Название | Der Zauberring |
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Автор произведения | Friedrich Motte De La Fouqué |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754183151 |
Als das Abenteuer vom Anger zu Ende war, sagte Herr Hugh zu dem alten Schwerte: »Du hast doch wahrhaftig beständig etwas gegen die Verborgenheit einzuwenden gehabt, und durchaus nicht gänzlich hinein gewollt, so oft ich’s auch versucht habe, dich in Ruh und Frieden zu bringen. Nun seh’ ich’s wohl, du tatest so gar unrecht nicht daran. Frisch heraus, mein alter Fehdegesell, und Otto, hol mir ihn ungesäumt herunter.«
Mit einigem Schauer wendete sich der Jüngling nach dem Gegenstande zurück, zu welchem sein Vater sprach. Es war ihm, als könne es auch wohl ein plötzlich heraufgestiegenes Gespenst, oder irgend etwas dergleichen sein. Aber es leuchtete ihm nichts, als die wohlbekannte Waffe in die Augen, nur daß sie vom Schimmer der einen heruntergebrannten Kerze in ganz ausnehmender Helle funkelte. Da faßte er freudig das große Goldgefäß, und achtlos dessen, daß die schwerbeschlagene Scheide klirrend auf das Pflaster der Halle fiel, trug er das blanke Gewehr zu seinem Vater, sprechend: »Ei fröhlicher Anblick! Nicht lustiger selbst hat Ritter Montfaucons Klinge im Fackelkreise gefunkelt!« – »Von Ritter Montfaucons Klinge wäre vieles zu sprechen«, sagte der Alte, das große Schwert in seinen Händen haltend und wägend, »und noch mehr wäre zu sprechen von übereilten Gelübden und sonst dergleichen; aber davon nachher, aber auch wohl gar nicht, denn Gelübde wollen gehalten sein, und du hast Gabrielen das deine geleistet. Nur wenn du einmal einen Juwelier antriffst, der einen kostbaren Stein auf keine Weise von sich lassen, sondern an dessen Karfunkelschein die Augen bis in den Tod laben und erstärken wollte, und dem eine reisende Fürstin sein Kleinod wider Dank und Willen mit fortnahm, oder einen Gärtner, der ein Blümlein zu seiner stillen Freude im heimlichsten Winkel seines Geheges zog, und es schoß plötzlich eine gaukelnde Taube herab, und raffte es ihm mit Stiel und Wurzel aus, und schwang sich damit über die See, – wenn du einmal das oder etwas Ähnliches siehst, so ermiß ungefähr, wie dem alten Herrn Hugh in dieser Stunde zumute war.« – Dabei drängten sich ihm zwei große, kristallhelle Tropfen in die alterstiefen Augen, während er festen Trittes in die Mitte der Halle vorschritt, und Otto wollte ihn mit Demut und Rührung umfassen, aber der Rittersmann sagte: »Junger Degen, die Stunde ist allzu ernst und feierlich, als daß man sich nur das geringste darin verstatten könnte, was irgend jemand Narrenteidung oder Weichlichkeit nennen dürfte. Kniet nieder, junger Herr von Trautwangen. Es ist an dem, daß man Euch zum Ritter schlägt.«
Otto beugte andächtig die Knie und faltete die Hände. Er war fast anzusehen, wie eines von den ernsten Steingebilden, die man auf Grabstätten junger Herren anzutreffen pflegt, fromm, einfältiglich, einer seligen Auferstehung wartend. Herr Hugh aber nahm das große Schwert, berührte mit dessen Klingenfläche dreimal die Schultern des Sohnes, und sagte dazu: »Das leide du jetzt von mir, und von keinem wieder.« – Dann trat er vor den Jüngling hin, und sprach: »Herr von Trautwangen, ich habe Euch nun Kraft meines Rechtes als Ritter und Bannerherr die heilige Ritterwürde übertragen. Übt solches Amt recht ehrbar aus, zum Horte der Frauen, der Witwen, und der Waisen; vor allem aber zur Glorie unsres Allerheiligsten Erlösers Jesu Christi. Für jetzo nun erhebt Euch, kommt in meine Arme und laßt uns gute Waffenbrüder mitsammen sein.«
So herzinnig hatten sich Vater und Sohn noch niemalen umfangene als in diesem feierlichen Augenblick, wo sie über alles hinaus, was sie sonsten verknüpfte, auch noch Brüder und Genossen geworden waren. Darauf ging Herr Hugh mit dem alten Schwerte nach einem goldhellen großen Schilde, welches grade über seinem Sessel hing, und schlug dreimal gewaltig und in gemessenen Zeiträumen dagegen, daß die Hallen dröhnten, und alsbald sich der Saal von den bewaffneten Hausleuten füllte.
»Das ist der Ritter Otto von Trautwangen«, sagte Herr Hugh zu ihnen, indem er seinen Sohn an der Hand hielt. »Dieser teure junge Degen wird heute nacht seine Waffenwache halten. Tragt ihm deshalben die silberhelle Rüstung – denn sie soll sein gehören – hinunter in die Kapelle, und wer es gut meint mit dem Hause der Trautwangen und dessen jüngster Blüte, halte sich munter zu Nacht, und bete zu Gott, daß diese ernsten Stunden eine erquickliche Saat und Frucht tragen mögen für Zeit und Ewigkeit. Amen!«
Und sie schritten hinunter die Wendelsteigen nach der Kapelle, die, wie zum Schutze des Baues, weit hinaus an dem vorspringendsten Gemäuer gegen Morgen stand. Dann legten die Kriegsknechte das glänzende Waffengerät vor dem Altar nieder. Herr Hugh segnete seinen ritterlichen Sohn, ihm das alte Schwert in die Hand drückend, während dieser sich edlen Anstandes und gezückter Wehr, wie ein Paradieseswächter, vor das silberreine Metall hinstellte, betend und schweigend mit seinen Dienstmannen an geheiligter Stätte.
Fünftes Kapitel
In der Höhe der Kapelle brannte fern oben eine einzige Lampe, das Gewölb mit all seinen reichen Bogen, welche gleich Orgelklängen pfeilernd emporstiegen und einander umfaßten, so wunderbar erleuchtend, daß man meinte, durch Waldesäste in den offnen Himmel hinaufzuschauen, während der untre Teil des Gebäudes in zweifelhafte Dämmerung versenkt blieb, so wie es die Erde mit ihren Gebilden ja auch vor unsern blöden Menschenaugen tut. Die Frommheit des Gedankens erfaßte zu Anfang den jungen Ritter ausschließlich; er kniete nieder, die Hände um seine Schwertklinge faltend, und den goldnen Griff als ein Kreuzesbild in die Höhe hebend, und dabei schaute er immer recht inbrünstig nach der obern Helle des Gewölbes empor, und dachte an seine selige Mutter, von der er sich nur erinnern konnte, daß sie auf der Reise im freien Walde gestorben sei, und ihm, dem weinenden Knaben, immer mit süßem Lächeln nach dem lichtblauen Frühlingshimmel hinauf gedeutet habe, denn sprechen konnte sie schon nicht mehr. An der Mutter Tod knüpften sich andre Erinnerungen fest, und so kam das Gemüt des Jünglings nach und nach wieder vorgeschritten in die gegenwärtige Stunde. Da fiel es Ihm auf, wie bis heute diese Kapelle ein unbekannter, verbotner Raum für ihn gewesen war, und mit einem Gemisch von Neugier und Grauen sprang er in die Höhe. Bild an Bild ward neben ihm an den Wänden sichtbar, einige so weit aus der Mauer vorgeschritten, daß die Dämmerung sie fast mit ihrem wechselnden Dunkel und Licht zu lebendigen Leibern gestaltete; andere wieder nur mit Farben leicht auf die Fläche hingehaucht, selbst Schatten in den Schatten, die von der lodernden Ampel daran hinstreiften. Es war ihm, als müßten alle diese Gestaltungen in das Leben seines Vaters gehören, welches er auch nicht viel anders kennengelernt hatte, als eben jetzt die Wände der Kapelle: einzelne Bilder deutlich, die mehrsten aber kaum geahnt, und der Zusammenhang des Ganzen unbegriffen, und von nebligem Dunkel überhüllt. Soviel sah er wohl, daß hier teils Grabstätten mit ihren ernsten Verzierungen standen, teils auch erbeutete Waffen und ganze Rüstungen von unerhörter Gestalt, denn Herr Hugh war sehr weit umhergekommen, sowohl in die heiligen Morgenlande, als auch durch den blühenden Westen von Europa, und hinauf gen Mitternacht, wo es mehr Winter gibt als Sommer, und die Sonne oft viele Wochen hintereinander unsichtbar bleibt. Aus allen solchen fernen Regionen schienen sich hier Bilder oder sonst Andenken eingefunden zu haben, um in dem engen Raume Kunde zu geben von dem reichen Leben des alten Ritters, welches jetzt einem noch weit engeren Raume schon ganz nahestand. Es wehten im Nachthauche große Banner, und muhammedanische Roßschweife daneben, und krumme Säbel funkelten mit reichen Juwelengefäßen neben uralt rostigen Schwertern und Streitäxten; wie zum Treffen geschart standen Harnische da, und neben ihnen sahen ernste Greisenantlitze, hart gemeißelt, oder milde Frauenangesichter mit bleichen Farben wie Mondschein von den Wänden heraus. Ach, unter diesen war eines, das ihn mit dem allersüßesten Zauber anzog, dessen er sich je bewußt geworden! Er konnte es kaum vor einigen finstern Rüstungen recht gewahr werden, und doch meinte er, es müsse niemand anders als seine selige Mutter sein. Es war ordentlich, als winke es ihm mit der einen in die Höhe gereckten Hand zu sich hin. Er wäre auch gleich gegangen: nur wußte er nicht, ob es seinem Ritterstande gebührlich sei, die Waffen, welche er bewachen sollte, so weit zu verlassen, denn das Bild stand fast am andern Ende der Kapelle. Da erwachte ein wunderliches Kämpfen in seinem Gemüt, und ließ ihm keinen Frieden; die Mutter schien immerfort zu winken, und endlich meinte er gar die süße Stimme zu vernehmen, die aus der frühen Kindheit herauf noch oftmals durch seine Träume gegangen war, und daß sie spreche: »Ach du herzlieber Sohn, ach nur den einen, einen Augenblick! Ich bin ja schon so lange tot und fern von dir. Ach nur den einen Augenblick! Die Waffen liegen ja in Gottes Hut!« – Wohl sagte sich der junge Ritter, daß er das alles