Das Wesen des Christentums. Feuerbach Ludwig

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Название Das Wesen des Christentums
Автор произведения Feuerbach Ludwig
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754945940



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Symbol des »unheiligen« Geistes meiner Schrift, gleichwie auch das Wasser der Taufe – der Gegenstand meiner Analyse – zugleich eigentliches und bildliches oder symbolisches Wasser ist. Ebenso ist es mit dem Wein und Brot. Die Bosheit hat hieraus den lächerlichen Schluß gezogen: Baden, Essen und Trinken sei die Summa summarum, das positive Resultat meiner Schrift. Ich erwidre hierauf nur dieses: wenn der ganze Inhalt der Religion in den Sakramenten enthalten ist, es folglich auch keine anderen religiösen Akte oder Handlungen gibt, als die bei der Taufe und beim Abendmahl verrichtet werden, so ist allerdings auch der ganze Inhalt und das positive Resultat meiner Schrift: Baden, Essen und Trinken, sintemal und alldieweil meine Schrift nichts ist, als eine sachgetreue, ihrem Gegenstand sich aufs strengste anschließende, historisch-philosophische Analyse – die Selbstenttäuschung, das Selbst bewußtsein der Religion.

      Eine historisch-philosophische Analyse, im Unterschiede von den nur historischen Analysen des Christentums. Der Historiker zeigt, z. B. wie Daumer, daß das Abendmahl ein aus dem alten Menschenopferkultus stammender Ritus ist, daß einst statt des Weines und Brotes wirkliches Menschenfleisch und Blut genossen wurde. Ich dagegen mache nur die christliche, im Christentum sanktionierte Bedeutung desselben zum Objekt meiner Analyse und Reduktion und befolge dabei den Grundsatz, daß nur die Bedeutung, welche ein Dogma oder Institut, mag dieses nun in andern Religionen vorkommen oder nicht, im Christentum, natürlich nicht im heutigen, sondern alten, wahren Christentum hat, auch der wahre Ursprung desselben ist, inwiefern es ein christliches ist. Oder er zeigt, wie z. B. Lützelberger, daß die Erzählungen von den Wundern Christi sich in lauter Widersprüche und Ungereimtheiten auflösen, daß sie spätere Erdichtungen sind, daß folglich Christus kein Wundertäter, überhaupt nicht der gewesen ist, den die Bibel aus ihm gemacht hat. Ich dagegen frage nicht darnach, was wohl der wirkliche, natürliche Christus im Unterschiede von dem gemachten oder gewordenen supranaturalistischen gewesen ist oder sein mag; ich nehme diesen religiösen Christus vielmehr an, aber zeige, daß dieses übermenschliche Wesen nichts andres ist, als ein Produkt und Objekt des übernatürlichen menschlichen Gemüts. Ich frage nicht: ob dieses oder jenes, überhaupt ein Wunder geschehen kann oder nicht; ich zeige nur, was das Wunder ist, und zwar nicht a priori, sondern an den Beispielen von Wundern, die in der Bibel als wirkliche Begebenheiten erzählt werden, beantworte aber damit gerade die Frage von der Möglichkeit oder Wirklichkeit oder gar Notwendigkeit des Wunders auf eine Weise, die selbst die Möglichkeit aller dieser Fragen aufhebt. So viel über meinen Unterschied von den antichristlichen Historikern. Was aber mein Verhältnis betrifft zu Strauß und Bruno Bauer, in Gemeinschaft mit welchen ich stets genannt werde, so mache ich hier nur darauf aufmerksam, daß schon in dem Unterschiede des Gegenstandes, wie ihn auch nur der Titel angibt, der Unterschied unsrer Werke angedeutet ist. B[auer] hat zum Gegenstand seiner Kritik die evangelische Geschichte, d. i. das biblische Christentum oder vielmehr biblische Theologie, Str[auß] die christliche Glaubenslehre und das Leben Jesu, das man aber auch unter den Titel der christlichen Glaubenslehre subsumieren kann, also das dogmatische Christentum oder vielmehr die dogmatische Theologie, ich das Christentum überhaupt, d. h. die christliche Religion und als Konsequenz nur die christliche Philosophie oder Theologie. Daher zitiere ich hauptsächlich auch nur solche Männer, in welchen das Christentum nicht nur ein theoretisches oder dogmatisches Objekt, nicht nur Theologie, sondern Religion war. Mein hauptsächlicher Gegenstand ist das Christentum, ist die Religion, wie sie unmittelbares Objekt, unmittelbares Wesen des Menschen ist. Gelehrsamkeit und Philosophie sind mir nur die Mittel, den im Menschen verborgnen Schatz zu heben.

      Erinnern muß ich auch noch, daß meine Schrift ganz wider meine Absicht und Erwartung in das allgemeine Publikum gekommen ist. Zwar habe ich von jeher nicht den Gelehrten, nicht den abstrakten und partikulären Fakultätsphilosophen, sondern den universellen Menschen mir zum Maßstab der wahren Lehr- und Schreibart genommen, überhaupt den Menschen – nicht diesen oder jenen Philosophen – als das Kriterium der Wahrheit betrachtet, von jeher die höchste Virtuosität des Philosophen in die Selbstverleugnung des Philosophen – darein gesetzt, daß er weder als Mensch, noch als Schriftsteller den Philosophen zur Schau trägt, d. h. nur dem Wesen, aber nicht der Form nach, nur ein stiller, aber nicht lauter oder gar vorlauter Philosoph ist, und mir daher bei allen meinen Schriften, so auch bei dieser, die höchste Klarheit, Einfachheit und Bestimmtheit, die nur immer der Gegenstand erlaubt, zum Gesetz gemacht, so daß sie eigentlich jeder gebildete und denkende Mensch, wenigstens der Hauptsache nach, verstehen kann. Aber dessen ungeachtet kann meine Schrift nur von dem Gelehrten – versteht sich nur von dem wahrheitliebenden, urteilsfähigen, dem über die Gesinnungen und Vorurteile des gelehrten und ungelehrten Pöbels erhabnen Gelehrten – gewürdigt und vollständig verstanden werden; denn, obwohl ein durchaus selbständiges Erzeugnis, ist sie doch zugleich nur eine notwendige Konsequenz der Geschichte. Sehr häufig beziehe ich mich auf diese oder jene geschichtliche Erscheinung, ohne sie auch nur dem Namen nach zu bezeichnen, weil ich es für überflüssig hielt –, Beziehungen, die also nur dem Gelehrten verständlich sind. So beziehe ich mich z. B. gleich im ersten Kapitel, wo ich die notwendigen Konsequenzen des Gefühlsstandpunktes entwickle, auf den Philosophen Jacobi und Schleiermacher, im zweiten Kapitel von vornherein hauptsächlich auf den Kantianismus, Skeptizismus, Deismus, Materialismus, Pantheismus, im Kapitel vom »Standpunkt der Religion«, da, wo ich den Widerspruch zwischen der religiösen oder theologischen und physikalischen oder naturphilosophischen Anschauung der Natur erörtre, auf die Philosophie im Zeitalter der Orthodoxie und zwar vorzüglich die Carte´-sische und Leibni-zsche Philosophie, in welcher dieser Widerspruch auf eine besonders charakteristische Weise hervortritt. Wer daher nicht die geschichtlichen Voraussetzungen und Vermittelungsstufen meiner Schrift kennt, dem fehlen die Anknüpfungspunkte meiner Argumente und Gedanken; kein Wunder, wenn meine Behauptungen ihm oft rein aus der Luft gegriffen zu sein scheinen, stehen sie auch gleich auf noch so festen Füßen. Zwar ist der Gegenstand meiner Schrift von allgemeinem menschlichen Interesse; auch werden einst die Grundgedanken derselben – allerdings nicht in der Weise, in welcher sie hier ausgesprochen sind und unter den gegenwärtigen Zeitverhältnissen ausgesprochen werden konnten – sicherlich Eigentum der Menschheit werden, denn nur hohle, machtlose, dem wahren Wesen des Menschen widersprechende Illusionen und Vorurteile sind es, die ihnen in der gegenwärtigen Zeit entgegenstehen. Aber ich behandelte meinen Gegenstand zunächst nur als eine wissenschaftliche Angelegenheit, als ein Objekt der Philosophie, und konnte ihn zunächst auch nicht anders behandeln. Und indem ich die Aberrationen der Religion, Theologie und Spekulation rektifiziere, muß ich mich natürlich auch ihrer Ausdrücke bedienen, ja selber zu spekulieren, oder – es ist eins – zu theologisieren scheinen, während ich doch gerade die Spekulation auflöse, d. h. die Theologie auf die Anthropologie reduziere. Meine Schrift enthält, sagte ich oben, das und zwar in concreto entwickelte Prinzip einer neuen, nicht schul- aber menschgerechten Philosophie. Ja sie enthält es, aber nur indem sie es erzeugt, und zwar aus den Eingeweiden der Religion – daher, im Vorbeigehen gesagt, die neue Philosophie nicht mehr, wie die alte katholische und moderne protestantische Scholastik, in Versuchung geraten kann und wird, ihre Übereinstimmung mit der Religion durch ihre Übereinstimmung mit der christlichen Dogmatik zu beweisen; sie hat vielmehr, als erzeugt aus dem Wesen der Religion, das wahre Wesen der Religion in sich, ist an und für sich, als Philosophie, Religion. Aber eben eine genetische und folglich explizierende und demonstrierende Schrift ist schon um dieser ihrer formellen Beschaffenheit willen keine für das allgemeine Publikum geeignete Schrift.

      Schließlich verweise ich zur Ergänzung dieser Schrift in betreff mancher scheinbar unmotivierter Behauptungen auf meine frühern Schriften, besonders auf: » P. Bayle. Ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie und Menschheit« und »Philosophie und Christentum«, wo ich mit wenigen, aber scharfen Zügen die historische Auflösung des Christentums geschildert und gezeigt habe, daß das Christentum längst nicht nur aus der Vernunft, sondern auch aus dem Leben der Menschheit verschwunden, daß es nichts weiter mehr ist, als eine fixe Idee, welche mit unsern Feuer- und Lebensversicherungsanstalten, unsern Eisenbahnen und Dampfwagen, unsern Pinakotheken und Glyptotheken, unsern Kriegs- und Gewerbsschulen, unsern Theatern und Naturalienkabinetten im schreiendsten Widerspruch steht.

      Bruckberg, den 14. Februar 1843 L. F.

      Postscr. Als ich diese