Der Zauberring. Friedrich Motte De La Fouqué

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Название Der Zauberring
Автор произведения Friedrich Motte De La Fouqué
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754183151



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      Das schlimmste von allen Dingen,

      Denn weil ich dich nicht fürder seh’,

      Macht’s Tränenquellen springen.«

      Bertha antwortete:

      »Du böse Ferne,

      Du glatte Bahn.

      Dir folgt’ ich gerne,

      Doch geht’s nicht an.

      Denn ach, es heißt Ade! Ade!

      Jungfrau muß einsam warten,

      Und gießt mit ihrer Augen Weh

      Die Blümchen an im Garten.«

      Sie hörten auf, zu singen, denn es kam ein großer Zug von Pilgerleuten jenseit des Stromes vorbei, und zwar in so mannigfacher Gestaltung, daß die jungen Leute ihr ganzes Aufmerken dorthin kehrten. In der Mitte des Gewimmels ragten schöne Frauen auf prächtigen Maultieren hervor, und zu ihrer Hut gingen dicht neben ihnen Kriegsmänner mit großen Hallebarten. Dann zeichneten sich wieder einige Pilgrime aus, denen man, trotz ihrer grauen Kleider und Muschelhauben, ansah, daß sie vom Hofe kamen, indem eine gewisse vornehm-sittige Zierlichkeit sie verriet und seltsam gegen einen ganzen Haufen bäurischen Volkes abstach, welcher sich um sie her und zwischen sie durch drängte. Doch wurden darunter auch anständige Bürgersleute sichtbar, mit festem, ehrsamem Wesen, und Maler und Sänger in ihrer Zahl, wie es das mitgeführte Kunstgerät anzeigte, womit sie auch jenseit des Meeres, unmittelbar an den heiligen Leidensstätten, Gott und ihrem Heiland zu dienen verhofften. Endlich kamen auch einige Ritter auf schönen Hengsten, im vollen blanken Harnisch, und nur an den rotbekreuzten Schultern als Pilgersleute kennbar. Als eben der Zug der beiden gegenüber war, fingen die Frauen an, folgende Worte zu singen:

      »Nach Morgen hin, nach Morgen!

      Im dunkeln Abend laßt daheim die Sorgen!

      Der Morgen funkelt hell.

      Da predigen süße Blumen

      Von Christi Heiligtumen,

      Da singt der Kidrons-Quell.

      Da ist die Herd in Vaters Schoß geborgen,

      Da wächst nur frommer Mut;

      Stirbt einer, stirbt er gut;

      Nach Morgen, Schwestern, Brüder, auf nach Morgen!«

      Sie sangen so schön und freudig, daß es war, als wolle die Sonne vor dem heiter sehnenden Liede noch einmal im funkelnden Spätrot wieder aufgehn, und ihnen zu Gefallen Morgen aus Abend machen. Als nun die holden Töne langsam und feierlich verhallt waren, fielen die Ritter mit einer lustigen Kriegsweise ein. Die Bewaffneten, welche die Damen geleiteten, sangen mit, und ein Trompeter, hinter den Rittern herreitend, blies abgebrochene gewaltig schmetternde Töne dazu. Die Worte des Gesanges klangen etwa folgendermaßen:

      »Sarazene, mußt nicht wetzen

      Dein gebognes Schwert;

      Sarazene, magst dich letzen

      Mit dem eignen Herd.

      Mußt nun bald von hinnen!

      Magst dir wohl gewinnen

      Tief in Asia neues Land;

      Vom gelobten wirst verbannt.

      Löwenherz, ein Königsritter,

      Tat viel ernsten Schwur,

      Kommt, befruchtendes Gewitter,

      Bald zur heil’gen Flur.

      Dann, wo Christ gelitten,

      Wird ein Kampf gestritten;

      Wer da fällt, hat Gloria,

      Wer da lebt, Victoria!«

      Der Zug war vorüber, die jungen Leute schwiegen noch immer, bis endlich Otto mit glühenden Wangen sagte: »Es ist wahr, der König Richard von England, den sie seiner Tapferkeit und Großmut wegen Löwenherz nennen, hat einen Kreuzzug angelobt. Der Vater und Meister Walther redeten noch vorgestern abend davon. O Gott, was wird das ein herrlicher Krieg werden!« – Bertha seufzte und sprach: »Wenn du immer so lebhaft von Krieg und Fortreisen anfängst, sobald nur irgend etwas vorbeizieht, hab ich kaum den Mut mehr, das Liedlein vom Abschied weiter zu singen.« – »Ach, sei kein Kind!« sagte der Jüngling lächelnd, »es ist ja noch gar nicht die Rede von irgend dergleichen. Gib nur hübsch auf deine Stimme acht; du weißt, nun singen wir beide zusammen.«

      Es war aber, als sollten sie das Lied heute durchaus nicht zu Ende bringen, denn eben, als sie das letzte Verslein anfangen wollten, ließ sich hinter ihnen ein Geräusch auf der Aue vernehmen, wie von vielen Rossen, und sie wandten sich eilig darnach hin.

      Zweites Kapitel

      Eine Schar von prächtig gekleideten Knappen sprang eben von den Pferden, und fing an, einige bunte und reiche Gezelte auf dem Anger aufzuschlagen, während eine wunderschöne Dame, im Gefolge mehrerer edler Jungfrauen geritten kam, und durch einen bewaffneten Herrn von ihrem weißen Zelter ehrerbietig herabgehoben ward. Es gab einen hübschen Anblick, wie nun die Frau und der Ritter sich lustwandelnd nebeneinander auf dem Rasen ergingen: der Dame Gewand von himmelblauem Sammet, mit großen Bogen von goldner Stickerei am Saume; des Ritters Harnisch in tiefer Schwärze glänzend, und mannigfache Sinnbilder von leuchtendem Silber darauf eingelegt. Seine ganze Gestalt war fast seltsam anzusehn, dieweil die Waffenstücke in wunderlichen Ecken und Ründungen aneinander stießen; dabei nahm er sich vornehm und feierlich aus, auch zeigte sein enthelmtes Haupt, daß er noch ein junger und recht anmutiger Herr sei.

      Die Lustwandelnden kamen unweit der Stelle vorbei, wo Otto und Bertha standen, und diese grüßten die vornehmen Fremden mit sittiger Demut. Die Dame, den Gruß freundlich erwidernd, verweilte wohlgefälligen Blickes bei den zwei zarten, nach deutscher Weise hochschlank emporgeschossenen, und dennoch kindlich anmutigen Gestalten. Sie winkte sie endlich herbei, und es entspann sich ein zierliches Gespräch, in welchem Ottos und Berthas immer vereintes, nimmer gestörtes und durchaus heimatliches Leben bald gänzlich entfaltet dalag. Ihre Geschichte war kurz, und die einfachen, höchst gewöhnlichen Begebenheiten darin hatten sich in wenigen, eben so einfachen Worten kundgegeben. Da sahe die Fremde mit wehmütigem Lächeln ihren Begleiter an, und sagte: »Graf Archimbald, wenn wir erzählen sollten, würden wir auch so schnell zu Ende sein?« – »Und dennoch«, fuhr sie gegen Otto und Bertha gewendet fort, »ist mir, als sei ich euch das wundersame Märlein meines Reisens schuldig, ihr lieben Kinder. Ihr werdet eure Lust daran haben, und seht mir aus, als hielte nur eure sittige Bescheidenheit euch vom Fragen zurück. Wer gegen mich so treuherzig war, gegen den muß ich es billig wieder sein.« – Damit führte sie die beiden jungen Leute, denen das Herz vor anmutiger Neugier nach den seltsamen Geschichten brannte, in ihr derweilen völlig aufgeschlagenes Zelt, und während Ritter Archimbald hinausging, nach der Ordnung des kleinen Lagers zu sehn, ließ sie sich auf ein zierliches Ruhebettlein nieder, winkte Otto und Bertha an ihre Seite und hub folgendermaßen zu erzählen an:

      »Ich bin Gabriele geheißen, und aus dem uralt edlen Geschlechte der Portamour entsprossen. Von früher Kindheit an zur Waise geworden, hörte ich oftmals von meinen Erziehern, ich könne eine der reichsten und vornehmsten Frauen in Frankreich sein, nur daß mir ein gewisser Ring fehle, welchen eine Dame aus der normännischen Familie der Montfaucon mit allerhand ungerechten Listen an sich zu bringen gewußt habe, und den jetzt ihre Tochter, gleichen Alters mit mir, als Erbin besitze. Der Ring ward mir immer vor Augen gestellt, wie das Paradies andern Kindern, aber doch mindestens in ähnlicher Wichtigkeit und süßer Hoffnungsfülle. So geschah es denn, daß alle meine Träume, schlafende und wachende, sich um den wundervollen Ring drehten, ohne daß ich eben mehr von ihm gewußt hätte, als wie er ein Recht auf einige große Ländereien erteile, und, was mir noch endlich wichtiger erschien, seine Besitzerin mit vielen magischen Geheimnissen und Ansprüchen auf das Reich der Geister vertraut mache. Wie mußte mir nun zumut werden, als ich eines Abends am Hofe des Königs, den ich nur eben zum erstenmale betrat, einem Fräulein vorgestellt wurde, welches Blancheflour von