Название | Der Zauberring |
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Автор произведения | Friedrich Motte De La Fouqué |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754183151 |
Denn unter den blühenden Zweigen trat eine hohe Rittergestalt hervor, nicht jung mehr, aber auch nicht alt, und von so unbeschreiblicher Heldenherrlichkeit, daß die schöne Lisberta beinahe mit einer unwillkürlichen Verbeugung in die Knie sank. Der Rittersmann aber sagte: ›Verletzet Euch nicht, Jungfräulein, mit diesem scharfen Spiel. Ich sähe lieber mein Herzblut vielfach strömen, als einen Tropfen des zarten Purpurs, der in Euren Adern wallt, aus diesen weißen Blumenfingern tröpfeln.‹ – Damit nahm er ihr sittigen Anstandes die Waffe aus der Hand, sie wieder ins Wehrgehenk an seine Hüfte steckend, und ehe er sonst noch irgend etwas sprechen konnte, waren schon Dienerinnen in der Nähe, die nach Lisberten riefen, dieweil des Festes Zug bereits begonnen sei. Die scheue Jungfrau winkte den edlen Ritter abwärts, und er verschwand, sich ehrerbietig neigend, hinter des Gartens farbig grünen Wänden.
Wie so gänzlich die Prozession und das Singen der Chöre und das Zujauchzen der Menge vor den Sinnen der armen Lisberta verschwand, laßt es mich Euch nicht fürder beschreiben, edle Ritter. Mein Herz blutet ohnehin vor des lieblichen Opfers Dahinsterben, und ich habe mich nur allzugerne lang in den frühern seligeren Gewinden ihres Lebens verweilt, wohl wissend, wie traurig es in der Zukunft noch kommen mußte. Vergönnt mir denn von diesem Wendepunkte an ein schnelleres Eilen zum Ziel.
Als nach dem halb oder meist gänzlich unvernommenen Feste die schöne Lisberta zu Abend an ihrem Blumenfenster saß, in süßes Geträum versunken, schien ihr die Sonne abschiednehmend so hell ins Gesicht, daß sie es wohl bemerken mußte, wie eines der hohen, schwankblühenden, sich an höhere Bäumchen anrankenden Gewächse ihres Zimmergartens sich von dem Baste losgemacht hatte, und statt hinauf zu dem Stamme, sich hinab gestreckt hatte vom niedern Fenstergesimse zu der nahen Terrasse. Indem sie nun aufstand, die Zweige wieder emporzubinden, sahe sie eine Gestalt unten vorüberwanken, in welcher sie nur allzuwohl den Herrn des glänzenden Schwertes von heute morgen erkannte. Eilig trat sie zurück, eilig zog sie die Ranken empor; ach, an ihrer vorhin gesenkten Spitze zog sie ein Brieflein, vom furchtbar lieblichen Wandrer daran befestigt, mit in das Gemach. Es lösend und lesend erfuhr sie alsbald, im Liebeswerben des ritterlichen Fremden, daß er ein Degenheld aus fernen Landen sei, den man hier in der Stadt Herr Uguccione hieß, und über alles wegen seiner kriegerischen und geselligen Tugenden ehrte, so daß sie auch schon vor mehrern Monden mancherlei Staunenswürdiges und nie bisher Erhörtes von ihm vernommen hatte. Da erlag um so schneller das schon verwundete Herz. Die blühende Ranke ward bald wieder von ihrem Baste gelöst, und senkte sich, holde Botschaft tragend, als eine gründuftende Brieftaube nach der Terrasse hinunter, ward bald darauf im selbigen Amte mit Ugucciones Antwort zu der lieblichen Herrin emporgezogen. Grüße und Gegengrüße schwebten nun auf diesem zierlichen Wege oftmals herauf und hinab, ja endlich schwebte Lisberta oft selbst hinab über die heimlichen Steigen, welche aus ihren Zimmern in den nächtlichen Garten führten, um dorten desto ungestörter mit dem geliebten Uguccione zu kosen.
Es geschahe aber endlich, daß Lisbertas Briefe sich wohl an der Ranke hinab senkten, niemand jedoch vorbeiging, sie aus dem grünen Geflechte zu lösen. Wenn sie es nun wieder emporzog, fand sie nur das Siegel ihrer Trostlosigkeit daran: den eignen, unentsiegelten Brief. Sie fing endlich an nach Uguccione zu fragen, und erfuhr, daß er schon seit vielen Tagen auf eine unbegreifliche Weise aus Mailand verschwunden sei. Dennoch ließ die Arme nicht ab, täglich das Rankengewächs vom Baste zu lösen, und auf die Terrasse hinabsinken zu lassen. Zog sie es alsdann ohne Brieffrucht herauf, so weinte sie bitterlich, und trieb dies so lange, bis ihr das Herz am Ende von vielen Tränen brach. Da sorgte eine Freundin, daß die rankende Blüte auf den Grabhügel eingepflanzt ward, und ich habe wohl oft gesehen, wie die Blätter und Blumen noch jetzt die einsame Stätte überschatten und überduften.«
Achtes Kapitel
Über des jungen Tebaldo heitres Gesicht hatten sich während des Erzählens immer tiefere Trauerschatten gelagert, so daß er am Schlusse seiner Geschichte wie ganz verwandelt erschien, vorhin einem fröhlichen Zechgesellen gleichsehend, jetzt aber einem Leichengaste, der mit seinem Herzen bei dem Begrabenen in der dunkeln Grube ist. Nach einigem Schweigen ermannte er sich, und sagte: »Ihr müßt es mir schon zugute halten, edle Ritter, wenn ich etwas, wie einen schwarzen Flor, über euer heitres Mahl und eure goldnen Weinbecher ausgebreitet habe. Ich bin sonst auch ein frischer Jüngling und gerne froh an Trank und lustiger Gesellschaft, nur daß sich oft die eben erzählte Geschichte zwischen mich und meine Vergnügungen zu drängen pflegt, und eh’ ich sie alsdann nicht vom Herzen herunter gesprochen habe, läßt sie mir keine Ruh. Das macht, mich haben Base und Oheim zu vielen Malen an das Grab Lisbertens geführt, und mir vorgesagt von ihrer Lieblichkeit und Treue, und von Ugucciones Verrat; – die Geschichte ist ordentlich mit mir aufgewachsen und in mich herein. Sollte mir auch Herr Uguccione einmal begegnen, so mag er sein Leben hüten. Ich kann mir kaum eine größere Lust denken in meinem Sinn, als ihm sein gold- und silberblankes Schwert in das Herz zu bohren, und ihm dazu in das Ohr zu rufen: Lisberta! Lisberta!«
Seine glühenden Augen brannten ihm dazu, wie zwei Mord- und Kriegsfeuer, die über ein empörtes Land in dunkler Nachtzeit hinflammen. Otto aber gab darauf, wie überhaupt auf seine letztern Reden, wenig acht. Sein ganzer Geist war noch bei der Geschichte und bei dem traurigen Gedanken an verlaßne Liebe. Da entsiegelte ihm zuletzt Vertraulichkeit und Wehmut die Lippen; er fing an, seinen Gefährten, – ohne Nennung der Familiennamen zwar, – zu erzählen, wie es ihm selbst ergangen sei, wie er so vergnüglich an den Ufern der Donau gelebt habe, von Kindheit an in schuldloser Minne zu seiner Muhme Bertha, wie er nun endlich von gewaltigeren Sehnen hinausgelockt worden sei und zerrissen habe das frühe, liebliche Band, und wie ihm jetzt mit den Schmerzen verlornen Liebe in den beiden Geschichten auch die Schmerzen des holden Mühmleins aufs Herz gefallen seien; und endlich beschloß er seine halb kindischen, halb männlichen Reden mit der Frage: ob wohl seine beiden Gefährten meinten, auch Bertha könne sterben, wie der Waldbruder und die schöne Mailänderin gestorben sei?
Da sahe ihm der fremde Ritter scharf ins Auge, und mit einer Eiskälte, die plötzlich über sein ganzes Gesicht und Wesen, wie in feindseliger Versteinung anzuschießen schien, sagte er: »Da Ihr soviel von Donaustrand und Bertha redet, heißet Ihr wohl gar Herr Ott’ von Trautwangen, und Euer schön Mühmlein ist Fräulein Lichtenried?« – Und kaum hatte Otto beides bejaht, so erhub sich der Fremde, setzte den schweren Helm, den er unter dem Arm mit herausgebracht und neben sich hingelegt hatte, auf den Kopf, und sprach: »Es ist sehr gut, daß wir einander hier treffen, denn ich bin Ritter Heerdegen von Lichtenried, Berthas Bruder, der nach langem Umherstreifen sein herangeblühtes Schwesterlein zu besuchen fuhr, und nun eben recht kommt, sie an einem so eingebildeten und törichten Schwätzer zu rächen, als Ihr seid.« – Der Schluß dieser Rede erstickte in Ottos Herzen jeglichen Gedanken an Sühne, wie geneigt er auch anfangs dazu gewesen sein mochte, und rasselnd fuhr er in die Höhe nach Schwert und Helm. Weil nun, indessen dieser seine Wehr zurechtschnallte, der Italiener einige begütigende Worte zu sprechen versuchte, entgegnete Heerdegen: »Gebt Euch keine Mühe. Hat der junge silberhelle Fant dorten wahr gesprochen, so bedarf es der Rache, hat er kindisch gelogen, so ist die Züchtigung an der Reihe.« – Otto stand bereits am Eingange der Laube, und winkte nach einem dichten Gebüsche hinab, welches sich in einiger Entfernung an den Ufern des Stromes dahinzog. Tönend schloß Heerdegen seinen Helm, und schritt an der Seite seines Gegners hinaus, während Tebaldo, – es schien mit großer Lustigkeit, – bald neben, bald vor den beiden Eisenmännern herwandelte.
»Verzeiht es mir, edle Herren«, sagte er unterweges, »daß ihr mich bei euerm ernsthaften Geschäfte so voll Vergnügen seht. Ich habe mir mein Lebtag nichts Besseres und Erquicklicheres wünschen können, als ein Gefecht zwischen zwei schwergewaffneten Rittern auf Leben und Tod mitanzusehn. Ja, ich wäre der ernsten Belustigung mit meiner eignen Gefahr gern selbsten in den Weg getreten; aber so hab ich höchstens einmal mit losem, leichtbewehrtem Räubergesindel zu tun finden können. Und wenn die Leute zum Scherze miteinander fechten, sind es die