3. Die Marquise de Brinvilliers. Alexandre Dumas d.Ä.

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Название 3. Die Marquise de Brinvilliers
Автор произведения Alexandre Dumas d.Ä.
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754902547



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seiner Besitztümer, einschließlich sein Geschäft, wurden dem älteren Bruder und dem zweiten Bruder, der Parlamentsmitglied war, vererbt. Die finanzielle Situation der Marquise verbesserte sich nur geringfügig.

      Sainte-Croix führte ein gutes und freudvolles Leben. Obwohl niemand glaubte, dass er reich war, unterhielt er einen Hausverwalter, Martin, und drei Lakaien, George, Lapierre und Lachaussee, und neben seiner Kutsche und anderen Gefährten hielt er Wagenführer bereit, für nächtliche Ausflüge. Da er jung und gutaussehend war, kümmerte es niemanden, woher er das Geld für all den Luxus hatte. Es war in dieser Zeit völlig normal, dass ein Gentleman, der gut aufgestellt war, vieles geschenkt bekam, und über Sainte-Croix munkelte man, er habe den Stein der Weisen gefunden.

      Er hatte während seines gesamten Lebens mit vielen Persönlichkeiten Freundschaft geschlossen, manche waren adelig, manche reich. Unter Letzteren befand sich ein Herr mit dem Namen Reich de Penautier, der zentrale Vermögensverwalter des Klerus und Schatzmeister der Region Languedoc, ein Millionär und einer dieser Männer, die immer erfolgreich sein würden und die durch ihr Geld in der Lage waren, Dinge zu bewegen, die eigentlich nur in Gottes Machtbereich fallen würden. Jener Penautier pflegte einen beruflichen Kontakt zu einem Mann namens d'Alibert, seinem Sachbearbeiter, der plötzlich an einem Schlaganfall verstarb. Von dem Hirnschlag hatte Penautier noch vor seiner eigenen Familie erfahren. Dann waren auf einmal alle Unterlagen mit den Partnerschaftsbedingungen auf unerklärliche Art und Weise verschwunden und d'Aliberts Frau und Kind waren ruiniert. D'Aliberts Schwager, Sieur de la Magdelaine, hegte einen vagen Verdacht, was diesen Tod betraf, und wollte dem auf den Grund gehen; so begann er zu ermitteln, doch seine Ermittlungen wurden durch seinen eigenen Tod spontan beendet.

      Nur ein einziges Mal schien Fortuna ihren Liebling verlassen zu haben: Maitre Penaultier sehnte sich danach, Nachfolger von Sieur Mennevillette, dem Verwalter des Klerus, zu werden, und diese Stelle war fast 60000 Livres wert. Penautier wusste, dass Mennevillette sich bald zur Ruhe setzen würd, wovon jedoch sein Hauptbuchhalter profitieren sollte, Sieur de Saint-Laurent, und dass schon alles vorbereitet war, ihm diese Stelle zu erkaufen: Sieur de Saint-Laurent hatte den Klerus komplett auf seiner Seite und erhielt die Nachfolge, ohne etwas bezahlen zu müssen. Penautier bot 40000 Kronen an, damit sie sich die Stelle teilten, doch Saint-Laurent lehnte ab. Trotz allem brachen sie ihre Bekanntschaft nicht ab und trafen sich weiterhin regelmäßig. Man hielt Penaultier für einen derartigen Glückspilz, dass man allenthalben erwartete, dass er die begehrte Stelle eines Tages auch bekommen würde. Jene, die nicht an das Mysterium der Alchemie glaubten, meinten, Sainte-Croix und Panautier würden auf dem Gebiet zusammenarbeiten.

      Nun, da die Trauerzeit vorüber war, war die Beziehung zwischen der Marquise und Sainte-Croix so offen und bekannt wie zuvor. Die beiden Brüder d'Aubray störten die Beziehung, indem sie eine ältere Ordensschwester aus dem Carmelite-Kloster als Aufpasserin einstellten, die Marquise merkte schnell, dass ihr Vater ihre beiden Brüder am Totenbett beauftragt hatte, sich um sie zu kümmern und sie zu überwachen. So hatte sie ihr erstes Verbrechen völlig umsonst begangen: Sie wollte diesen ständigen Tadel ihres Vaters loswerden und dazu sein Vermögen erben. Was aber wirklich geschah, war, dass ihr Vermögen zugunsten ihrer älteren Brüder so stark reduziert worden war, dass es kaum reichte, um ihre Rechnungen zu bezahlen, während sie von Neuem unter den Zwängen und Tadeln zu leiden hatte, ihre beiden Brüder als Vormund und einer von ihnen war Zivil-Leutnant, er hatte die Macht, sie erneut von ihrem Geliebten zu trennen. Das musste verhindert werden. Lachaussee beendete seine Arbeit als Diener Sainte-Croix', wurde durch das Geschick der Marquise drei Monate später als Diener des älteren Bruders angenommen und lebte fortan mit dem Zivil-Leutnanten in einem Haus.

      Das Gift durfte in diesem Fall nicht so schnell wirken wie das, das für M. D'Aubray genommen wurde, denn zwei derart brachiale Todesfälle in so kurzer Zeit und in derselben Familie könnten Verdacht erwecken. Wieder einmal wurde experimentiert, nicht an Tieren – ihr Organismus funktioniert anders und das könnte zu falschen Ergebnissen führen – wie zuvor wurden die Experimente an Menschen durchgeführt. Wie zuvor wurde ein „Corpus Vile“ erwählt. Die Marquise war als eine fromme und wohltätige Frau angesehen, es kam nicht oft vor, dass sie den Armen, die sie um Hilfe baten, nicht auch helfen konnte. Darüber hinaus zählte sie zu jenen Frauen, die sich mit Hingabe in die Dienste der Kranken stellten, und sie ging zu Krankenhäusern, um Wein und andere Medikamente zu verteilen. So überraschte es niemanden, als sie völlig selbstverständlich im Hôtel Dieu erschien. Dieses Mal brachte sie Kekse und Küchlein für rekonvaleszente Patienten mit, die wie immer mit großer Dankbarkeit angenommen wurden. Nach einem Monat stattete sie einen weiteren Besuch ab und fragte, wie es einigen Patienten ging, die sie besonders interessiert hatten: Sie alle hatten seit ihrem letzten Besuch einen Rückfall erlitten – ihre Krankheiten äußerten sich in veränderter Weise mit stärkeren Symptomen. Eine Art tödliche Erschöpfung die sie langsam bis zum Tode verfallen ließ. Sie stellte Fragen, doch die Ärzte konnten es sich nicht erklären. Diese Krankheit war ihnen gänzlich unbekannt und resistent gegen jede Art der Behandlung. Zwei Wochen später kam sie wieder. Einige der kranken Leute waren gestorben, andere waren noch am Leben, aber sterbenskrank, lebende Skelette, denen nur noch die Fähigkeiten zu sehen, zu sprechen und zu atmen geblieben zu sein schienen. Nach zwei Monaten waren sie alle gestorben, und die Ärzte waren genauso ratlos über ihren Tod wie auch während der Behandlung der Sterbenden.

      Experimente, die so erfolgreich liefen, waren beruhigend, also gab man Lachaussee Instruktionen. Eines Tages klingelte der Zivil-Leutnant nach seinem Diener, der, wie zuvor erwähnt, Lachaussee war, und Lachaussee kam zu ihm, um Befehle entgegenzunehmen. Er fand den Leutnant bei der Arbeit vor, zusammen mit seinem Sekretär Couste, und der Leutnant verlangte nach einem Glas Wein und Wasser. Kurz darauf brachte Lachaussee das Bestellte. Der Leutnant setzte das Glas an seine Lippen, trank einen kleinen Schluck, und schob es wieder beiseite. Er schrie: „Was hast du mir gebracht, du Dummkopf? Willst du mich vergiften?“ Er gab das Glas dem Sekretär sagte: „Couste, sehen Sie sich das an! Was ist das für ein Zeug?“ Der Sekretär gab ein paar Tropfen auf einen Teelöffel, hielt ihn sich an die Nase und dann an den Mund. Das Getränk roch und schmeckte nach Vitriol. Lachaussee ging zum Sekretär und sagte ihm, dass er wusste, was der Grund sein musste: Einer der Hausdiener hatte am Morgen ein Medikament eingenommen und nun hatte er wohl versehentlich das benutzte Glas seines Kollegen gebracht. Er sagte es und schon hatte er das Glas aus der Hand des Sekretärs genommen, es selbst an seine Lippen gesetzt und so getan, als würde er von dem Wein probieren, und dann sagte er, dass es an seiner Vermutung keinen Zweifel gäbe, denn er erkannte den Geruch wieder. Dann schüttete er den Wein in den Kamin.

      Der Leutnant hatte nicht genug getrunken, um davon etwas zu spüren und vergaß den Vorfall bald, sowie auch das Misstrauen, das er in dem Moment gehegt hatte. Sainte-Croix und der Marquise wurde klar, dass sie einen Fehler gemacht hatten, und da sie nun wussten, dass auch andere Leute in ihren Racheplan mit hineingezogen werden könnten, wollten sie anders vorgehen. Drei Monate vergingen ohne eine passende Gelegenheit. Doch dann fuhr der Leutnant an einem frühen Apriltage mit seinem Bruder zu seinem Landsitz Villequoy in Beauce, um dort die Osterfeiertage zu verbringen. Lachaussee war sein Hauptangestellter und bekam seine Instruktionen zum Zeitpunkt der Abreise.

      Am Tag nach ihrer Ankunft auf dem Landsitz gab es Taubenpasteten zum Abendessen: Sieben Personen hatten davon gegessen und fühlten sich nach der Mahlzeit unwohl, drei Personen, die nicht davon gegessen hatten, ging es gut. Am intensivsten wirkte die vergiftete Pastete beim Leutnant, beim Ratsherrn und beim Kommandanten der Wache. Er hatte vielleicht mehr gegessen, oder möglicherweise hatte die geringe Menge Gift, die er beim Kosten des Weines eingenommen hatte, ihr Übriges getan, jedenfalls litt der Leutnant nach zwei Stunden als erster unter Brechreiz, der Ratsherr hatte dieselben Symptome. Der Kommandant und die anderen waren für mehrere Stunden Opfer fürchterlicher Schmerzen, obgleich ihr Zustand nicht so schwerwiegend war wie der der Brüder. Und wieder war jede ärztliche Hilfe ohne Nutzen. Am 12. April, fünf Tage nach ihrer Vergiftung, kehrten der Leutnant und sein Bruder zurück nach Paris, so verändert, dass jeder annehmen würde, sie hätten schon lange an einer langwierigen furchtbaren Krankheit gelitten. Madame de Brinvilliers verbrachte jene Zeit auf dem Lande