Название | Ingeborg |
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Автор произведения | Bernhard Kellermann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754181539 |
„Nein, nein,“ sagte sie, „Sie haben mich freundlich empfangen. Sie taten nicht erstaunt. Sie lächelten auch nicht. Sie sagten, daß ich entschuldigen solle — ja wegen der alten Joppe und der Stiefel — das war so gütig von Ihnen! Sie sind gütig, ich weiß es, auch Claire sagte es, selbst sie. Ihre zwei Schlösser und sechs Dörfer haben Sie weggegeben für Almosen — ich weiß alles von Ihnen.“
Ich lächelte. „Ich habe gespielt,“ sagte ich.
„Hahaha,“ lachte Ingeborg, „jajaja — —“ sie sah mich an, lachte, dann senkte sie den Kopf.
„Fürst, Fürst,“ flüsterte sie und schwieg. Ihre Haare wehten. Was sollte ich tun? Ich fand kein Wort, das gepaßt hätte. Ich hätte ihr ja gerne ein sanftes Wort gesagt, aber es fiel mir nichts ein.
Was wollte sie doch von mir? Zuerst machte sie mir Vorwürfe wegen Claire und dann . . .
Plötzlich stieg ein Lächeln in mein Gesicht. All das kam mir lächerlich vor. Diese Worte, diese vielen wirren Worte.
„Ich bin dieser Worte nicht würdig,“ sagte ich. „Ich lächle. Ja, sogar eitel machen mich diese Worte.“
Ingeborg zuckte zusammen und blickte mich erschrocken an. Ihre Lippen lächelten verzerrt und sie sagte ganz tonlos: „Man hat mir viel von Ihnen erzählt, Fürst, dann dachte ich — ich habe dann oft an Sie gedacht. Ich würde Sie um etwas Liebe bitten, wenn es Wert hätte, selbst das würde ich tun. Ich habe keinen Stolz vor Ihnen. Aber ich glaube, Sie haben kein Herz.“
Ich erwiderte: „Ich lebe für mich, ich bin müde, ich kann Ihnen nicht sagen wie es kam.“
Das bleiche Mädchengesicht nickte traurig.
„Sie können also nicht mehr lieben?“ sagte sie.
Wie lächerlich klang das.
„Nein,“ entgegnete ich, „ich weiß nicht wie es kommt.“
Ingeborg wandte sich ab und ging mit zögernden Schritten davon. Alles flatterte an ihr.
„Fräulein Giselher,“ sagte ich, „ich wollte Sie mit keinem Worte verletzen. Ich gab mir Mühe aufrichtig zu sein. Ich habe mich gefreut, daß Sie heute zu mir kamen.“
Ingeborg ging. Ihre weiße Gestalt glitt still in die Dämmerung hinein, sie wurde düster, grau, dann sah ich sie nicht mehr.
Ich rief dem Hunde und stieg die Straße hinab.
6
Wie das Lächeln auf ihrem Antlitze hin und her irrte, wie ihre Worte flackerten! Und das alles meinetwegen, war es möglich? Freude und Stolz schwellten mir die Brust.
Ich stieg den Berg hinab und watete in den Wind hinein. Pazzo zerschnitt den Wind mit seiner spitzigen Brust. Über den schwarzen Himmel zogen Herden von Lämmerwölkchen, die sich alle zum Monde begaben, Licht zu trinken. Sie schimmerten vergnügt, sie schienen sich zu tummeln und aneinander zu reiben. Der Wald wogte. Der Wind suchte sich seine Bäume aus und schüttelte sie, daß sie mit den Spitzen den Boden berührten.
Die Funken stoben aus meiner Pfeife, und jedesmal schien es mir, als sähe ich mein fröhliches Gesicht.
Ingeborgs Worte, diese hastigen wirren Worte, zogen hin und her in meinem Kopfe. Sie stand vor mir, ihre Haare wehten, ihr Gesicht war bleich und voller Demut. Schön, rührend sah sie aus, und wie ihre Augen strahlten! Bei Gott, ich sah jetzt noch ihren Schein!
Ich schüttelte den Kopf. So sonderbar ist der Mensch, daß er sich vor einem Fremden zu Boden wirft und sich demütigt, wenn seine Zeit gekommen ist.
Ich dachte an das junge Mädchen und seine weichen zitternden Worte und war ergriffen. Es war der Frühling, ja, sie konnte nichts dagegen machen.
Nun war es Gottes Wille, daß sie sich an mich wendete, der gerade seine wunschlosen Tage hatte, der müde war, zu müde für die Liebe, die ihren ganzen Mann erfordert, viel zu müde.
Es hat Zeiten gegeben, da der Blick eines Dienstmädchens wie Feuer in meinen Adern lief, und ich lange Nächte an diesen armseligen heißen Blick denken mußte — nun aber waren die wunschlosen Tage des träumenden Blutes gekommen.
Ich blieb stehen, blickte in die ziehenden Wölkchen empor, und Mitleid für die gedemütigte Seele erfaßte mich.
Ich wollte ihr nacheilen und mit ihr sprechen. Dank, Dank, wollte ich sagen. Ich kann Sie nicht lieben, Fräulein Ingeborg, ich habe meine wunschlosen Tage, aber Dank für Ihre Liebe. Wenn Sie wollen, kommen Sie zu mir, Tage und Nächte will ich mit Ihnen plaudern, ich will Ihr Freund sein, ich schäme mich ja, ich bin arm in diesen Tagen, egoistisch, weil ich glücklich mit mir allein bin.
Aber ich eilte ihr nicht nach. Ich ging weiter.
Ich dachte: vielleicht bin ich nur so reich und glücklich, weil sie mich liebt? Sie beschenkt mich mit ihren Gedanken, ihrer Liebe, aus der Ferne, ich werde heiter und froh, und sie wird arm und unglücklich. Sie wirft sich auf den Boden und weint, und im gleichen Momente durchzuckt mich die Freude, eine unerklärliche tiefe Freude, und ich atme tief und lächle. Niemand kann es sagen.
Ich ging immer weiter und weiter die dunkle Waldgasse hinab und bei jedem Schritte dachte ich, daß ich umkehren sollte, um mit ihr zu sprechen.
Nun wanderte sie durch den sausenden Wald, langsam, beschämt und dachte an den Mann mit dem müden Herzen. Der Wind blies und sie hustete. Dann kam sie nach Hause, sie legte das Kleid ab, das schöne helle Frühlingsgewand und warf es unter das Bett. Sie wollte es nicht mehr sehen. Im Spiegel haftete noch ihr Bild von heute Mittag. Ich werde ihm gefallen? lächelte der Mund. Und die Augen sagten: Ja, ja, wirst ihm gefallen . . . . . . . . Sie drückte die Lider zu . . . . . . . .
Immer weiter stieg ich die Bergstraße hinab und wollte doch eigentlich umkehren. Die wunderlichen Worte klangen durch meinen Kopf.
Ja, ich mußte umkehren und ihr sagen, daß sie doch Geduld haben sollte mit mir, Geduld! Sie sei schön, ja herrlich sei sie, ergreifend sei sie.
Ich ging und ging. Mein Sinn verdunkelte sich.
Da sprang mein Herz auf.
Wie eine Knospe sprang es auf, ich spürte es. Es durchzuckte mich, es war wie ein Schrei der Freude in meinem Blute.
Ich kehrte um und stieg den Berg hinauf, zuerst zögernd, dann mit schnellen Schritten. Der Wind trieb mich, es war ein gewaltiges Brausen im Walde, das mich bis in die tiefste Seele erschütterte.
Ich ging und ging. Ich holte Ingeborg nicht mehr ein. Ich ging durch den schwarzen Wald, immer zu. Plötzlich lag ein Schloß mit vielen erleuchteten Fenstern im Walde.
Es erschien mir wie eine Festung, ich blieb stehen.
7
Es war gegen Morgen, der Tag blaute. Ich blickte aus meinem Fenster, das auf den Park hinausging, und lauschte auf den Gesang eines Vogels. Er sang in der weiten Stille des Morgens, da alles schlief.
Die ganze Nacht hindurch sang er, bis die Sonne aufging, der Frühling ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Oft hatte ich mich schon an seinem Gesange gelabt, aber heute verstand ich den kleinen Vogel und mein Herz bebte. Ich wußte wohl was das bedeutete. Nur die Unglücklichen und die Glücklichen zittern beim Gesang eines Vogels. Mein Herz zuckte bei jedem Tone, und wenn er leise