Название | Wem gehört das Huhn? |
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Автор произведения | Alexander Laszlo |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753192796 |
„Schwing Deinen Hintern auf die Leiter, bis heute Mittag müssen wir …“ Doch seine Worte blieben ihm im Hals stecken. Ich verstand nicht, was geschah. Alles ging so schnell. Im gefühlten Bruchteil einer Sekunde rasten drei dunkle Autos heran, preschten mit quietschenden Reifen den Bordstein hinauf und kamen auf der Wiese vor dem Gemeindehaus zum Stehen. Sechs Männer in dunklen Anzügen sprangen heraus und kreisten mich ein.
„Luis Olivares?“, fragte einer der Männer, ein großer, drahtiger. „Wir sind vom FBI.“ Hilflos blickte ich zu Pfarrer Brown. Und im Gegensatz zu mir schien er genau zu verstehen, was gerade geschah.
„Lauf, Luis! Lauf in die Kirche, da dürfen sie dich nicht festnehmen.“ Doch zum Weglaufen war es zu spät. Ich war umzingelt. Die Männer trugen ihre Waffen gut sichtbar, zogen sie aber nicht aus den Halterungen. Mussten sie auch nicht. Allein ihre Körpersprache machte unmissverständlich klar, dass sie jederzeit bereit waren, die Waffen zu zücken und, wenn es sein musste, auch einzusetzen.
„Luis Olivares?“, wiederholte der drahtige Mann, der hier ganz offensichtlich das Sagen hatte. Die anderen blickten ihn erwartungsvoll an, jederzeit bereit, mich zu überwältigen.
„Mein Name ist John Barnett. Ich trage hier die Verantwortung. Wir sind hier, um sie mitzunehmen, wir haben das Recht dazu und die Pflicht. Wir wollen, dass es friedlich abläuft. Bleiben Sie ruhig stehen, und auch wir werden ruhig bleiben. Wir hätten Sie auch in Ihrem Haus verhaften können, vor den Augen Ihrer Familie, aber ich habe die Anweisung gegeben, dies nicht zu tun und Ihnen zu folgen, damit das hier in Ruhe über die Bühne geht. Sie sehen also, ich bin Ihnen schon ein Stück entgegengekommen. Also, Mr. Olivares, bleiben Sie ruhig, wenn meine Kollegen Ihnen jetzt Handschellen anlegen.“
Es hätte diese Ansage nicht gebraucht, nichts anderes als ruhig zu bleiben war jetzt das Richtige.
„Was wollen Sie von mir? Warum werde ich verhaftet? Habe ich gegen das Gesetz verstoßen?“ Panik flutete mich, mein Hirn ratterte. Was hatte ich getan, warum wurde ich verhaftet? Es musste sich um ein Missverständnis handeln. An das Naheliegendste dachte ich nicht. Aber dann stürmte dieser Gedanke heiß kribbelnd über meinen Nacken in meinen Kopf. Trumps Abschiebepläne! Hatte dieser Wahnsinn tatsächlich begonnen, und konnte es sein, dass ich Trumps erstes Opfer war? Ich versuchte, die Panik niederzukämpfen, und drehte mich zu Pfarrer Brown. Ich blickte ihn Hilfe suchend an, doch es kam kein Wort über meine Lippen.
„Wo bringen Sie Mr. Olivares hin?“, rief er den Beamten zu, während er sich daran machte, die Leiter herunterzuklettern.
„Das darf ich Ihnen nicht sagen, Sir. Und bleiben Sie bitte, wo Sie sind. Kommen Sie nicht runter“, sagte Barnett in einem Tonfall, der mehr als deutlich machte, dass er es sehr ernst meinte.
„Was werfen Sie Mr. Olivares vor?“
„Auch das darf ich Ihnen nicht sagen.“
„Aber mir.“ Alle blickten mich an. „Sagen Sie mir, was man mir vorwirft, und sagen Sie es laut, ich will, dass auch Pfarrer Brown es hört.“
„In Ordnung, das ist Ihr Recht, Mr Olivares. Sie sind illegal in die USA eingereist.“
„Ich bin kein Illegaler! Ich habe mit meiner Familie offiziell Asyl beantragt. Das Verfahren läuft noch. Also, warum ich?“
„Dazu kann ich nichts sagen“, antwortete Barnett. „Sie werden Ihre Antworten bekommen. Aber nicht jetzt und nicht von mir. Wir werden das hier jetzt zu Ende bringen. Es gibt Regeln, und wenn sich alle an sie halten, dann kann das hier für alle gut ausgehen.“
„Für alle? Also auch für mich?“
Barnett blickte mich schweigend an. Panik, Adrenalin, Schweiß, Angst. Ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Mein Schicksal lag jetzt nicht mehr in meinen eigenen Händen.
„Mache dir keine Sorgen, Luis! Ich hole dich da raus und kümmere mich um Rosalie und die Mädchen.“
„Drehen Sie sich jetzt um, Mr. Olivares, strecken Sie Ihre Hände auf den Rücken.“
„Was geschieht mit meiner Familie?“
„Wir sind nur hier, um Sie abzuholen, alles Weitere wird sich zeigen.“
Besorgt schaute ich ein letztes Mal zu Pfarrer Brown auf dem Dach. Er nickte mir beruhigend zu.
„Müssen die Handschellen wirklich sein? Glauben Sie, ich bin gefährlich?
„Ja, das ist Vorschrift.“
Das waren die letzten Worte, die ich in Freiheit hörte, bevor sich die Handschellen auf meinem Rücken schlossen und ich unsanft auf den Rücksitz eines der Wagen bugsiert wurde. Es war schmerzhaft, auf meinen Armen zu sitzen, die hinter meinem Rücken fixiert waren. Barnett setzte sich auf den Beifahrersitz, sein Kollege hatte sich auf der Rückbank neben mich gesetzt und sagte kein Wort. Als der Fahrer den Rückwärtsgang einlegte, trafen sich ein letztes Mal die Blicke von Pfarrer Brown und mir durch das halb geöffnete Wagenfenster. „Küssen Sie die Menschen, die ich liebe. Sagen Sie Ihnen, sie sollen nicht weinen. Wenn ich mich darauf verlassen kann, dann kann ich stark bleiben.“
„Das wissen sie!“, rief mir Pfarrer Brown hinterher, während sich unsere kleine Wagenkolonne schnell in Bewegung setzte. Pfarrer Brown rief mir noch etwas hinterher, aber ich konnte ihn nicht mehr verstehen, während wir davonrasten. Es gab überhaupt keinen vernünftigen Grund, so schnell zu fahren.
„Wir werden jetzt eine halbe Stunde unterwegs sein, in der Zeit herrscht hier Ruhe“, machte Barnett vom Beifahrersitz aus den beiden Beamten im Wagen klar. „Geht es Ihnen soweit gut, Mr. Olivares?“ Ich antwortete nicht. Was hätte ich auf diese Frage auch entgegnen sollen? Stattdessen blickte ich stumm aus dem Seitenfenster, wie das Leben wortwörtlich an mir vorbeizog. Im Auto herrschte angespannte Stille. Die Narbe an meinem Kinn juckte, aber ich konnte sie nicht kratzen.
Nach ein paar Minuten schweigender Fahrt war es dem jungen Agenten am Steuer wohl zu ruhig, und er schaltete kurzerhand das Radio an. Barnett blickte ihn kurz ernst an, ließ ihn dann aber gewähren. Im Radio lief eine Wahlkampfdiskussion mit Zuhöreranrufen. Eine Anruferin, eine junge Frau aus Texas, redete sich in Rage für Trump und gegen alle, die gegen den Präsidenten waren. Ihr Name war Jill, sie war erst 19 Jahre alt, wie sie auf Nachfrage mitteilte, und trotz ihres geringen Alters war sie schon voller Hass, den sie sich unmöglich ganz allein hatte aufladen können. Acht Jahre Trump hatten deutliche Spuren bei ihr hinterlassen, sie kannte ja praktisch keinen anderen Präsidenten.
Sie schimpfte auf alle, die Trump kritisierten. Sie wünschte sich, dass die Mauer fertiggestellt würde und Mexiko auch dafür bezahlte. „Warum?“, wollte der Moderator wissen, doch Jill wusste keine Antwort. Alles, was ihr dazu einfiel, war: „Mexikaner sind schlimme Menschen.“
Tatsächlich war Trumps Mauer beinahe fertiggestellt. Mexiko hatte keinen einzigen Dollar dafür bezahlt und würde das auch ganz sicher niemals tun. Egal, wie oft Trump das Gegenteil behauptete. Barnett schaltete das Radio aus und ließ keinen Zweifel daran, dass dies für den Rest der Fahrt auch so bleiben würde. Die Radiosendung war symptomatisch für die Stimmung im Land eine Woche vor der Präsidentschaftswahl. Der Graben durch die amerikanische Gesellschaft war mittlerweile so tief, dass sich kein Amerikaner mehr vorstellen konnte, wie er je wieder zugeschüttet werden sollte. Und nicht wenige wollten das auch gar nicht. Niemand hatte eine Idee zur Überwindung, und schon gar nicht die Demokraten. Ihr Präsidentschaftskandidat war vollkommen überfordert von der Wucht, mit der Trump die Dinge vorantrieb. Niemand hörte ihn, aber alle hörten den Präsidenten und seine apokalyptische Warnung vor Sozialismus und linkem Terror, den die Demokraten angeblich über das Land bringen wollten.
Wie Landminen hatte Donald Trump den Hass unter den Menschen gesät, und eine nach der anderen ging jetzt hoch. Die Botschaft an seine Anhänger war klar: Jeder kann etwas tun, um Amerika wieder groß zu machen und all diejenigen auszuschalten, die Amerika hassen. Was so ziemlich jeden einschloss,