer braunen Holztür, auf der in schwarzen Lettern ein Name prangte. William Brown. Ich weiß nicht mehr, warum, aber der Name gab mir Zuversicht. „Warten Sie hier, gehen Sie nicht weg.“ Die Beamtin klopfte kurz an der Tür und verschwand dann in Mr. Browns Büro. Nach wenigen Sekunden öffnete sie die Tür von innen. „Kommen Sie, Mr. Brown erwartet Sie jetzt.“ Mit diesen Worten verschwand sie, und ich betrat das Büro.
Mr. Brown saß hinter seinem breiten Schreibtisch und begrüßte mich höflich, während er auf einen Stuhl vor seinem Tisch deutete. „Mr. Olivares. Bitte setzen Sie sich. Willkommen in den USA.“ Ich setzte mich.
Browns Gesicht schmückten ein beachtlicher dunkler Schnauzer und eine dicke schwarze Hornbrille. Sein angegrautes Haar lockte sich über den Ohren. Er stand auf, ging um den Schreibtisch herum, gab mir die Hand und fixierte mich mit seinen funkelnden grünen Augen. Ich wollte aufstehen, aber da hatte Brown schon meine Hand ergriffen. Rückblickend kann ich nicht mehr sagen, warum, aber William Browns Händedruck machte mir Mut. Es fühlte sich an, als ströme positive Energie durch ihn hindurch direkt in mich hinein. Er lächelte, löste seinen Händedruck und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch.
Vor dem Tisch waren zwei Holzstühle mit dünnen Kissen, an der Seite stand ein braunes Ledersofa, eingerahmt von zwei Pflanzen in goldenen Töpfen. An der Wand hing ein großes Bild, ein Foto, wie ich bei genauer Betrachtung feststellte. Darauf war eine Palme vor blauem Meer. Es fesselte mich. Das Bild gab nicht preis, wo diese Palme stand, denn es war nur der obere Teil sichtbar. Stand sie auf einer einsamen Insel oder an einer vielbefahrenen Strandpromenade? Man konnte es nicht sagen, aber beides war möglich. Hinter der Palme erstreckte sich scheinbar endlos dunkelblaues Wasser, das in der Sonne glitzerte. Dieses Bild strahlte eine große Ruhe aus und aus irgendeinem Grund auch Hoffnung.
„Ich habe dieses Foto selbst gemacht.” Ich hörte Brown zu, aber ich sah ihn nicht an, mein Blick verweilte auf dem Bild. „Vor der mexikanischen Küste, ganz unten im Süden der Baja California. Früher habe ich oft Urlaub dort gemacht. Angeln, das ist meine Leidenschaft. Aber in den letzten Jahren war ich nicht mehr dort.“
„Meine Heimat“, murmelte ich leise. Brown hörte mich nicht.
„Wenn Sie ganz genau hinschauen, sehen Sie da ganz hinten, ganz klein, dunkle Schatten im Wasser. Das sind Wale, sie ziehen um diese Jahreszeit nach Süden, um in der Antarktis ihre Jungen zu gebären. Die Reise ihres Lebens.“ Brown drehte sich zu mir um. „Lassen Sie uns jetzt mit dem Interview beginnen. Der Verlauf dieses Gesprächs wird darüber entscheiden, wie es für Sie und Ihre Familie weitergeht.“
Mit einer geübten Handbewegung hob er eine Akte von seinem Schreibtisch. Er zog das rote Gummi zur Seite, mit dem die Akte verschlossen war, und holte eine einzelne Seite heraus. Darauf stand alles, was wir im ersten Verhör zu Protokoll gegeben hatten. Viel war das nicht.
„Viel steht hier nicht“, begann Brown das Interview mit ruhiger Stimme. „Aber hier ganz oben steht: Illegal in die USA eingereist. Sie haben die Grenze zu Fuß am helllichten Tag überquert, einfach so. Ist das soweit korrekt?“
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte oder vielmehr, wie. Mr. Browns Worte waren klar und deutlich und obendrein wahr.
„Ja, das ist korrekt“, antwortete ich unsicher.
„In Ordnung. Ich lese hier außerdem, dass Sie über größere Geldmengen verfügen. Auch auf amerikanischen Konten, ist das korrekt?“
„Das ist korrekt.“
„Woher stammt dieses Geld?“ Mr. Brown sah mich über den Rand seiner schwarzen Hornbrille ernst an.
„Erspartes. Für die Kinder und für unseren Ruhestand. Wir haben dafür hart gearbeitet. In Mexiko besaß ich einen eigenen Betrieb und meine Frau auch. Dieses Geld haben wir legal erwirtschaftet.“
„Ich habe nichts anderes behauptet, und ich habe auch erst mal