Scharfe Klingen (-Stadt). Ruth Broucq

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Название Scharfe Klingen (-Stadt)
Автор произведения Ruth Broucq
Жанр Языкознание
Серия 1. Die Abgebrühten
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748557326



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die mir keinen Erfolg bringen. Steht übrigens auch in meinem Arbeits-Vertrag. Dass ich selbst entscheiden kann, wen ich auf meiner Werbefahrt mitnehme. Schau mal rein in den Vertrag, den du ja in Auftrag gegeben hast.“ Hielt Ruth ihm gelassen entgegen.

      Sie war so wütend, vor allen Dingen über sich selbst, dass sie dieses kleine nutzlose Luder nicht schon lange wieder entlassen hatte, dass sie sich vornahm, selbiges bald nachzuholen. Tatsächlich hatte Ruth sie schon viel zu lange mitgeschleppt, immer in der Hoffnung, dass sie ja mal irgendwann Erfolge vorweisen würde. Mal wieder wurde ihr ihre Gutmütigkeit zum Stolperstein, darüber ärgerte sie sich am meisten. Denn ihr war schon klar, wofür Meier das junge Hühnchen mit nach Berlin nehmen wollte, dafür kannte sie ihn ja. Er stieg auf Alles was nicht schnell genug auf die Bäume kam. Bei ihr hatte er es mehrmals erfolglos versucht, aber bevor sie mit Bert Meier ins Bett gegangen wäre, wäre sie eher lesbisch geworden. Ruth fand ihn einfach Ekelhaft, diesen dürren Bazi, mit dem unreinen grobporigen, pickeligen Gesicht, der glaubte, aufgrund seines Reichtums, alle Frauen ins Bett zu kriegen.

      Was diese kleine Schlampe sich davon versprach konnte Ruth sich denken, aber die Dietze musste mal erst an ihr vorbei kommen, denn schon ganz Andere hatten es nicht geschafft, sie Ruth, auszustechen. Ruth war innerlich so auf Protest gebürstet, dass sie der Dietze am liebsten in ihr dämlich grinsendes Pausbäckchen-Gesicht gespuckt hätte.

      „Ruth, hast du nicht gehört? Komm mal in mein Büro!“ maulte Meier lautstark von seiner Tür aus, und riss sie auch ihren düsteren Gedanken.

      Zumindest ins Chefbüro folgte ihnen niemand. Als ob er glaubte, ihr eine Erklärung schuldig zu sein, sagte er, wie zu seiner Entschuldigung: „Na ja, du musst sie ja in Berlin nicht mit auf Tour nehmen, ich habe schon eine andere Verwendung für die Bigi, aber das hast du dir sicher schon gedacht.“ Nach eine kurzen Luftpause fuhr er fort: „Also hör zu, du musst, an der Zonengrenze, für das Autotelefon eine Jahreserlaubnis beantragen. Das kostet siebzig Mark, aber du darfst auf gar keinen Fall das Telefon benutzen, während du durch die Ostzone fährst. Auch nicht mal kurz abheben, nur so zum Spaß. Du wirst während der ganzen Strecke immer unter Beobachtung sein, auch wenn du die Vopos nicht siehst. Und glaube mir, die verstehen keinen Spaß. Mich haben die schon in den Knast geworfen, nur weil ich im Auto telefoniert habe. Das ist für die Landes-Spionage. Lach nicht, das meinen die durchaus ernst. Also, du fährst von Hof über die Transitstrecke der DDR nach Westberlin. Direkt in Hof, an der Grenze, sagst du, dass du ein Autotelefon mitführst und dafür die Jahresgenehmigung beantragen möchtest. Dann gehst du mit in das Zollhaus und bezahlst. Die stellen dir das Formular aus, keine Angst, solange du denen Geld bringst, Westmark, sind die freundlich. Also hier sind die Autopapiere und dreihundert Mark Reisegeld, die Adresse von meinem Apartment auf dem Kudamm, und sobald du in der westlichen Zone bist, kannst du auch telefonieren. Aber ich rufe dich sowieso an, sobald du bei DETEWE raus gefahren bist. Schon um die Funktion des Telefons zu testen. Hast du alles verstanden? Dann fährt der Toni dich gleich zum Flughafen.“

      Ruths Fahrt wurde in Nürnberg unerwartet unterbrochen, weil die Firma DETWE mit dem Telefoneinbau noch nicht fertig war.

      Da ihr die Aushändigung des Fahrzeugs auf den nächsten Vormittag versprochen wurde, blieb Ruth nichts anderes übrig, als in Nürnberg zu übernachten.

      „Ist ja kein Problem“, sagte Meier am Telefon. „Geh halt in ein Hotel für die eine Nacht. Mit dem Geld solltest du auskommen. Wenn nicht, strecke den Rest vor, das gebe ich dir dann morgen zurück. Ich habe übrigens deinem Udo dreihundert Mark gegeben und für morgen Mittag einen Flug nach Berlin gebucht. Auch das sollte klappen. Also melde dich morgen, wenn du den Wagen hast.“

      Die Fahrt durch die Zone war sehr bedrückend. Der ganze Eindruck sehr deprimierend. Nicht nur der Hubschrauber, der während der gesamten Strecke über ihr kreiste, auch die kahle Landschaft und die harte Betonpiste der DDR-Autobahn vermittelten auf dieser Fahrt, ein trostloses Bild. Dabei wurde Ruth bewusst, welch ein niederschmetterndes Flair dieses Land ausstrahlte. Zum ersten Mal dachte sie über die Menschen nach, die in diesem Land gefangen waren, ja gefangen war die einzige Bezeichnung, gefangen hinter dem „eisernen Vorhang“! Wie glücklich konnten die „Westdeutschen“ sein, dass sie nicht das Pech hatten, im Osten dieses Landes zu leben. Dass sie das Glück gehabt hatten, dass ihre Familien im Westen Deutschlands das Ende des zweiten Weltkrieges erlebt hatten, und nicht im Osten.

      Die schwerbewaffneten Grenzer der DDR wirkten bedrohlich und steif, keinerlei Freundlichkeit lag in ihren Gesichtszügen, obwohl sie Ruth höflich aufforderten, mit in das Zollhaus zu kommen, nachdem sie ihr Anliegen vorgetragen hatte. Aber die Maschinenpistolen griffbereit, locker über der Schulter hängend, drückten so viel Bedrohung aus, dass es ihr ein flaues Magenbrummeln bescherte. Auch der Beamte, der das Formular ausstellte und ihr aushändigte, nachdem er das Geld kassiert hatte, verzog keine Miene, geschweige denn die Andeutung eines Lächelns lockerte seine Mimik. Dennoch unterstützten die Beamten mit den Worten „Bitte“ und „Danke“ ihre Ansagen, aber es hörte sich in dieser harten Form wie leblos an, obwohl es im Ostdeutschen Dialekt sonderbar klang. Innerlich fror Ruth in dem Gebäude und war froh es wieder verlassen zu können. Der kalte Dienstraum des Zollhauses erschien ihr ein Vorgeschmack auf die Zellen in deren Gefängnissen zu sein. Im Nachhinein empfand Ruth Mitleid mit Bert Meier, dass er in einem Ost-Gefängnis eine Nacht hatte verbringen müssen, nur weil er telefoniert hatte. Sicher würde Ruth das Telefon auf gar keinen Fall auch nur anfassen, geschweige denn telefonieren. Obwohl sie es als eine dreiste Abzocke ansah, dass die DDR- Behörde nur für das Durchfahren mit einem Telefon-Gerät was man nicht benutzen durfte, Geld verlangte. Aber mit dem Knast wollte Ruth keinesfalls Bekanntschaft machen, deshalb kommentierte sie es nicht.

      Natürlich fuhr sie in gesittetem Tempo die Transitstrecke nach Berlin, und da sie sich Zeit lassen konnte, kehrte sie in jeder der drei Raststätten ein, um einen Kaffee zu trinken. Der Kaffee schmeckte genauso fad wie die trostlose Kälte dieses Landes es schon erahnen ließ.

      Nach langer Fahrt erreichte Ruth endlich die Grenze zwischen Ost- und Westberlin. Bis zu den letzten Kontrollen blieb das unangenehme Gefühl im Magen.

      Sie atmete erleichtert auf, als sie den Osten hinter sich gelassen hatte.

      Telefonisch orderte Meier Ruth zu einem Cafe in der Berliner Innenstadt, ganz in der Nähe des Kudamms. Direkt vor dem Gebäude fand sie einen freien Platz in einer Parkbucht. Als Ruth den Raum betrat strahlte ihr die kleine pausbäckige Dietze entgegen. Allein ihre Art alle Menschen über einen Kamm zu scheren, mit der Ansicht, ihr lächelnder Augenaufschlag zöge bei Jedem, fand Ruth doof, deshalb verzog Ruth keine Miene, und ignorierte die Aufdringliche.

      „Entschuldigung, aber als erstes muss ich mal zur Toilette, danach können wir die Übergabe machen.“ Entschuldigte Ruth sich und verschwand ohne eine Antwort abzuwarten.

      Als Ruth am Waschbecken stand kam die Werbedame herein, stellte sich neben sie und fragte: „Sie sind doch nicht böse auf mich, Frau Woods? Meine Beziehung mit dem Chef stört Sie doch nicht? Ich nehme Ihnen ja schließlich nichts weg, oder?“

      Genervt erklärte Ruth ihr: „Wie kommen Sie auf solchen Blödsinn? Mit wem Sie bumsen ist mir doch egal, auch mit wem der Meier in die Kiste steigt. Ich will ihn bestimmt nicht haben. Und Sie müssen das mit Ihrem Gewissen vereinbaren, wenn Sie ihren Mann betrügen. Solange es unserer Arbeit nicht schadet werde ich mich da mit Sicherheit nicht einmischen. Ich gönne Jedem den Spaß den er sich erlauben kann.“

      „Ach ich finde den Bert so nett, auch wenn er optisch kein schöner Mann ist, aber er ist lieb und sehr großzügig, das genieße ich im Moment. Stellen Sie sich vor, er wollte mir sogar Kleider kaufen. Schade dass ich die nicht annehmen kann, sonst hätte der mich heute Morgen komplett neu eingekleidet. Ein lieber Mann ist er.“ Schwärmte sie mit verklärtem Lächeln.

      „Warum haben Sie denn nicht zugeschlagen, wenn der Sie unbedingt beschenken wollte? Für so dumm hätte ich Sie aber nicht gehalten, Frau Dietze.“ Verstand Ruth deren Ablehnung nicht. Ob sie nur aufschnitt? Ruth zweifelte an dem Bericht.

      „Nein, das konnte ich doch nicht annehmen. Wie soll ich das denn meinem Mann erklären, wenn ich mit neuen Klamotten nach Hause komme? Hat mir in der Seele wehgetan, aber die Vernunft hat gesiegt!“