Название | Scharfe Klingen (-Stadt) |
---|---|
Автор произведения | Ruth Broucq |
Жанр | Языкознание |
Серия | 1. Die Abgebrühten |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783748557326 |
Energisch lehnte Ruth ab: „Nein, wir brauchen kein Taxi. Ich nehme mein Auto, ich trinke ja nicht. Es ist zu teuer solche weiten Strecken per Taxi zu fahren. Man kann auch das Geld zum Fenster rauswerfen. Das kann ich aber nicht!“
Udo brummelte sich etwas in den Bart, was sie nicht verstand, er widersprach allerdings nicht.
In der Wuppertaler City steuerte Udo zielbewusst auf ein großes Bekleidungsgeschäft zu, für dessen teure Artikel Ruth sich bis dato niemals interessiert hatte, weil Ruth sie als altmodisch empfand und die Kleider deshalb nicht ihrem Stil entsprachen. Bisher war Ruth mit der gängigen Mode, gelöcherten Schlagjeans und Westen mit Schusslöchern, immer zufrieden gewesen, und hatte sich als „gut gekleidet“ empfunden, weil es einfach dem Stil der jungen Generation entsprach. Und mit Dreißig war sie dazu noch jung genug. Udos Stoffhosen und Jacketts empfand sie als „Altmänner-Mode“, obwohl er in einer Jeans, für Ruth unvorstellbar war. Udo war zwar erst Fünfundzwanzig, aber einfach kein Jeans-Typ.
Mit sicherem Geschmack wählte Udo eine nachtblaue Tuchhose, eine enge weiße Baumwollbluse mit rot-blauen Streifen und einen blauen Samtblazer für Ruth aus. Danach dirigierte er sie in das Schuhgeschäft unter dem Sportcafe und entschied sich für dunkelrote Leder-Stiefeletten mit Keilabsatz. Fast dreihundert Mark hatte das ganze gekostet.
„So, du kannst dich gleich oben im Cafe umziehen, im Hinterzimmer, dann passt du wenigstens zu mir.“ Entschied Udo selbstsicher, ohne dass er Ruth um ihre Zustimmung gefragt hatte. Er setzte einfach voraus, dass ihr sein Geschmack gefiel. Ergeben nickte sie, denn er war der erste Mann, der jemals etwas für sie gekauft hatte. Dass er noch dazu so viel Geld für ihr Aussehen investierte, ließ keinen Widerspruch zu. Irgendwie gefiel ihr das auch, trotz Udos bestimmender Art.
Das Hinterzimmer des Cafes war eher eine Rumpelkammer, in der es keinen Spiegel gab, sodass Ruth gar nicht sehen konnte wie die Sachen zusammen aussahen, weil sie die Teile auch nur getrennt anprobiert hatte. Aber irgendwie fühlte Ruth sich wie Aschenputtel, die nun zur Prinzessin erwacht war, besonders als die bewundernden Blicke der anderen Gäste des Sportcafes sie trafen. Ruth war zwar eine kleine, zierliche Frau, aber in diesem Moment wuchs sie voller Stolz um mehrere Zentimeter. Dafür sorgte schon die elegante Kleidung.
Vom Sportcafe, über zwei Discos, einer Kellerbar und letztlich einer dunklen Zockspelunke schleppte Udo Ruth durch die Nacht.
Es wurde eine lange Nacht. Der Mann war unersättlich.
Ruth war hundemüde, was aber das Schlimmste war, Udo verlor fast tausend Mark von ihrem Geld, sodass sie am Ende nur noch zweihundert Mark von der Provision übrig hatten.
Zu Ruths Müdigkeit kam auch noch die Enttäuschung, dass Udo so leichtfertig mit ihrem Geld umging. Statt einer Entschuldigung oder Erklärung sagte Udo nur auf dem Heimweg: „Ist doch nur Geld. Morgen gibt es neues!“
Trotzdem schwieg Ruth, denn schließlich hatte er auch einiges für sie ausgegeben.
Der Freitag war in der Firma der Zahltag. Da Bert Meier die Angewohnheit hatte, seine Mitarbeiter, bei einem persönlichen Gespräch, in Bar auszuzahlen, brachte Ruth, wie üblich, nach der Werberunde auch die Frauen ins Büro. Es herrschte bereits reger Betrieb.
Ruth hatte sich schon vorher fest vorgenommen, sich nicht mehr auf den letzten Platz hinten anstellen zu lassen, deshalb schob sie ihre drei Damen nach vorne. Überraschenderweise kam der Chef gleich auf die Frauen zu und fragte entgegenkommend: „Haben die Damen die gleiche Stundenzahl wie üblich?“
Auf Ruths erstauntes Nicken wies er seine Sekretärin an: „Machen Sie bitte die Quittungen für die Werbedamen fertig, Frau Wirtz.“ Dann wandte er sich der Neuen zu und fragte: „Sind Sie neu in dem Werbeteam? Ich sehe Sie heute zum ersten Mal. Wie ist denn Ihr Name?“
„Dietze, Herr Meier! Ich heiße Bigi Dietze. Ja, ich arbeite erst zwei Wochen für Sie. Freut mich Sie endlich kennen zu lernen.“ strahlte die kleine pausbackige Werbedame, mit dem blonden Pferdeschwanz, den Chef mit einem Augenaufschlag an, der jeder professionellen Schauspielerin Konkurrenz gemacht hätte.
Meier strahlte zurück und Ruth wusste sofort, der Windhund hatte Frischfleisch gerochen, denn die kleine blonde Dietze war das krasse Gegenteil ihrer Kolleginnen, sie war jung.
„Warum habe ich denn noch gar nichts von der netten neuen Werbedame gehört, Ruth?“ fragte Meier vorwurfsvoll.
„Weil es nichts zu sagen gab, Bert. Bisher hatte sie noch keine Erfolge zu verzeichnen.“ Erwiderte Ruth bissig, aber wahrheitsgemäß.
„Aber das macht doch nichts! Das wird sich sicher bald ändern, nicht wahr, junge Frau?“ schmeichelte der alte Schürzenjäger dem blonden Mäuschen.
Wieder mit einem vielversprechenden Augenaufschlag schleimte die Kleine zurück: „Das wollen wir doch hoffen, Chef.“
>Jetzt weiß ich auch woher der Spruch: mit den Wimpern klimpern kommt. Wie schrecklich<! dachte Ruth.
„Ich bin ganz sicher!“ klang Meiers Antwort wie ein Versprechen, dabei verschlang er die Kleine mit den Augen.
In Ruths Inneren erklang ein heftiges Geläut dutzender Alarmglocken. Ihr Instinkt mahnte sie zu erhöhter Aufmerksamkeit und Vorsicht.
Als das Werbeteam sich, nach der Auszahlung, zur Tür wandte, verlangte Meier: „Komm noch einmal rein, wenn du die Damen nach Hause gebracht hast, Ruth. Ich habe noch etwas mit dir zu besprechen.“
Ruth tat, als habe sie die Aufforderung nicht gehört, und zog schnellstens die Tür hinter sich zu.
„Haben Sie gehört, Frau Woods? Sie sollen nachher noch Mal zurück kommen!“ meinte die vorlaute Kleine Ruth erinnern zu müssen.
„Hm!“ brummte Ruth missmutig, und warf der Vorlauten einen strafenden Blick zu. Der Blick zeigte Wirkung und ließ diese verstummen.
Am liebsten hätte Ruth sie gewarnt.> Leg dich nicht mit mir an, Kleine, du ziehst den Kürzeren<. Aber Ruth schluckte ihren Ärger runter und stellte sich taub.
Natürlich fuhr Ruth zuerst ihren Freund abholen um mit ihm den nächsten Termin wahrzunehmen.
Auf die gleiche, kuriose Art und Weise, wie bei dem ersten Termin, lief auch das zweite Verkaufsgespräch ab. Ohne jegliche fachliche Kompetenz, aber mit seiner frechen Überheblichkeit, überzeugte Udo die Hausbesitzer davon, dass er ihnen die einzig gute Lösung für ihre Fassade anbot. Er verstand es, den Menschen seinen Willen als den eigenen zu suggerieren, und log ihnen vor, dass er ihnen sogar preisliche Vorteile bot.
Der Erfolg war ein unterschriebener Vertrag über zweihundertfünfzig Quadratmeter. Das Ganze hatte nicht einmal eine Stunde gedauert.
Im Auto lachte Udo: „So schnell hab ich noch nie zweieinhalb Mille verdient. Das geht sonst nur durch ne Glückssträhne beim Zocken.“
„Ich soll heute Nachmittag noch mal ins Büro kommen.“ berichtete Ruth ihrem Freund.
„Ja, prima, dann kannst du gleich den Auftrag abrechnen. Wir brauchen Knete.“ Stimmte Udo sofort zu. „Soll ich mitkommen, oder willst du lieber alleine mit deinem Chef sprechen?“ fragte er.
Ruth verneinte: „Nee, ich denke, es ist besser wenn ich alleine mit ihm rede. Du lernst ihn noch früh genug kennen. Ich will nicht, dass er glaubt ich müsse mir Verstärkung mitbringen, weil ich alleine Schiss habe meine Forderungen zu vertreten.“
Ruths Freund reagierte ungewöhnlich entgegenkommend: „Gibt es da in der Nähe ein Cafe? Dann warte ich da auf dich.“ Schlug Udo vor. Sie nickte.
Also setzte sie ihn am Cafe Müller ab und versprach: „Dauert sicher nicht lange. Bis gleich!“
„Meine